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Politik

Neue EU-Afrika-Strategie: Wie zwei Schwestern?

Marina Strauß
9. März 2020

Die EU-Kommission hat ihre neue Strategie für Afrika vorgestellt - und kann gar nicht genug betonen, wie wichtig eine gleichberechtigte Partnerschaft ist. Doch wie ernst ist es ihr damit? Marina Strauß aus Brüssel.

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Brüssel | Pressekonferenz zur EU-Afrika-Strategie mit Jutta Urpilainen
Bild: Getty Images/AFP/J. Thys

Zwei Schwester-Kontinente seien Afrika und Europa, sagt Josep Borrell auf der kleinen Bühne im Pressesaal der EU Kommission in Brüssel. Der EU-Außenbeauftragte aus Spanien und seine finnische Kollegin Jutta Urpilainen, Kommissarin für Internationale Partnerschaften, stellen an diesem Montag die neue Afrika-Strategie der Europäischen Union vor.

Um für gute Stimmung in der Familie zu sorgen, war Schwester Europa, genauer gesagt die fast komplette EU-Kommission inklusive ihrer Chefin Ursula von der Leyen, Ende Februar nach Addis Abeba, Äthiopien, gereist und hatte sich dort am Hauptsitz der Afrikanischen Union mit den Kommissaren der AU getroffen. Jutta Urpilainen schwärmt an diesem Märztag in Brüssel von der Zusammenkunft: Eine gute Atmosphäre habe es gegeben, konstruktive Gespräche mit den AU-Counterparts.

Beste Voraussetzungen also für eine "neue Art" der Partnerschaft, wie beide, Borrell und Urpilainen in Brüssel betonen. Die neue Afrika-Strategie der EU soll ein Herzstück der Arbeit der erst Ende 2019 angetretenen EU-Kommission werden. "Wir haben geopolitische Interessen in Afrika", sagt Borrell. "Unser Wachstum und unsere Sicherheit hängen davon ab, was in Afrika passiert, vielleicht mehr, als von irgendeinem anderen Teil der Welt."

Der Fünf-Punkte-Plan der EU

Dieses "neue Level" der Partnerschaft, wie die EU-Kommission es gerne bezeichnet, basiert auf fünf Pfeilern. Ganz nach oben auf der Liste stehen Klimaschutz und Nachhaltigkeit sowie Digitalisierung. Nicht ohne Grund. Denn in diesen Bereichen können die beiden Schwester-Kontinente zusammen etwas aufbauen, in die Zukunft blicken und müssen sich nicht allzu sehr darum kümmern, Risse zu kitten.

Brüssel | Pressekonferenz zur EU-Afrika-Strategie mit Josep Borrell und Jutta Urpilainen
Josep Borrell, der EU-Außenbeauftragte und Jutta Urpilainen, EU Kommissarin für Internationale Partnerschaften, in BrüsselBild: Getty Images/AFP/J. Thys

Bei den Pfeilern "Frieden und Sicherheit" sowie "Migration und Mobilität" sieht das anders aus. Der Krieg in Libyen tobt weiter, trotz internationaler Vermittlungsversuche, die Sicherheitslage in der Sahelzone ist desolat. Josep Borrell, der EU-Außenbeauftragte, hatte Ende Februar in Addis Abeba versichert, es brauche mehr Waffen, um gegen Terroristen dort kämpfen zu können und damit für Sicherheit zu sorgen.

Was Migration angeht, werfen Kritiker der EU vor, sich hauptsächlich darauf zu fokussieren, Menschen aus Afrika davon abhalten zu wollen, sich auf die Reise nach Europa zu machen.

Mit dem fünften Pfeiler "nachhaltiges Wachstum und Jobs" will die EU mehr Investoren davon überzeugen, auf den afrikanischen Kontinent zu setzen.

Anders. Besser. Auf Augenhöhe.

Es ist nicht das erste Mal, dass die EU sich an ihre Schwester, Afrika, erinnert. 2000 trafen sich zum ersten Mal Top-Vertreter der EU und der Vorgängerorganisation der AU. Der AU-EU-Gipfel findet seitdem alle drei Jahre abwechselnd in Afrika und in Europa statt, das nächste Mal im Herbst 2020 in Brüssel. Seit 2007 gibt es eine "Gemeinsame EU-Afrika-Strategie". Doch jetzt soll alles anders werden. Besser. Auf Augenhöhe.

Das sagt auch Kommissarin Urpilainen im Gespräch mit der DW. Die EU wolle weg vom Geber-Nehmer-Modell hin zu einer "gleichberechtigen Partnerschaft". Konkret bedeutet das, dass Investments und wirtschaftliche Interessen beider Kontinente eine größere Rolle spielen sollen.

Die EU handelt in dieser Hinsicht nicht nur aus schwesterlicher Nächstenliebe, sondern auch, weil sie den Druck verspürt. Zwar ist die Europäische Union nach wie vor der wichtigste Handelspartner und Investor in Afrika, andere Mächte wie China haben aber in den vergangenen Jahren gewaltig investiert, etwa in Infrastruktur.

Die neue Strategie zielt auf junge Menschen

Viele sehen dieses neue europäische Interesse an Afrika durchaus positiv. "Afrikanische Lösungen für Afrikaner ist sicherlich "State of the Art", also zeitgemäß, sagt etwa Sebastian Brandis, Vorstand der Stiftung "Menschen für Menschen", die sich mit Projekten in Äthiopien engagiert. Man müsse nun nur aufpassen, dass Investments nicht nur Leute auf den Plan rufen, die vorwiegend an Rendite denken. "Viele Industrien in Afrika sind in den letzten 20 Jahren kaputtgemacht worden durch externe Investoren, die im Wesentlichen ihre Produkte untergebracht haben", so Brandis.

Äthiopien Addis Abbeba Ursula von der Leyen und Moussa Faki Mahamat
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit dem Vorsitzenden der AU-Kommission Moussa Faki bei ihrer ersten Äthiopien-Reise nach ihrem Amtsantritt im Dezember 2019Bild: Getty Images/AFP/E. Soteras

NGOs wie Oxfam kritisieren, dass EU-Förderprogramme wie etwa der "EU Emergency Trust Fund for Africa" den Erfolg von Entwicklungshilfe daran messen, ob sie dafür sorgt, dass möglichst viele Menschen nicht nach Europa wollen. Willkommen ist die Schwester Afrika also auch nicht immer.

Josep Borrell begründet das auf der kleinen Bühne in Brüssel damit, dass vielen in Europa irreguläre Migration nicht geheuer sei. Deswegen müsse die EU nun mal ihre Außengrenzen schützen. Seine Kollegin Urpilainen sagt, man wolle Fluchtursachen vor Ort bekämpfen mit der neuen Strategie, aber auch jungen Menschen aus Afrika die Möglichkeit geben, legal nach Europa zu kommen, zum Beispiel mit dem Austauschprogramm Erasmus+.

Gerade von jungen Menschen sprechen beide viel, sowohl Urpilainen als auch Borrell. 60 Prozent auf dem afrikanischen Kontinent seien unter 30 Jahre alt, so Urpilainen. Und genau die wollen sie nun auch einbinden in den kommenden Monaten, wenn es darum geht, die neue Strategie inhaltlich auszuarbeiten. Der Auftakt ist geschafft, doch bis zum AU-EU-Gipfel in Brüssel im Herbst haben die Schwester-Kontinente noch einiges zu tun - auf allen Ebenen.