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Politik

Neue Leitlinien für Afrika

19. Mai 2017

Mehr Nachhaltigkeit, mehr Partnerschaft. Das sind die nicht ganz neuen EU-Grundsätze für Entwicklungspolitik. Der Ministerrat hat sie beschlossen. Und nun? Bernd Riegert aus Brüssel.

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Somalia Dürre verendente Ziegen
Dürre in Somalia: Die EU will Hunger nachhaltig bekämpfen helfenBild: Getty Images/AFP/M. Abdiwahab

Vor allem Afrika werde wohl von den neuen Grundsätzen profitieren, die die Europäische Union zur Entwicklungspolitik an diesem Freitag beschlossen hat. So lautet die Einschätzung des "Instituts für Sicherheitsstudien", einer Denkfabrik, die in mehreren afrikanischen Staaten angesiedelt ist. In einer Analyse des Instituts zu den neuen Leitlinien der EU-Entwicklungspolitik heißt es, dass die EU mehr darauf abzielt, den ärmsten Staaten zu helfen, von denen weltweit die meisten nun einmal in Afrika liegen. Außerdem geht es der EU nicht mehr so sehr um akute Hilfe, sondern um nachhaltige Hilfsprojekte, die langfristig zu mehr Arbeitsplätzen und Versorgungssicherheit führen sollen. Die Staaten der  Europäischen Union, kombiniert die größten Geber von Entwicklungshilfe weltweit, wollen sich untereinander besser absprechen und Hilfe in Partnerschaft mit den Zielländern vereinbaren. Das nannte die Außenbeauftragte der EU, Federica Mogherini, als Ziele der Union bei der Vorstellung der überarbeiteten Strategie. "Wir glauben, dass Investitionen in Entwicklung, Friedenssicherung und Klimafolgen ein Mittel sind, um unsere eigene Sicherheit und Widerstandskraft zu stärken. Darum wird die Europäische Union immer an der Seite der Vereinten Nationen handeln", sagte Mogherini.

Passend zu den Zielen der UNO

Belgien EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in Brüssel
Mogherini: Gemeinsam mit der UNO (Archiv)Bild: picture-alliance/AP/G. V. Wijngaert

Die EU passt ihre bisherigen, aus dem Jahr 2005 stammenden Leitlinien den Vorgaben der Vereinten Nationen an. Die legen in ihren Entwicklungszielen bis zum Jahr 2030, der sogenannten "Agenda 2030" besonderes Gewicht auf Nachhaltigkeit. "Das ist jetzt die Arbeitsgrundlage für die nächsten Jahre", sagte dazu der Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium, Thomas Silberhorn, in Brüssel. "Das muss natürlich jetzt mit konkreten Aktivitäten hinterlegt werden. Für uns spielen neben den Partnerschaften mit reformorientierten Staaten auch fairer Handel, faire Besteuerung, eine faire globale Ordnung eine große Rolle. Das werden wir weiter mit nach vorne bringen und um Unterstützung werben." Die afrikanische Denkfabrik "Institut für Sicherheitsstudien" hebt hervor, dass die EU die Einwanderung aus afrikanischen Staaten nicht rundheraus ablehnt, sondern theoretisch auch als Chance für Entwicklungspolitik begreift. "Das steht im Gegensatz zur tatsächlich wahrnehmbaren Politik in einigen Mitgliedländern" hießt es auf der Webseite des Instituts. Die EU-Entwicklungsminister wollen, von den hehren Leitsätzen abgesehen, weiter an den sogenannten "Compacts with Africa" mitarbeiten. Diese Abkommen sollen dazu dienen, die Migration Richtung Norden und über das Mittelmeer einzudämmen. Afrikanischen Jugendlichen sollen in den Heimat- und Transitländern mehr Chancen geboten werden.

