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PolitikUkraine

Ukraine: "Ein Führungswechsel, um die Richtung zu ändern"

Dmytro Kaniewski
14. Februar 2024

Der Neustart im Kommando der ukrainischen Armee wird auch im Westen aktiv diskutiert. Welche Veränderungen erwarten Experten von der Umbildung im Generalstab?

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Portrait des neuen Oberbefehlshabers der Streitkräfte der Ukraine, Oleksandr Syrskyj
Neuer Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine, Oleksandr SyrskyjBild: Valentyn Ogirenko/REUTERS

Der neue Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine, Oleksandr Syrskyj, hat gleich nach seiner Ernennung deutlich gemacht, wie er im Kampf gegen Russland den Sieg erringen will: Vorrangig auf neue technische Lösungen und erfolgreiche Erfahrungen setzen, wie etwa beim Einsatz von Drohnen und bei Systemen zur modernen elektronischen Kampfführung.

Von westlichen Experten wird der Wechsel an der Spitze der ukrainischen Militärführung genau beobachtet: Was bedeutet die Absetzung von General Walerij Saluschnyj und die Ernennung von Generaloberst Syrskyj für den Verlauf der Kampfhandlungen? Die DW hat die Einschätzungen der Fachleute eingeholt.

Wechsel in der Ukraine keine Ausnahme

Ein Wechsel des Oberbefehlshabers der Truppen sei selbst inmitten laufender Kampfhandlungen nichts Ungewöhnliches, sagen Beobachter im DW-Gespräch. In einigen Ländern ist eine solche Rotation sogar vom Gesetz vorgesehen. "Man darf nicht vergessen, dass die zivile Führung in einer Demokratie das letzte Wort hat", betont Orysya Lutsevych, Leiterin des Ukraine-Forums bei der Londoner Denkfabrik Chatham House.

Der ehemalige Offizier des britischen Militärgeheimdienstes, Frank Ledwidge, erinnert im Gespräch mit der DW daran, dass Russland seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine schon mehrmals das Kommando der Armee durchgemischt habe. Auch in den USA habe die Übernahme des Kommandos in Afghanistan durch David Petraeus nach dem Abgang von Stanley McChrystal einst niemanden überrascht, fügt der Experte der Universität Portsmouth hinzu.

Bei der Absetzung des bei Volk und Militär beliebten Walerij Saluschnyj wurden die politischen Erwägungen auch von der schwierigen Lage an der Front überlagert. "Wenn in einem Krieg alles gut läuft, dann ändert man die Führung nicht", meint Mike Martin, Militärexperte am King's College London. "Aber offensichtlich gab es letztes Jahr Misserfolge. Ein Führungswechsel ist also sinnvoll, um die Richtung zu ändern. Und ich denke, sie sollte auch einen Richtungswechsel signalisieren."

Unterschied zwischen Syrskyj und Saluschnyj

Oleksandr Syrskyj ist unter westlichen Militärs und Beobachtern wohlbekannt. Vor seiner Ernennung zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine befehligte er die Bodentruppen und hielt auch Kontakt zu den Medien. Es ist aber unwahrscheinlich, dass er mit der Popularität seines Vorgängers Saluschnyj wird mithalten können. Denn dieser sei schon fast als "mythische Figur" wahrgenommen worden, sagt die Londoner Beobachterin Lutsevych. So muss Syrskyj, der bereits der Armee der Sowjetunion angehörte, vor allem eine gute Kommunikation mit den ihm unterstellten Truppen aufbauen.

Der ehemalige Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine, Walerij Saluschnyj, beugt sich mit weiteren Angehörigen der Armee über einen Tisch
Ehemaliger Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine, Walerij SaluschnyjBild: Commander-in-Chief of Ukraine's Armed Forces/REUTERS

"Soweit ich weiß, konzentriert sich Syrskyj im Vergleich zu Saluschnyj mehr auf militärische Ziele und weniger auf die Vermeidung von Verlusten", sagt Frank Ledwidge.

Als hätte er dieser Kritik zuvorkommen wollen, versicherte der neu ernannte Oberbefehlshaber in seiner ersten Ansprache, dass "das Leben und die Gesundheit der Militärangehörigen immer der wichtigste Wert der ukrainischen Armee war und bleiben wird".

Veränderungen an der Front?

Für die ukrainische Armee sieht die Situation in diesem Winter nicht gut aus. Die westliche Unterstützung ist ins Stocken geraten und russische Truppen greifen die ukrainischen Stellungen an mehreren Frontabschnitten gleichzeitig an. Besonders angespannt ist die Lage um die Stadt Awdijiwka, 15 Kilometer nördlich vom besetzten Donezk.

"Man ist sich wohl allgemein darüber einig, dass der Kampf am Boden in eine Sackgasse geraten ist. Und vor den US-Präsidentschaftswahlen dürfte kaum geopolitische Klarheit über das Maß der westlichen Unterstützung bestehen", erläutert Mike Martin vom King's College.

Welche Schritte sind diesbezüglich vom neuen Oberbefehlshaber Syrskyj zu erwarten? Ex-Offizier Ledwidge hat keinen Zweifel daran, dass die ukrainischen Truppen unter Syrskyj die Verteidigung so lange wie möglich aufrechterhalten. Das werde insbesondere für Awdijiwka gelten, egal was es koste, so wie es schon beim Kampf um Bachmut gewesen sei. Ledwidge selbst hält das übrigens für einen falschen Ansatz.

Auch der Militärexperte der Münchner Sicherheitskonferenz, Nico Lange, geht davon aus, dass der Oberbefehlshaber den Schwerpunkt in diesem Jahr auf zuverlässige Verteidigung legen wird. "General Syrskyj ist jemand, der die russischen Streitkräfte sehr gut kennt. Meine Interpretation ist, dass es in dieser Lage, in der die Ukraine im Osten sehr unter Bedrängnis steht, darauf ankommt, jemanden zu haben, der in der Verteidigung sehr gut ist", sagte Lange im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF). Die Ukraine sei gerade nicht in der Lage, komplexe Angriffsoperationen zu führen, sondern müsse sich mit unterlegenen Ressourcen verteidigen, so der Experte. Syrskyj habe auf diesem Gebiet besonders viele Erfahrungen. "Das mag vielleicht ein Grund sein, warum er jetzt der Oberbefehlshaber geworden ist."

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk