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Neue Chance für den Meeresschutz?

Irene Quaile-Kersken23. Oktober 2013

Keine Ölsuche, kein Bergbau: Der Antarktisvertrag sorgt dafür, dass der Südpol der Forschung vorbehalten bleibt. Nun soll zudem ein riesiges Meeresschutzgebiet ausgewiesen werden. Doch die Verhandlungen stocken.

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Eisberg in der Antarktis (Foto: John B. Weller / Courtesy of the Pew Charitable Trusts)
Bild: John B. Weller, Courtesy of The Pew Charitable Trusts

Wer kümmert sich, wenn in der Antarktis ein Flugzeug abstürzt oder ein Kreuzfahrtschiff havariert? Wer sorgt dafür, dass der weiße Kontinent nicht durch eine Suche nach Mineralien in Mitleidenschaft gezogen wird?

"Dieser riesengroße Kontinent von 14 Millionen Quadratkilometern ist außerhalb nationaler Rechtssprechung", erklärt Manfred Reinke der DW. Der Deutsche ist seit 2009 Exekutivsekretär des Antarktisvertrags. Dieser Vertrag regelt alles, was die um den Südpol gelegenen Land- und Meeresgebiete betrifft, von Unfällen bis Bodenschätzen.

Der Vertrag kam im Jahr 1959, mitten im Kalten Krieg, zustande. Jeder Staat kann beitreten. Ein Wahlrecht haben allerdings nur die Staaten, die mit eigenen Forschungsexpeditionen oder -stationen in der Antarktis ihr Interesse nachgewiesen haben. Jedes Jahr treffen sich die 49 Unterzeichnerstaaten turnusgemäß in einem der Mitgliedsländer. Die Reihenfolge bestimmt das Alphabet.

Das letzte Treffen im Mai fand in Brüssel statt. Dabei ging es unter anderem darum, auf Unglücksfälle in der Antarktis, zum Beispiel beim Unfall eines Kreuzfahrtschiffs, besser reagieren zu können.

Viele Länder, gemeinsames Handeln

"Die Antarktis untersteht nicht einem oder mehreren Staaten. Alle rechtlichen Angelegenheiten für diesen Kontinent werden hier bei dem Vertragsstaatentreffen besprochen", so Reinke. Als größtes Verdienst der internationalen Vereinbarung sieht Reinke die friedliche internationale Erforschung der Antarktis, obwohl sieben Länder Gebietsansprüche haben.

Belgien, zuletzt Gastgeberland, hätte ohnehin schon eine lange Tradition der Antarktisforschung, erklärt Alain Hubert, Direktor der belgischen International Polar Foundation, der DW. Die erste Antarktisüberwinterung fand im Rahmen einer belgischen Expedition statt. Im letzten internationalen Polarjahr 2007 hat Huberts Stiftung eine neue Antarktisstation gebaut, mit Wind- und Solarenergie betrieben.

Feldarbeit in der Antarktis Foto: International Polar Foundation
Kalte Arbeit: Die Vermessung des PolareisesBild: International Polar Foundation

Den Antarktisvertrag sieht der Polarforscher als erfolgreiches Beispiel der internationalen Kooperation: "Zu einem Zeitpunkt, zu dem die Weltbevölkerung wächst und wir uns fragen, wie wir alle in Zukunft zusammen auf diesem Planeten leben können, ist das ein wichtiges Symbol. Die Antarktis ist wohl der einzige Ort auf der Erde, der von so vielen Ländern gemeinsam verwaltet wird."

Umweltschutz hat oberste Priorität

1991 wurde ein zusätzliches Umweltschutzprotokoll ins Leben gerufen. Es verbietet grundsätzlich die Nutzung aller mineralischen Ressourcen einschließlich Erdöl und Erdgas in der Antarktis.

"Nichtsdestotrotz ist die Antarktis ein sehr empfindliches System, in dem auch vergleichweise geringe menschliche Aktivitäten eine große Rolle spielen", so Manfred Reinke. "In Bezug zur Größe des Kontinents sind es nicht viele Menschen, die dahin kommen - im Tourismus rechnen wir mit 35.000 im Jahr, konzentriert aber auf einige Gebiete in der Antarktis."

