Neue Gesichter für Japan
14. Juli 2017Unpopuläre Gesetze und mehrere Skandale untergruben vor zehn Jahren das Vertrauen der Bürger in die erste Regierung von Shinzo Abe von 2006 bis 2007. Als Quittung gab es damals eine Niederlage bei der Wahl des Oberhauses. Abe konnte noch das Kabinett umbilden, aber trat wenig später aus gesundheitlichen Gründen zurück. Zehn Jahre später scheint sich der Ablauf dieser Ereignisse zu wiederholen.
Diesmal weckte die intransparente Vergabe von Immobilien an Freunde von Abe das Misstrauen der Bürger. Ein durch das Parlament gedrücktes Anti-Terrorismus-Gesetz, das sich leicht zur Überwachung missbrauchen ließ, erregte ebenso Unmut wie die Ankündigung von Abe, den Pazifismus-Artikel 9 der japanischen Verfassung ändern zu wollen. Dazu kamen verbale Ausrutscher mehrerer Minister.
In der Folge verlor die regierende Liberaldemokratische Partei (LDP), die seit fünf Jahren von Abe geführt wird, vor zwei Wochen bei der Kommunalwahl in der Hauptstade Tokio mehr als die Hälfte ihrer Sitze. Die Unterstützungsraten für Abe sind laut mehreren Umfragen auf die niedrigsten Werte seiner zweiten Amtszeit gesunken. Als Hauptgrund gaben die Befragten an, sie misstrauten dem Premier und meinten, er sei nach viereinhalb Jahren an der Regierung arrogant geworden.
Spitzenposition von Abe nicht bedroht
Doch anders als 2007 ist die Machtposition von Abe nicht unmittelbar bedroht. Die heutige Lage unterscheide sich grundlegend von damals, betont der deutsche Politologe Sebastian Maslow von der Universität Kobe. "Damals gab es mit der Demokratischen Partei eine schlagkräftige Opposition, während die heutige Schwäche der Opposition im Parlament der primäre Grund für die Dominanz der LDP unter Abe ist", argumentiert Maslow. Und diesmal halte das Büro des Premierministers alle Fäden der Macht fest in der Hand. "Ich sehe daher keine existentielle Krise der Regierung Abe", konstatiert der deutsche Japan-Experte.
Zur Wiederwahl als Vorsitzender der LDP muss Abe sich erst im September 2018 stellen. Zugleich braucht die nächste Parlamentswahl nicht vor Dezember 2018 stattzufinden. Dennoch spürt der 62-jährige Politiker einen starken Handlungsdruck. "Das Abe-Kabinett muss noch einmal ganz von vorne anfangen und mit Bescheidenheit regieren", forderte die konservative Zeitung Yomiuri, die Abe bislang unterstützte. Voraussichtlich am 3. August will der Regierungschef nun sein Kabinett umbilden. Frische Gesichter sollen einen Neustart symbolisieren.
Japanischen Medienberichten zufolge wird etwa die Hälfte der Posten neu besetzt. Die beiden Schlüsselpersonen der Abe-Regierung, Kabinettssekretär Yoshihide Suga und Finanzminister Taro Aso, behalten ihre Ämter. Dagegen werden Verteidigungsministerin Tomomi Inada und Justizminister Katsutoshi Kaneda wegen ihrer Fehltritte in den letzten Monaten wohl ersetzt. Inada galt vorübergehend als potenzielle Nachfolgerin von Abe, aber davon ist keine Rede mehr. Der Abe-Rivale Shigeru Ishiba dürfte dem neuen Kabinett ebenso wenig angehören wie der populäre Jungpolitiker Shinjiro Koizumi. Der Sohn von Ex-Premier Junichiro Koizumi will Abe nicht unterstützen, weil sein Vater gegen dessen Pro-Atomkraft-Politik kämpft.
Rätselraten um Außenminister Fumio Kishida
Die größte Spekulation rankt sich um Außenminister Fumio Kishida, der wie Suga und Aso dem Abe-Kabinett von Anfang an angehört. Bislang zeigte er immer große Loyalität zu Abe, aber kürzlich distanzierte er von dessen Plan für eine Verfassungsreform. Nun berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo, Kishida wolle dem neuen Kabinett nicht mehr angehören. Kishida führt die nach ihm benannte LDP-Faktion, die einen liberalen Konservatismus vertritt. In dieser Strömung gebe es die Forderung nach seiner Bewerbung um das Amt des Partei- und Regierungschefs im nächsten Jahr, berichtet Politologe Maslow. Doch dem fast 60-Jährigen werde es schwerfallen, genug Stimmen gegen Abe zu mobilisieren, da die LDP-Liberalen an Einfluss verloren hätten. Daher könnte Kishida Außenminister bleiben, so Maslow.
Ein unbekannter Faktor ist die populäre Gouverneurin von Tokio, Yuriko Koike, der schon länger Ambitionen auf das Amt des Premierministers nachgesagt werden. Die 64-jährige Politikerin hatte die Tokioter Kommunalwahl klar gewonnen. "Koike konnte sich als Reformerin gegen die LDP-Eliten profilieren", erklärt Maslow ihren Erfolg. Doch Koike will sich zunächst auf die Vorbereitung der Olympischen Spiele 2020 in Tokio konzentrieren. Nach Ansicht von japanischen Medien wartet sie offenbar ab, ob Abe sein Umfragetief überwinden kann. Doch Maslow bleibt skeptisch: "Bislang hat Koike keine politischen Inhalte präsentiert, die ihrem Image als Reformerin gerecht werden."