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Neuer Verteidigungsminister: Wer ist Boris Pistorius?

17. Januar 2023

Olaf Scholz hat sich für einen Mann entschieden, der im Ausland kaum bekannt ist. Boris Pistorius habe "die Kraft und die Ruhe" für das Amt, so der Kanzler.

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Berlin Verteidigungsminister Boris Pistorius und US-Amtskollege Austin
Erste Amtshandlung: Verteidigungsminister Boris Pistorius trifft US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in BerlinBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Zu den Favoriten für die Nachfolge der zurückgetretenen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) gehörte Boris Pistorius (SPD) nicht. Polizei, innere Sicherheit, Cybercrime, Migration und Sport, das war seit 2013 die Welt des niedersächsischen Innenministers. Doch der 62-jährige Jurist hat nicht nur langjährige Erfahrung mit der Führung eines Ministeriums, er bringt auch eine weitere Voraussetzung mit, die im Bundesverteidigungsministerium sicherlich gefragt ist: Boris Pistorius gilt als durchsetzungsstark und als Anpacker.

Er sei sich der Verantwortung und der großen Bedeutung der Aufgabe sehr bewusst, sagte Pistorius. "Das Verteidigungsministerium ist schon in zivilen, in Friedenszeiten, eine große Herausforderung und in Zeiten, in denen man als Bundesrepublik Deutschland an einem Krieg beteiligt ist - indirekt - noch einmal besonders." Von daher sei er sich "der Verantwortung und der großen Bedeutung dieser Aufgabe" sehr bewusst. "Umso dankbarer bin ich, dass sie mir zugetraut wird und ich werde mich vom ersten Tag an mit 150 Prozent in diese Aufgabe hineinstürzen." 

Berlin Vereidigung Verteidigungsminister Boris Pistorius. Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundespraesident Frank-Walter Steinmeier, Verteidigungsminister Boris Pistorius und die ausgehende Verteidigungsministerin Christine Lambrecht im Schloss Bellevue in Berlin am 19. Januar 2023.
Alte Ministerin entlassen, neuen Minister ernannt: Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Verteidigungsminister Boris Pistorius und die bisherige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht im Schloss BellevueBild: Emmanuele Contini/IMAGO

Wenig Zeit für die Einarbeitung

Großer Einsatz wird dringend gebraucht werden, um die Bundeswehr wieder auf Kurs zu bringen. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hat der Kanzler der Truppe 100 Milliarden Euro Sondervermögen zugesagt. Damit soll die Bundeswehr modernisiert werden, die über altes Gerät, zu wenig Munition und ein massives Personalproblem klagt. Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, zeichnete erst kürzlich ein verheerendes Bild vom Zustand der Truppe und sagte, es seien 300 Milliarden Euro nötig, um die Bundeswehr fit für die Zukunft zu machen.

"Pistorius ist ein äußerst erfahrener Politiker, der verwaltungserprobt ist, sich seit Jahren mit Sicherheitspolitik beschäftigt und mit seiner Kompetenz, seiner Durchsetzungsfähigkeit und seinem großen Herz genau die richtige Person ist, um die Bundeswehr durch diese Zeitenwende zu führen", ließ der Kanzler über seinen Regierungssprecher verbreiten.

Später sagte Scholz noch: "Er ist nicht nur ein Freund und ein guter Politiker, sondern auch jemand, der über sehr, sehr viele Erfahrungen in der Sicherheitspolitik verfügt, der sehr offen und eng auch in seiner bisherigen Funktion mit der Bundeswehr zusammengearbeitet hat und der auch die Kraft und Ruhe besitzt, die man für eine so große Aufgabe angesichts der jetzigen Zeitenwende braucht. Ich bin überzeugt, dass das jemand ist, der mit der Truppe kann und den die Soldatinnen und Soldaten sehr mögen werden."

Vereidigung am Donnerstag, am Freitag nach Ramstein

Olaf Scholz wird sich auch deswegen für Pistorius entschieden haben, weil er ihm zutraut, sich schnell in die komplexe Materie einzuarbeiten. Vereidigt wurde er am Donnerstag im Bundestag, nachdem er vom Bundespräsidenten seine Ernennungsurkunde bekommen hatte. Direkt anschließend stand der erste wichtige Termin im Amt an: ein Treffen mit dem US-amerikanischen Verteidigungsminister Lloyd Austin. Am Freitag wird es im Kreis der Nato-Verteidigungsminister und Unterstützer der Ukraine auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein um weitere Militärhilfe für das Kriegsland gehen. 

