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Argentiniens riskanter Flirt mit China  

Cristina Papaleo
8. Februar 2022

Chinas Engagement in Argentinien wirft gleich mehrere Fragen auf: Wie steht es um die Nachhaltigkeit der chinesischen Investitionen, dem Interesse an den Bodenschätzen und der Gefahr einer Neuverschuldung?  

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Argentiniens Präsident Alberto Fernández in China mit Xi (06.02.2022)
Argentiniens Präsident Alberto Fernández in China mit XiBild: Argentinian Presidency/AFP

Die von der argentinischen Regierung angekündigte Strategie zur Erweiterung der Wirtschaftsbeziehungen mit China, die chinesische Investitionen in Höhe von mehr als 23,7 Milliarden Dollar vorsieht, und die Schaffung eines gemeinsamen Rahmens, der "inklusiv ist und zu einer nachhaltigen Entwicklung beiträgt", kommt inmitten einer schweren Wirtschaftskrise, die dem südamerikanischen Land mit einer Inflation von über 50 Prozent im vergangenen Jahr hart zusetzt. 

Mit seiner globalen Strategie - bekannt unter dem Namen Neue Seidenstraße - will Peking ein weltumspannendes Netz enger Wirtschaftsbeziehungen knüpfen. Dabei betrachtet China Argentinien als ein Land, das im großen Umfang Zugang zu natürlichen Ressourcen und Nahrungsmitteln bietet. Argentinien ist das zwanzigste lateinamerikanische Land, das sich dem Seidenstraßenprojekt (Belt and Road Initiative) anschließt. 

Zum Abkommen gehört auch ein sogenannter Währungsswap (Devisentauschgeschäft), den China mit verschiedenen Ländern in der ganzen Welt abgeschlossen hat. Er soll den beiderseitigen Handel erleichtern, da mit den nationalen Währungen gearbeitet wird, in diesem Fall in Peso und Yuan. 

China Peking | Argentinischer Präsident | Alberto Fernandez
Im Führerstand: Präsident Fernandez in einem chinesischen HochgeschwindigkeitszugBild: Xu Bingjie/Xinhua News Agency/picture alliance

Argentinien ist nicht allein

"Da der Handel in den nationalen Währungen beider Länder und nicht in Dollar abgewickelt wird, spart Argentinien dadurch große Summen an zusätzlichen Kosten", so Federico Foders, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Kiel, gegenüber der DW. Er fügt hinzu, dass "China daran interessiert ist, immer mehr Länder als Mitglieder in seine neuen Banken aufzunehmen, um sich von der hegemonialen wirtschaftlichen Macht der USA zu befreien". 

Argentinien ist eines der acht lateinamerikanischen Länder, die der Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) beigetreten sind. Die anderen Mitglieder sind Peru, Venezuela, Bolivien, Chile, Ecuador und Uruguay. 

Argentiniens Präsident Alberto Fernández war nach China gereist, um das 50-jährige Bestehen der bilateralen Beziehungen mit China, dem zweitwichtigsten Handelspartner des Landes nach Brasilien, zu feiern. Im Jahr 2021 kaufte China argentinische Waren für rund 6,3 Milliarden Dollar, was knapp acht Prozent der gesamten argentinischen Ausfuhren in die Welt entspricht. Es handelt sich um etwa 500 Produkte, darunter Sojabohnen, Sojaöl und Rindfleisch. Argentinien importiert rund 5000 Waren aus China, darunter Autos, Maschinen, Kleidung und elektrische Teile. Im Jahr 2021 tat es dies für insgesamt 13,5 Milliarden Dollar, was laut Angaben der argentinischen Statistikbehörde INDEC etwa 21,4 Prozent seiner gesamten Auslandskäufe ausmacht. Der bilaterale Handel zwischen China und Argentinien hätte sich demnach zwischen 2003 und 2020 verfünffacht. 

Argentiniens Präsident Alberto Fernández in China
Ernennung zum Honorarprofessor der Tsinghua Universität in PekingBild: ESTEBAN COLLAZO/Argentinian Presidency/AFP

Laut Alberto Fernández wird China auch die Forderung Argentiniens unterstützen, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Politik der Überschuldung überprüft. Aber, so Foders, "Argentinien muss sich an den IWF halten, so wie sich auch der IWF bei der Kreditvergabe an Argentinien an die Vorgaben gehalten hat." Viele Menschen fragen sich eher, wohin das Geld aus diesen Krediten geflossen ist. 

