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Neue Handelswege durch Israel

Tania Krämer, Jerusalem29. Dezember 2013

Der Konflikt in Syrien führt zu neuen Handelsrouten im Nahen Osten. Mehr Güter werden jetzt durch den Norden Israels nach Jordanien transportiert und von dort in die Arabische Welt. Haifa wird zum neuen Umschlagplatz.

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Das Frachtschiff "Aegean Pearl" im Hafen von Haifa (Foto: DW/Krämer)
Bild: DW/T. Krämer

Die "Aegean Pearl" hat wieder eine ganz besondere Fracht an Bord. In der Nacht hat das große Schiff aus dem türkischen Iskenderun im nordisraelischen Hafen von Haifa angedockt. Seit den frühen Morgenstunden wird entladen: Mit an Bord sind 58 türkische Lastwagen mit Waren für die arabische Welt. Ein Lastwagen nach dem anderen fährt langsam die massive Schiffsrampe hinunter. Früher fuhren LKW mit ihrer Fracht durch Syrien direkt nach Jordanien. Heute ist der Landweg versperrt. "Die Krise in Syrien hat uns diesen neuen Weg eröffnet", sagt Joseph Tarabani von dem privaten israelischen Schifffahrtsunternehmen Tiran-Shipping, das den Transport organisiert. "Jetzt können die türkischen Fahrer mit ihrer Fracht von der Türkei nach Jordanien kommen."

Wegen des Konflikts in Syrien hat Israel seine Straßen für die Lastwagen geöffnet. Offiziell steht dabei auf den Frachtpapieren als Ziel Jordanien. Doch jeder hier weiß, dass einige Güter auch in arabische Länder transportiert werden, die keine diplomatischen Beziehungen zu Israel haben. Politisch ist dies heikel, denn bisher haben nur Jordanien und Ägypten Friedensverträge mit Israel unterzeichnet. Israelische Unternehmer erhoffen sich vor allem neue Handelswege. "Natürlich ist dies vor allem ein kommerzielles Vorhaben", sagt David Behrisch, Miteigentümer von Tiran-Shipping. "Aber es ist auch für Israel politisch wichtig, diesen Korridor zu öffnen und die Jordanier und Türken damit zu unterstützen." Von dieser Situation würden alle Beteiligten profitieren.

Seeweg statt Landweg durch Syrien

Gleich nach der Ankunft auf israelischem Boden stehen ausgiebige Sicherheitskontrollen an. Die türkischen Fahrer nehmen es gelassen. Zoll, Passkontrolle, Sicherheitscheck - alles braucht eben Zeit, sagen die Männer. Nur den Seeweg über das Mittelmeer finden sie gewöhnungsbedürftig. Die meisten Fahrer kommen aus einer Region nahe der syrisch-türkischen Grenze. Von dort aus seien sie rund fünf Tage - über Land - durch Syrien unterwegs gewesen, bis sie Jordanien erreicht hätten, erzählt Fahrer Ibrahim Yildez. Das Frachtschiff wiederum legt nur einmal pro Woche in Haifa an, und wenn es Verspätung hat, dauert auch der Seeweg länger.

Ansicht des Containerhafens in Haifa, Israel (Foto: DW/Krämer)
Der Hafen von HaifaBild: DW/T. Krämer

Die israelischen Transportunternehmer werben damit, dass ihr Weg dennoch schneller und vor allem sicherer ist als die derzeitigen Alternativen. Der Weg über den Suezkanal wäre kostspielig und zeitaufwendig, und der ägyptische Sinai gilt nicht als sicher genug. Die Syrien-Krise trifft vor allem das Nachbarland Jordanien, das zwar einen eigenen Hafen in Aqaba am Roten Meer hat, aber einen Teil seiner Exporte und Importe über den Landweg oder die syrischen Mittelmeerhäfen abgewickelt hat.

Haifa als Tor zum Nahen Osten

In Haifa wirbt man vor allem mit der geografischen Lage des Hafens. "Wenn man sich das auf der Karte anschaut, dann ist es wirtschaftlich sinnvoll, die Güter aus der Türkei oder selbst aus Nordeuropa über Haifa zu bringen, und dann in den Irak und später vielleicht auch in den Iran zu transportieren", sagt Zohar Rom, Pressesprecher des Hafens von Haifa. "Man muss dann nicht über den Suez-Kanal oder über Ägypten in den jordanischen Hafen Aqaba."

Die Scheich-Hussein-Brücke zwischen Israel und Jordanien (Foto: DW/Krämer)
Die Scheich-Hussein-Brücke zwischen Israel und JordanienBild: DW/T. Krämer

Hier scheint man darauf zu hoffen, an die bewegte Geschichte des Hafens anzuknüpfen: In den 1930er Jahren wurde ein Teil des Hafens in Haifa von der britischen Mandatsmacht als Verkehrsknoten für den Handel mit dem Irak und dem Nahen Osten ausgebaut. Von hier aus ging eine Ölpipeline ins irakische Kirkuk.

Reger Grenzverkehr an der Scheich-Hussein-Brücke

Noch sind es aber nur rund 100 Lastwagen pro Woche, die über Israel von und nach Jordanien fahren. Im gesicherten Konvoi geht es Richtung Osten zur jordanisch-israelischen Grenze, etwa eine Stunde Autofahrt von Haifa entfernt. Die Kolonne der Lastwagen mit ausländischen Kennzeichen ist ein ungewohntes Bild auf israelischen Straßen.

Am jordanisch-israelischen Grenzübergang Scheich-Hussein im Jordan-Tal warten bereits die türkischen Lastwagen mit Gütern aus Jordanien darauf, die Grenzkontrollen nach Israel zu passieren. Sie wollen dann in Richtung Haifa weiterfahren. "Seit dem Krieg in Syrien sehen wir mehr und mehr Waren, die aus Jordanien über diesen Grenzübergang kommen, in beide Richtungen", sagt Avi Gordon, Leiter des Scheich-Hussein-Grenzübergangs auf israelischer Seite. "Wir hoffen, dass diese Route bestehen bleibt, selbst wenn sich der Weg durch Syrien eines Tages wieder öffnet." Auch eine neue Eisenbahnlinie zwischen Haifa und dem Ort Bet Schean im Jordan-Tal ist bereits in Planung.

Türkische Lastwagen warten auf den israelischen Sicherheitscheck am jordanisch-israelischen Grenzübergang (Foto: DW/Krämer)
Türkische Lastwagen warten auf den israelischen SicherheitscheckBild: DW/T. Krämer

Einige der LKW-Fahrer haben Klappstühle mitgebracht. Sie nutzen die Sicherheitskontrollen für eine wohlverdiente Pause auf der langen Reise. Hasan Yildiz hat sich an die akribischen Kontrollen der Israelis gewöhnt: "Nein, es ist nicht schwieriger, jetzt über Israel zu fahren", sagt der LKW-Fahrer. "Ich bin als einer der Ersten vor einem Jahr den neuen Weg gefahren. Unsere Leute haben nur gesagt, in Israel durchsuchen sie dich zwar lange, aber sie nehmen auch keine Bestechungsgelder. Wir machen ihnen hier alles auf und sagen: Hier, bitte schön, schaut überall hinein." Bis alle Formalitäten erledigt sind, vergehen mehrere Stunden. Dann machen sich die Fahrer wieder auf die Reise durch den politisch turbulenten Nahen Osten.