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Bekämpfung des Klimawandels

Die für Entwicklungspolitik und die Agenda 2030 zuständige stellvertretende UN-Generalsekretärin Amina Mohammed nahm in Brüssel an der Sitzung der EU-Entwicklungsminister teil. Sie begrüßte, dass die EU und die Vereinten Nationen an einem Strang zögen. Indirekt kritisierte sie die USA, die bislang ein entscheidender Akteur in der Entwicklungspolitik waren. Eine Rückzug aus der für die Entwicklungsländer wichtigen Klimapolitik, dürfe nicht in Frage kommen, forderte Amina Mohammed. "Das bedeutet, dass wir niemanden im Stich lassen. Das schließt das Pariser Klimaabkommen mit ein. Das schließt die Suche nach den Innovationen und den finanziellen Mitteln ein, die nötig sind, um das Klimaabkommen umzusetzen."

Amina Mohammed
Mohammed: Ehemalige Ministerin aus Nigeria wirbt für EntwicklungBild: picture-alliance/EuropaNewswire/L. Rampelotto

Afrikanische Staaten sollen Verantwortung übernehmen

Partnerschaft in der Entwicklungspolitik bedeutet für den deutschen Vertreter in Brüssel auch, dass die afrikanischen Staaten mehr Verantwortung als bisher übernehmen. Thomas Silberhorn, Staatsekretär im Entwicklungsministerium, machte das am Bespiel der akuten Hunger-Krise im Jemen und in einigen afrikanischen Ländern (Somalia, Südsudan, Nigeria) fest, wo insgesamt 20 Millionen Menschen von Mangelernährung und Hunger bedroht sind. "Es gibt eine wesentliche Verantwortung der Regierungen in den Ländern, in denen es Hungerkrisen gibt. Nehmen Sie Nigeria oder Südsudan: Das sind reiche Länder. Wir müssen darauf dringen, dass die betroffenen Staaten mehr in Prävention investieren", sagte Silberhorn. Es gebe in vielen Staaten nach wie vor strukturelle Probleme, die schon lange bekannt seien. Die Landwirtschaft müsse auf eine ertragreichere Produktion umgestellt werden, um Hunger vorzubeugen. "Wenn Gesellschaften zu 70 oder 80 Prozent in Subsistenzlandwirtschaft leben, als Kleinbauern, dann ist offenkundig, dass die gesamte Gesellschaft abrutscht in Hunger und Armut, wenn zwei Ernten ausfallen."

Thomas Silberhorn
Silberhorn: Hunger als WaffeBild: DW/H.Kiesel

Konkrete neue Hilfszusagen für die unter Hunger leidenden Staaten wurden am Freitag von den EU-Ministern nicht gemacht. Die Vereinten Nationen bemängeln, dass die Finanzierung der notwendigen Hilfen in Höhe von vier Milliarden Euro bis zum Jahresende nicht sichergestellt sei. Thomas Silberhorn vom Bundesentwicklungsministerium räumte ein, dass die Vereinten Nationen langfristig ein besseres Finanzierungsmodell für ihre Katastropenhilfe brauchen. Bislang haben die Ernährungsprogramme keine festen Etats, sondern sind von Fall zu Fall auf Zusagen der Geberstaaten angewiesen. Aber auch hier sieht Silberhon die Verantwortung der betroffenen Staaten, die zum Teil in kriegerische Auseinandersetzungen oder Bürgerkriege verstrickt sind. "Es ist nicht aktzeptabel, dass selbst Hilfslieferungen instrumentalisiert werden in bewaffneten Konflikten, dass humanitärer Zugang nicht gewährleistet wird, dass Hunger als Waffe eingesetzt wird. Die Skrupellosigkeit, mit der in einer Reihe von Staaten agiert wird, ist eine schwere Belastung für die internationale Gemeinschaft."

Somalia Hunger und Cholera fordern  mindestens 110 Todesopfer
Somalia: Hunger und Cholera vermeidbar durch bessere Entwicklungspolitik?Bild: picture alliance/AP Photo/F. Abdi Warsameh

Der Leiter der Katastrophenhilfe im evangelischen Hilfswerk "Diakonie", Martin Kessler, warf den EU-Staaten bei einer Geberkonferenz vor einer Woche in London vor, sie vernachlässigten Afrika. "Der Blick war sehr stark darauf gerichtet, Flüchtlinge davon abzuhalten, nach Europa zu kommen", beklagte Kessler im "Evanglischen Pressedienst". Warnsignale für die Hungerkatastrophen im Jemen und in Somalia seien jahrelang missachtet worden. "Wir sind sehr spät dran", so Kessler. 

 

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