Diversifizierung des Außenhandels

Sollte Argentinien 19 Milliarden US-Dollar noch innerhalb dieses Jahres nicht an den IWF zahlen können, "würde das Land zum achten Mal in seiner Geschichte in Verzug geraten. Es gibt fast keine westlichen Unternehmen, die in Argentinien investieren wollen", so der Wirtschaftswissenschaftler weiter, "das ist ein weiterer Grund, warum Argentinien an guten Beziehungen zu China, Russland oder dem Iran interessiert ist". Er fügt hinzu, dass "nichts dagegen einzuwenden ist, die Handelsbeziehungen zu diversifizieren, sei es mit China oder Russland, und nicht nur nach Europa oder in die Vereinigten Staaten zu exportieren". 

Sollte Argentinien jedoch seine Verbindlichkeiten gegenüber China nicht mehr bedienen können, weil der wirtschaftliche Zusammenbruch nicht so leicht rückgängig zu machen ist, "könnte China sogar die Infrastrukturprojekte, die in Argentinien gebaut werden, wie z. B. Häfen, an sich reißen, wie es bereits in anderen Ländern geschehen ist", warnt er. Sri Lanka, das von Devisengeschäften mit China abhängig ist, musste aufgrund von Verzögerungen bei der Rückzahlung seiner Schulden einer 99-jährigen Verpachtung des strategisch wichtigen Hafens von Hambantota an die staatliche China Merchants Ports Holdings zustimmen. 

Da China einer der größten bilateralen Gläubiger der Welt ist, geben seine Kreditbedingungen, die u. a. eine vorrangige Eintreibung vorsehen und kollektive Umstrukturierungen ausschließen, Anlass zur Sorge. Und Argentinien ist nicht nur der größte Schuldner des IWF, sondern unter 24 anderen Entwicklungsländern auch einer der größten Schuldner Chinas. 

Buenos Aires Argentinien Menschen auf der Straße
Die Armut ist allgegenwärtig in Buenos Aires und anderswo in ArgentinienBild: Roberto Almeida Aveledo/ZUMA Wire/imago images

Gangbarer Weg, um die Wirtschaftskrise einzudämmen? 

Die gesamte Auslandsverschuldung Argentiniens entspricht derzeit 82,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Angesichts dieser drängenden Situation nimmt Alberto Fernández "eine andere Position zum Vorteil Chinas ein", erklärt Eduardo Daniel Oviedo, leitender Forscher in der Regierungsbehörde für wissenschaftliche und technologische Forschung CONICET und Professor für Politikwissenschaft an der Nationalen Universität von Rosario, gegenüber DW. Die mit China festgelegte Agenda zeige jedoch, so der Experte, "eine klare Asymmetrie und eher die wachsende Abhängigkeit Argentiniens von China als etwa eine Autonomie von den Vereinigten Staaten". 

Laut Oviedo gibt es neben anderen Staudammprojekten im Süden Argentiniens auch einen Solarpark in der nördlichen Provinz Jujuy, der mit Darlehen aus China finanziert wird. Eine zukünftige Schuld, die Argentinien, wenn es nicht wächst, "offensichtlich nicht zurückzahlen kann und den nachfolgenden Generationen eine noch unsicherere Zukunft hinterlassen wird". Mit anderen Worten: Anstatt eine weitere Verschuldung zu vermeiden, tut Argentinien das Gegenteil. "Natürlich sieht das die Regierung ganz anders", sagt der Professor, der seinen Master in Rechtswissenschaften an der Universität Peking gemacht hat.  

Mehr Nutzen für China

Für Eduardo Oviedo "rechtfertigt die finanzielle Situation Argentiniens keine neuen Kredite". Ihm zufolge sind einige der chinesischen Projekte in Argentinien "sogar eher fragwürdig, wie der Bau des vierten Kernkraftwerks Atucha III, der 2014 während der Regierung von Cristina Fernández de Kirchner begonnen und vom ehemaligen Präsidenten Mauricio Macri ausgesetzt wurde. 

"Ich sehe da mehr Vorteile für China als für Argentinien", betont der Experte und weist darauf hin, dass "es offensichtlich ist, dass die Chinesen an der Fertigstellung des Projekts interessiert sind". Ein Projekt, das sich gegen den Trend des Ausstiegs aus der Kernenergie wendet, das "aufgrund seiner hohen Kosten nicht nachhaltig ist und nicht nur eine große finanzielle Abhängigkeit schafft, weil das Darlehen zurückgezahlt werden muss, sondern auch eine große technologische Abhängigkeit von China bedeutet", so Oviedo.

Es ist auch ein hervorragendes Beispiel für den wachsenden Einfluss Chinas in die Region, denn es wäre das erste von China gebaute Kraftwerk in Lateinamerika. Zu den finanziellen Risiken für Argentinien kommen noch die Umweltschäden hinzu, die durch die Projekte entstehen könnten, "etwas, worüber die argentinische Regierung gar nicht spricht", so Federico Foders. 

Aus dem Spanischen übersetzt von Gabriel Gonzalez.