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Neuer Machtkampf in der AfD?

Kay-Alexander Scholz, Berlin3. Februar 2016

Die umstrittenen Äußerungen der Frontfrauen Frauke Petry und Beatrix von Storch über einen möglichen Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge an der Grenze könnten in der AfD einen schwelenden Führungsstreit befeuern.

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AfD-Co-Vorsitzenden Frauke Petry (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Michael Kappeler

Wer glaubt, dass sich die AfD dieser Tage selbst zerlegt, irrt. Was richtig ist: Es gibt einen Machtkampf in der Partei. Doch den gab es schon vom ersten Tag an, als Petry den Machtkampf gegen den damaligen Partei-Vorsitzenden Bernd Lucke gewonnen hatte. Björn Höcke, Chef der AfD in Thüringen und dortiger Fraktionsvorsitzender im Landtag, sagte abseits der Mikrofone schon damals, im vergangenen Sommer, dass seine Zeit noch komme werde, so Höcke damals gegenüber der Deutschen Welle.

Inzwischen hat sich der Brandenburger Parteichef Alexander Gauland auf seine Seite geschlagen. Zusammen mit André Poggenburg, dem AfD-Chef in Sachsen-Anhalt, der bei den Landtagswahlen im März gute Chancen auf einen Einzug ins Landesparlament hat, zeichnet sich eine mächtige Achse ab, die die AfD noch deutlicher nationalistisch ausrichten möchte, als Petry es derzeit schon macht.

Björn Höcke, AfD-Fraktionschef im thüringischen Landtag (Foto: AP)
Sieht sich zu noch Höherem berufen: Björn HöckeBild: picture-alliance/AP Photo/J. Meyer

Flügelkampf zwischen Gemäßigten und Radikalen

Auf der anderen Seite wird der jetzige Ko-Vorsitzende Jörg Meuthen höchstwahrscheinlich in Baden-Württemberg zum Fraktionsvorsitzenden gewählt werden. Der Volkswirtschafter Meuthen gehört zum "Professoren-Lager" der AfD, das zwar seit der Abspaltung des Lucke-Lagers kleiner geworden ist, aber weiter besteht. Petry hat ihn geradezu in den Parteivorstand gedrängt, um ein zusätzliches bürgerliches Aushängeschild zu haben. In den beiden Stadtstaaten Bremen und Hamburg gibt es ebenfalls eher liberale AfD-Politiker, die jedoch bundespolitisch bisher wenig in Erscheinung getreten sind. Zusammen mit Uwe Junge, dem AfD-Spitzenkandidaten in Rheinland-Pfalz, wo im März ebenfalls gewählt wird, stehen sie für den gemäßigten Parteiflügel.

Es gibt in der AfD also einen Machtkampf verschiedener Parteiflügel, wie es ihn auch in anderen Parteien gibt, vor allem in Gründungszeiten. Man denke nur an die verschiedenen, teilweise durchaus extremen Gruppierungen in den Gründerjahren der Grünen. Die Frage ist vielmehr, wann dieser Kampf eine Bühne bekommt. Eine Auseinandersetzung bei einer Sitzung im Bundesvorstand reicht dazu nicht aus. Zudem wissen alle: Im Moment wäre ein offener Machtkampf selbstmordverdächtig. Denn für die Partei läuft es kurz vor drei Landtagswahlen gut, die Umfragewerte sind zweistellig. Danach aber, im April, soll ein Programm-Parteitag stattfinden. Hier könnte es dann tatsächlich wieder zur Sache gehen.

Es gibt nicht die eine AfD in Deutschland, sondern verschieden ausgerichtete Parteien in den Bundesländern. Es ist eine taktische Stärke Petrys, dass sie diese Vielfalt zulässt und steuert, so dass die AfD, kurz gesagt, immer gut zum jeweiligen Bundesland passt.

Wie reagiert die Parteibasis?

So sehr auch von Interesse ist, welcher Machtkampf an der Parteispitze tobt, so wichtig ist auch, im Blick zu behalten, was in den Parteiebenen darunter passiert. Hier ist die AfD nämlich längst dabei, sich zu etablieren. Nur zwei Beispiele: In einem Kreistag in Rheinland-Pfalz sitzt ein hochangesehener Kinderarzt, der dort die AfD vertritt. Die CDU dort befürchtet, dass es irgendwann wegen inhaltlicher Überschneidungen zu Bündnissen mit der AfD auf kommunaler Ebene kommt.

In Lübbenau, einer Kleinstadt im Spreewald in Brandenburg, hat gerade ein Handwerker mit eigener Firma, adeliger Herkunft, junger Familienvater und vor Ort aufgewachsen, den Entschluss gefasst, als Bürgermeisterkandidat anzutreten. Damit hat der jetzige CDU-Bürgermeister seit vielen Jahren das erste Mal einen Gegenkandidaten. Sollte sich der Höcke-Flügel langfristig gegen Petry durchsetzen, könnten viele dieser bürgerlichen AfD-Politiker in den Kommunen in Gewissenskonflikte kommen. Weil sie zwar eine andere, aber keine radikale Politik wollen.

AfD-Co-Vorsitzende Petry mit ihrem Lebenspartner und NRW-Parteichef Marcus Pretzell beim Bundespresseball 2015 (Foto: dpa)
In der Partei nicht von allen gern gesehen: Petry mit ihrem neuen Lebenspartner Pretzell, hier beim Bundespresseball 2015Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Petry selbst ist auch nicht ohne Angriffsfläche. Denn nach der Trennung von ihrem Ehemann, einem evangelischen Pfarrer, mit dem sie vier Kinder hat, lebt sie mit dem AfD-Chef von Nordrhein-Westfalen, Markus Pretzell, zusammen. Das passt nicht in das Familienbild vieler konservativer AfD-Mitglieder. Höcke, selbst vier Kinder, wird das auszunutzen wissen.

Dass die AfD gerade wieder in aller Munde ist, hängt auch mit dem Wahlkampf zusammen. Auch deshalb gibt es die Debatte um einen "Schießbefehl" gegen Flüchtlinge, die der AfD gerade sehr gelegen kommt. Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, meint, die Debatte habe einen doppelten Effekt: "Auf der einen Seite gibt es die radikalen AfD-Wähler - die fühlen sich bestätigt. Auf der anderen Seite wird die Kluft zur Mehrheit des Volkes größer. Wenn man so will, hat Petry klar gemacht, wie die AfD tickt."