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Neuer Mann, wenig Einfluss

Jeanette Seiffert25. Juli 2014

Der neu gewählte irakische Staatspräsident Fuad Massum ist ein allseits geschätzter Politveteran. Doch gegen das Machtvakuum und die politische Blockade im Land wird der Kurde nur wenig ausrichten können.

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Fuad Massum , neuer irakischer Präsident. (Foto: AFP PHOTO/Ahmad AL-RUBAYE)
Bild: Ahmad Al-Rubaye/AFP/Getty Images

Gemäßigt, auf Ausgleich bedacht, allseits beliebt: Dieser Ruf geht dem neuen Staatspräsidenten Fuad Massum voraus. Damit repräsentiert er das ziemliche Gegenteil dessen, wofür der amtierende Ministerpräsident Nuri al-Maliki steht, der bisher vor allem polarisiert hat. Aber hat Massum das Format, zum Vermittler zwischen Schiiten, Sunniten und Kurden im Irak zu werden?

In den sozialen Netzwerken macht sich zumindest ein Funken Hoffnung breit, dass der Kurde einen mäßigenden Einfluss auf die heillos zerstrittenen politischen Kräfte im Irak ausüben könnte: "Seine Wahl könnte die politischen Spannungen zwischen Bagdad und der kurdischen Regionalregierung abbauen", so schreibt der kurdischstämmige Journalist Mustafa Kadhum beim Kurznachrichtendienst Twitter. Ähnlich äußert sich dort die irakische Journalistin Mina Al-Oraibi While: "Auch wenn das Präsidentenamt im Irak ein eher repräsentatives ist, ist es wichtig für das noch verbliebene Nationalgefühl und den letzten Rest einer Zukunftsvision im Land."

Fitness-Test für den Präsidenten?

Fuad Massum ist im Irak kein Unbekannter: Schon seit der US-Invasion 2003 zählt er dort zu den einflussreichsten kurdischen Politikern, beteiligte sich damals am Entwurf der Verfassung und war anschließend Parlamentssprecher im ersten frei gewählten Parlament. Zusammen mit dem bisherigen Staatspräsidenten Dschalal Talabani gründete er die "Patriotische Partei Kurdistans" (PUK). Mit seinen 76 Jahren ist er allerdings nur wenig jünger als sein Vorgänger. Der 80-jährige Talabani hatte zuletzt vor allem wegen seines schlechten Gesundheitszustands von sich reden gemacht: Zuletzt verbrachte der Ex-Präsident nach einem Schlaganfall mehrere Monate in der Berliner Charité-Klinik.

"Ich hoffe, Fuad Massum hat vor seiner Wahl einen Fitness-Test gemacht", schreibt deshalb ein Twitter-Nutzer. "Wir brauchen nicht noch einmal einen Präsidenten, der vier Jahre lang in Deutschland behandelt werden muss!" Günter Meyer, Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt der Universität Mainz, glaubt ohnehin nicht, dass der neue Staatspräsident in der völlig verfahrenen Situation im Irak etwas ausrichten kann: "Derzeit ist der Grad der Polarisierung extrem hoch", sagte er im DW-Interview. Faktisch sei das Land längst in drei separate Landesteile zerbrochen: In einen Teil, der von der Mehrheit der Schiiten beherrscht wird, einen kurdischen im Norden - und die Gebiete im Norden und Westen, den die sunnitische Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) kontrolliert, die, bis vor kurzem noch unter dem Kürzel ISIS, mit ihrer rücksichtslosen Gewalt Angst und Schrecken verbreitet.

Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt, Günter Meyer. Foto: Peter Pulkowski/dpa.
Meyer: Fuad Massum vertritt vor allem kurdische InteressenBild: picture-alliance/dpa/Peter Pulkowski

Und Fuad Massum, so Meyer, sei nun einmal ein Interessensvertreter der kurdischen Minderheit im Irak, die seit vielen Jahren für einen unabhängigen Staat kämpft. Damit verfolge er ebenso wenig wie andere irakische Politiker das Ziel eines einheitlichen irakischen Staatsgebildes: "Gerade bei den Erfolgen, die sie gegen die anrückenden Kämpfer der IS erzielt haben, sind die Kurden daran nicht unbedingt interessiert."

Sind die Kurden die großen Profiteure des irakischen Chaos?

Nach dem Abzug der irakischen Sicherheitskräfte aus dem Nordirak, wo die sunnitischen Extremisten Ende Juni einen islamischen Staat ausriefen, haben die Kurden Gebiete um Mossul und die von ihnen begehrte Stadt Kirkuk unter ihre Kontrolle gebracht. Aus ihrer Sicht ist es die "natürliche" Hauptstadt eines möglichen unabhängigen Kurdenstaates. Damit kontrollieren sie auch eines der wichtigsten Erdölfördergebiete im Land.

Die autonome Kurdenregion im Norden des Landes ist momentan das letzte Bollwerk gegen die brutalen IS-Kämpfer: Es ist eine historische Chance für die Kurden in der Region auf einen eigenen Staat. "Nachdem auch die kurdische Regionalregierung eine Abstimmung über die Unabhängigkeit des kurdischen Gebietes haben will, ist es kaum vorstellbar, dass sie ein Interesse daran haben, dass ein stabiler Staat unter der Führung der Mehrheit der Schiiten entsteht", sagt auch Nahost-Experte Günter Meyer.

Christliche Flüchtlinge aus Mosul (Foto: Reuters)
Christen sind aus Mossul geflohenBild: Reuters

Blockade und Terror

Noch weniger sind die radikal-sunnitischen Kräfte der IS bereit, sich in einem geeinten irakischen Staat unterzuordnen: Ihr Ziel ist die Wiederherstellung eines Kalifatreiches, in dem alle Muslime in der gesamten Region vereint werden. Und noch aus einem weiteren Grund erwartet Meyer keine nennenswerte Beruhigung der Lage durch die Wahl des neuen Staatspräsidenten: Die wahre Macht im Staat liegt ohnehin nicht in seiner Hand. "De facto ist das Kernproblem noch immer ungelöst, nämlich die Frage: Wer wird neuer Ministerpräsident?" Der Amtsinhaber al-Maliki erhebt noch immer Anspruch auf eine weitere, dritte Amtszeit. Er ist aber hoch umstritten, weil er als Hauptverantwortlicher für die Spaltung des Landes gilt - mittlerweile selbst unter Seinesgleichen. Auch viele Schiiten fordern, dass jemand dieses Amt bekleidet, der das ganze Land repräsentiert. Aber noch ist niemand in Sicht, der diese Rolle ausfüllen könnte und nicht nur die Interessen der eigenen politischen Gruppierung bedient.

Laut Gesetz bleibt dem stärksten Block, also dem schiitischen, nur eine Frist von 15 Tagen nach der Wahl, um sich auf einen Kandidaten zu einigen. Doch dieser muss dann von einer Mehrheit im Parlament bestätigt werden. Sollte al-Maliki also weiter auf eine dritte Amtszeit beharren, droht dem Land eine weitere Blockade. Nach den Wahlen 2010 hatte es ganze neun Monate gedauert, bis eine neue Regierung stand.

Eine starke, einige Regierung ist aber die Voraussetzung dafür, dem Wüten der IS-Milizen etwas entgegen zu setzen. Das Morden, die Vertreibung Andersgläubiger und die Zerstörung wertvoller Kulturgüter werden also erst einmal weitergehen.