Der CDU-Vorsitzende und Unionsfraktionschef Friedrich Merz fordert von Pistorius, "grünes Licht für die Lieferung von deutschen Kampfpanzern vom Typ Leopard an die Ukraine" zu geben. CDU und CSU haben im Bundestag einen entsprechenden Antrag gestellt, der am Donnerstag nach der Vereidigung des neuen Ministers debattiert werden soll. "Wir hoffen sehr, dass der neue Bundesverteidigungsminister dann auch klar zu erkennen gibt, dass er diesen Weg gehen will", so Merz. "Zusammen mit den Partnern in Nato und EU."

Die Soldaten mitnehmen

Fachlich gesehen ist das Ressort Verteidigung für Boris Pistorius Neuland. Abgesehen davon, dass er 1980/81 seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr ableistete, hat er keine Erfahrungen im militärischen Bereich. Erfahrungen hat er mit dem Thema Polizei. In Niedersachsen hat er den Sicherheitsapparat sichtbar umgebaut. Mit vielen jungen Beamten und der Idee, dass die Polizei für den Bürger da zu sein habe. Pistorius sieht die Polizei als Ansprechpartner in der Gesellschaft und wichtige Säule in der Demokratie. Dazu gehörte auch das Projekt, die Polizei nachhaltig gegen extremistische Bemühungen stark zu machen. Dafür setzte er sich ein.

"Die Bundeswehr muss sich auf eine neue Situation einstellen, die mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine entstanden ist", so Pistorius. "Mir ist wichtig, die Soldatinnen und Soldaten ganz eng in diesem Prozess zu beteiligen und sie mitzunehmen. Und die Truppe kann sich darauf verlassen, dass ich mich, wann immer es nötig ist, vor sie stellen werde. Ich will die Bundeswehr stark machen für die Zeit, die vor uns liegt." 

Bundespolitische Ambitionen

Pistorius gilt als Politiker, der immer über den niedersächsischen Tellerrand hinausschaut. "Das Hochwasser im Ahrtal, der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Putins auf die Ukraine mit den Auswirkungen auf die innere Sicherheit auch in Deutschland und Niedersachsen - das sind nur zwei Ereignisse, die die Bedeutung unterstreichen", sagte er kürzlich.

Boris Pistorius steht als Innenminister Niedersachsens vor einem Polizeihubschrauber und hält eine Ansprache bei einer Veranstaltung der Polizeihubschrauberstaffel Niedersachsen am Flughafen Hannover.
Boris Pistorius hat sich in Niedersachsen um den Umbau der Polizei gekümmertBild: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Pistorius werden aber auch schon lange bundespolitische Ambitionen nachgesagt. 2017 war der Sozialdemokrat im Schattenkabinett des damaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz für Inneres zuständig, er wäre bei einem Wahlsieg der SPD also vermutlich Bundesinnenminister geworden. Für dieses Amt wurde er auch 2021 im Kabinett von Olaf Scholz gehandelt. 2019 kandidierte Pistorius mit der sächsischen Ministerin Petra Köpping für den Bundesvorsitz der SPD und trat dort unter anderem gegen Olaf Scholz an. Am Ende gewannen Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans.

Verbal angriffslustig und klar im Ausdruck

Mit der Entscheidung für Pistorius gibt Scholz seine bisherige Linie auf, dass Männer und Frauen in gleicher Zahl im Kabinett vertreten sein sollen. Die Männer sind nun in der Mehrzahl.

Pistorius ist ein anderer Typ als Olaf Scholz. Er ist verbal angriffslustig und drückt sich klar aus. Sein beruflicher Werdegang begann mit einer Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann, bevor er Rechtswissenschaften in Osnabrück und Münster studierte. Der gebürtige Osnabrücker ist verwitwet und hat zwei Kinder. Im Oktober 2016 wurde bekannt, dass er mit Doris Schröder-Köpf liiert ist, der zuvor vierten Ehefrau des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Inzwischen ist das Paar aber wieder getrennt.

Pistorius spielt Laschet

Humor hat Pistorius auch. Folgende Geschichte ist von ihm bekannt: Vor der Bundestagswahl 2021 sprach ein Reporter Pistorius in der Lobby des Bundesrates - dem Parlament der Bundesländer in Berlin - an und bat ihn um ein Live-Interview. Allerdings hatte der Reporter Pistorius verwechselt. Er hielt ihn für Armin Laschet (CDU), der damals Bundeskanzler werden wollte. Pistorius ließ sich nichts anmerken und löste die Situation erst kurz vor dem Live-Interview auf. Am Ende soll auch der Reporter gelacht haben.

Bildkombo Armin Laschet und Boris Pistorius
Armin Laschet (li.) und Boris Pistorius (re.)Bild: Maja Hitij/Getty Images/Matthias Balk/dpa/picture-alliance