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Neue Kraftanstrengung nötig

18. Dezember 2002

Das Bundesverfassungsgericht stoppte am Mittwoch (18.12.) das im März beschlossene Gesetz, weil die umstrittene Abstimmung im Bundesrat grundgesetzwidrig gewesen sei. Ein Kommentar von Cornelia Rabitz.

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Es war ein höchstrichterlicher Spruch über das formale Zustandekommen eines Gesetzes, aber auch ein Urteil über ein äußerst fragwürdiges und dem Ansehen der Politik abträgliches Spektakel im Bundesrat. Fazit: Das Verfahren in der Länderkammer widersprach den Regeln der Verfassung. Heraus kam zudem eine schallende Ohrfeige für den damals amtierenden Bundesratspräsidenten Klaus Wowereit, der auf unverantwortliche Weise versucht hatte, den Gang der Abstimmung über das Zuwanderungsgesetz parteiisch zu beeinflussen.

Die Verfassungsrichter ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Sie haben all jenen, die Ranküne und Taktiererei schon mal an die Stelle von Politik setzen, ins Stammbuch geschrieben: Tricksereien gelten nicht. Gesetzgebung ist in der parlamentarischen Demokratie kein überflüssiger Zierrat, sondern ein hohes Gut, für das es Regeln gibt. Und diese müssen bei allem Streit in der Sache eingehalten werden.

Die Folge ist nun freilich, dass zugleich auch das gesamte Zuwanderungsgesetz an den hohen Hürden des obersten deutschen Gerichts gescheitert ist. Ein Gesetz, das nach langem, zähem und konfliktreichem Ringen verabschiedet wurde, in das auch Vorschläge der Opposition mit eingeflossen sind und das im Ergebnis von vielen wichtigen Gruppen begrüßt worden ist - der Wirtschaft, den Gewerkschaften, den Kirchen, humanitären Organisationen. Das Zuwanderungsgesetz war ein Kernprojekt der ersten rot-grünen Legislaturperiode. Es kann nun nicht in Kraft treten und daher ist es nicht falsch, von einer schweren Niederlage der Koalition zu sprechen.

Gefragt sind jetzt Vernunft und Augenmaß. Die Politik muss handeln, ein Konsens muss gefunden werden. Und das ist einer Zeit trüber Wirtschaftsdaten, hoher Erwerbslosigkeit, verbreiteter Krisenstimmung - nicht eben angetan dazu, über Zuwanderung nach Deutschland zu reden. Genau hierin könnte eine Chance liegen. Wenn erst einmal das Triumphgeheul der einen Seite verklungen ist, der Trotz der anderen, dann könnten die politischen Akteure sich zu einem neuen Anlauf zusammenfinden. Dabei kann es nicht darum gehen, mit Extrempositionen die jeweils andere Auffassung niederzumachen. Ein gewisser Stand der Debatte war erreicht und ihn gilt es zu halten. Dass Deutschland - gerade auch in Zukunft - Zuwanderung in den Arbeitsmarkt aus demographischen Gründen dringend braucht, ist längst bestätigt. Dass die Immigration geregelt und gesteuert werden muss, bestreitet auch niemand mehr.

Gleichzeitig gilt es, intensiv für ein neues Zuwanderungsgesetz zu werben. Denn eine Mehrheit der Bevölkerung steht weiterer Immigration eher skeptisch gegenüber, erfährt sie doch nicht nur die Freuden des Zusammenlebens der Kulturen, sondern auch die damit verbundenen Probleme zuweilen hautnah. Auch diesen Menschen das Reformprojekt Zuwanderungsgesetz nahe zubringen ist eine wichtige Zukunftsaufgabe.