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Neue Runde im NPD-Verbotsverfahren

Marcel Fürstenau18. März 2013

Der Bundesrat hat einen Verbotsantrag beschlossen, das Parlament prüft noch, die Bundesregierung verzichtet auf einen eigenen Antrag. Widersprüchliche Signale - obwohl alle das gleiche wollen.

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Das Wort «AUS» ist am 05.12.2012 in Pampow (Mecklenburg-Vorpommern) bei einer Pressekonferenz der Partei neben dem Parteilogo der NPD zu sehen (Foto: Jens Büttner/dpa )
Bild: picture-alliance/dpa

In der Beurteilung sind sich alle einig: Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ist rechtsextrem und verfassungsfeindlich.

Doch was daraus folgt, ist zwischen den Verfassungsorganen seit langem umstritten. Der Bundesrat, also die Kammer der 16 Bundesländer, hat schon im Dezember für einen Verbotsantrag vor dem Bundesverfassungsgericht gestimmt. Damit ist klar, dass es zehn Jahre nach dem ersten, aus formalen Gründen gescheiterten Anlauf einen zweiten Versuch geben wird. Allerdings hatte der Bundesrat gehofft, Bundestag und Bundesregierung würden mit eigenen, gleichlautenden Anträgen auf ein NPD-Verbotsverfahren drängen. Die politische Signalwirkung, so das Kalkül, wäre dann am stärksten. Daraus wird nun höchstwahrscheinlich nichts.

Offiziell wird die Regierung ihren Beschluss zwar erst am Mittwoch (20.03.2013) verkünden, aber die Freien Demokraten haben durch ihr öffentliches Vorpreschen die Entscheidung vorweggenommen. Parteichef Philipp Rösler sprach sich im Namen aller fünf FDP-Minister gegen ein NPD-Verbotsverfahren aus. Als Wirtschaftsminister im Kabinett der christdemokratischen Kanzlerin Angela Merkel hat Röslers Wort Gewicht, zumal er auch ihr Stellvertreter ist. Merkel selbst hat bei dem heiklen Thema stets eine einvernehmliche Position der Regierung in Aussicht gestellt.

Bund und Länder sammeln gemeinsam Beweise

Spätestens seit dem Votum des Bundesrats für einen NPD-Verbotsantrag forderten Kritiker eine schnellere als die für dieses Frühjahr angekündigte und nun offenbar gefallene Entscheidung. Dabei verwiesen die Befürworter eines zweiten Anlaufs auf den Ursprung des Materials, das den Bundesrat zuversichtlich stimmt, vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich zu sein. Es handelt sich nämlich um eine gemeinsam von Bund und Ländern Anfang 2012 in Auftrag gegebene Faktensammlung der Verfassungsschutzämter.

Offiziellen Angaben zufolge soll das Material ausnahmslos aus öffentlich zugänglichen Quellen der NPD stammen. 2003 wurde das von Regierung, Parlament und Länderkammer beantragte Verbotsverfahren eingestellt, weil ein Großteil der vorgelegten Beweise von Spitzeln aus den Reihen der NPD stammte. Aus Sicht der Verfassungsrichter war deshalb nicht auszuschließen, dass die sogenannten V-Leute vom Staat gesteuert waren. Obwohl diese Gefahr dieses Mal gebannt zu sein scheint, schätzt vor allem die FDP die Gefahr eines erneuten Scheiterns sehr hoch ein.

"Dummheit kann man nicht verbieten"

Aber auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) gehörte von Anfang an zu den Skeptikern. Seine Bedenken begründete er unter anderem mit der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR), der an Parteienverbote womöglich strengere Kriterien anlegen könnte als das Bundesverfassungsgericht. Für die liberale Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kommt ein NPD-Verbotsantrag schon aus rechtsstaatlichen Gründen nicht infrage.

FDP-Chef Rösler begründete seine ablehnende Haltung aber auch mit der in seiner Partei weit verbreiteten Überzeugung, "dass man Dummheit nicht verbieten kann". Das habe er sehr frühzeitig deutlich gemacht. Die NPD müsse man durch Bildung, Aufklärung und politische Maßnahmen bekämpfen. "Aber wir halten ein Verbot oder einen Verbotsantrag für den falschen Weg", betonte Rösler. So deutlich hat sich Kanzlerin Merkel zwar zu keinem Zeitpunkt geäußert - Zweifel hat sie aber durchblicken lassen.

Merkel enttäuscht Parteifreundin Lieberknecht

Die Meinungsbildung der Regierung sei noch nicht abgeschlossen, hatte sie nach dem Beschluss des Bundesrates Anfang Dezember gesagt. Auf der einen Seite gebe es eine "sehr eindrucksvolle" Faktensammlung, auf der anderen Seite "einige rechtliche Risiken", gab Merkel zu bedenken. Einig sei man sich, dass neben der Frage eines Parteienverbots der Rechtsextremismus insgesamt bekämpft werden müsse. "Das ist eine gemeinsame Aufgabe für die gesamte Gesellschaft", betonte Merkel damals.

Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) geben Statements (Foto: Hannibal/dpa)
Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) und ihr Amtskollege aus Schleswig-Holstein, Torsten Albig (SPD), nach dem Bundesratsbeschluss für einen NPD-VerbotsantragBild: picture-alliance/dpa

Ihre Parteifreundin und Ministerpräsidentin in Thüringen, Christine Lieberknecht, hatte auf ein anderes Zeichen gehofft. "Für uns ist vor allem wichtig, dass wir ein eindeutiges Signal gegen den Rechtsextremismus setzen", hatte sie im Dezember die Entscheidung der Länderkammer für einen NPD-Verbotsantrag kommentiert. Ob sich neben dem Bundesrat der Bundestag mit einem eigenen Antrag anschließen wird, ist noch offen. Im Moment prüfen die Fachpolitiker des Innen- und Rechtsausschusses des Bundestages die Erfolgsaussichten.

Auslöser der Debatte waren die mutmaßlichen NSU-Morde

Aus Sicht des Bundesverfassungsgerichtes ist es letztlich unerheblich, ob es einen NPD-Verbotsantrag gibt oder mehrere Anträge. Zahlreiche Politikwissenschaftler, darunter Gero Neugebauer von der Freien Universität Berlin, bestärken die Skeptiker. Der NPD müsse nachgewiesen werden, "dass antidemokratische Aktivitäten in Wort und Tat erfolgen", hatte Neugebauer der Deutschen Welle nach dem Votum des Bundesrates für einen erneuten Verbotsantrag gesagt. Mit antidemokratischen, also verfassungsfeindlichen Aktivitäten ist auch Gewalt gemeint. Ob man der NPD aber mehr als verfassungsfeindliche Rhetorik nachweisen kann, ist fraglich.

Unter Experten ist es auch umstritten, ob es im bevorstehenden Prozess gegen den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) gelingen wird, Verbindungen zwischen der NPD und der rechtsextremistischen Terrorgruppe nachzuweisen. Die dem NSU zur Last gelegte fremdenfeindliche Mordserie war Ende 2011 Auslöser für den Ruf nach einem zweitem NPD-Verbotsverfahren.