Allerdings steigen durch den globalen Klimawandel die Temperaturen, fügt er hinzu. "Man muss sehr vorsichtig sein, um den spezifischen Charakter und die Wildheit der Antarktis zu erhalten."

Der Klimawandel verändert die Antarktis

Die Erforschung des Klimawandels ist eines der Hauptthemen in der Antarktisforschung, sagt Alain Hubert, der selbst jeden Sommer an der belgischen Forschungsstation arbeitet.

"Man muss zwischen der westantarktischen Halbinsel und der Ostantarktis unterscheiden", sagt der Polarforscher. "In der Westantarktis ist der Klimawandel genau so spürbar wie in den Anden, den europäischen Alpen oder Grönland. Wir arbeiten hingegen in der Ostantarktis, wo die Temperatur immer unter Null ist."

Die Forscher wollen herausfinden, ob das, was jetzt in der Westantarktis passiert, zu einem späteren Zeitpunkt mit einer ähnlichen Geschwindigkeit auch in der Ostantarktis geschehen könnte. Das würde sich auf den globalen Meeresspiegel auswirken und die internationale Gemeinschaft vor größere Probleme stellen, so Hubert.

Schneemobil zwischen Eiswänden, Antarktis. Foto: International Polar Foundation
Expeditionsleiter Alain Hubert unterwegs in der AntarktisBild: International Polar Foundation

Wächst der wirtschaftliche Druck?

In der Arktis, also am Nordpol, steigert die rasche Eisschmelze bereits die wirtschaftlichen Aktivitäten. Neue Schiffsrouten sind entstanden, die Suche nach Öl, Gas und Mineralien läuft. Könnte das in Zukunft auch der Antarktis bevorstehen?

Hubert glaubt, dass der Druck, auch die Antarktis kommerziell zu nutzen, zunehmen wird. Es sei nur noch eine Kostenfrage - und der Vertrag im Endeffekt nur ein Stück Papier. Hubert verweist auf Probleme in der Fischerei: Trotz des Übereinkommens über die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR), das auch im Rahmen des Antarktisvertrags ausgehandelt wurde, sind die Krillbestände in manchen antarktischen Regionen stark befischt.

Neue Verhandlungen, neue Chance für das größte Meeresschutzgebiet

Zuletzt gab es in Bremerhaven eine Sondersitzung, in der es um genau diese Erhaltung ging. Es war das zweite Treffen seit 1982 abseits des Jahresturnus. Im Voraus zur Entscheidung sagte Landwirtschafsministerin Ilse Aigner noch, es wäre "die einmalige Chance, Geschichte zu schreiben". Denn bei Zustimmung aller Mitgliedsstaaten wäre die weltweit größte Meeresschutzzone entstanden, die sich dann über Rossmeer und Ostantarktis erstreckt hätte. Etwa so groß wie die Europäische Union und ein einzigartiger Lebensraum für Pinguine, Robben, Seelöwen und Wale.

Aber statt einer Erfolgsmeldung gab es nach der Konferenz Enttäuschung: Die russische Delegation stellte sich quer und stellte darüber hinaus auch das Recht der Organisation in Frage, solche Schutzzonen überhaupt einrichten zu dürfen, so die Allianz für den antarktische Ozean (AOA). Neben Russland fürchteten auch die Ukraine und China zu starke Beschränkungen für die Fischerei durch die geplanten Schutzgebiete. Eben diese stellt für die Antarktis aber eine Bedrohung dar.

Eine einmalige Gelegenheit sei damit verpasst worden, zieht die AOA nach der Konferenz Bilanz. "Es muss unbedingt ein Konsens gefunden werden", sagt Andrea Kavanagh von der US-Umweltschutzgruppe Pew Environment.

Nun gibt es erneut Gelegenheit dazu, eine Meeresschutzzone zu errichten. Ab Mittwoch (23.10.2013) tagen die Vertreter aus 24 Länder und der EU im australischen Hobart. Zwei Vorschläge, den Fischfang in Gebieten von der fünffachen Fläche Frankreichs zu verbieten, liegen dabei auf dem Tisch. Dennoch: Auch diesmal gilt die Abstimmung als offen.