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Gesellschaft

Golden Girls 2.0

Maximiliane Koschyk
12. Mai 2017

Von Angela Merkel über Anna Wintour bis hin zu Brigitte Macron: Sie sind über 60, weiblich und Vorreiterinnen eines neuen Frauenbilds. Doch ihre Generation steht vor einer großen Herausforderung.

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Frankreich Brigitte Trogneux, Gattin von Emmanuel Macron
Bild: Getty Images/AFP/M. Bureau

Ja, Brigitte Macron ist älter als ihr Mann. Nicht nur ein bisschen, sondern ganze 24 Jahre. Das ist zwar nur ein Jahr mehr als der Altersunterschied zwischen US-Präsident Donald Trump und seiner Frau Melania. Trotzdem interessierte es bei der Wahl Trumps nicht so sehr wie bei der seines französischen Counterparts.

Bei der US-Suchmaschine Google etwa wurde selbst zur Amtseinführung Trumps im Januar nur halb so oft nach dem Altersunterschied der Trumps gesucht, wie vergangene Woche nach dem Altersunterschied des Ehepaars Macron.

Brigitte Macron selbst nahm die Thematisierung ihres Alters mit Humor und stilisierte die Diskussion zum Wahlkampfmotto: Man müsse ihren Ehemann jetzt wählen, sagte die 64-Jährige. "Stellt euch nur vor, wie ich in fünf Jahren aussehen werde."

Wissenschaftler: "Alt sein" muss neu definiert werden

Der Doppelstandard in der Alterswahrnehmung von Männern und Frauen ist wahrlich nicht neu und in ein gängiges Thema in Gesellschaftsdebatten. Mittlerweile hat sich das Image von älteren Frauen aber gewandelt. Wer früher mit 60 ausnahmslos schon als "alt" galt, der ist heute noch "vital". Das ist auch das Resultat einer alternden Gesellschaft in westlichen Industrieländern, wo die Lebenserwartung zwar steigt, aber die Geburtenrate nicht nachkommt. Auch in Deutschland.

So schlugen Forscher des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Wien etwa vor, die Alterung von Menschen nicht länger an den bereits gelebten Jahren, sondern an der verbleibenden Lebenserwartung festzumachen. Mit 60 Jahren sei man heute nicht mehr alt, während es vor 200 Jahre schon an Betagtheit grenzte, so die Forscher. Oder salopp gesagt: "70 ist das neue 50."

Markt-reife Verbraucher:  Die "Best Ager"

Das hat natürlich auch die Konsumwirtschaft erkannt. Marketing-Experten haben längst begriffen, dass die "Best Ager", "Generation Gold", "Mature Consumer", wie Verbraucher ab 60 Jahren im Fachjargon genannt werden, ein wachsender Markt sind.

Vor allem der Lifestyle- und Unterhaltungsmarkt hat sich der alternden Demografie angepasst. Der deutsche Printverlag Gruner + Jahr etwa brachte vor einiger Zeit ein modernes Magazin für "Frauen in der 3. Lebensphase" heraus, das sich vom Klischee der Treppenlift-Anzeigen, Inkontinenz-Einlagen und Adelsklatsch distanzierte, wie es sonst in Frauenzeitschriften für das gehobene Alter zu finden ist.

In der Modeindustrie geben mit der Conde Nast-Verlagschefin Anna Wintour, und Designikonen wie Vivienne Westwood und Iris Apfel Frauen über 60 den Ton an. Der US-Blog "Advanced Style" zelebriert den "fortgeschrittenen" Stil älterer Damen, die kein Interesse daran haben modisch in den Ruhestand zu gehen.

Mit Humor gealtert: Jane Fonda und ihr "Netflix"-Hit

Auch die Unterhaltungsbranche thematisiert das Altern mittlerweile bereitwillig: In der Hitserie "Grace und Frankie" des Streamingdienstes Netflix spielt die einstige Fitness- und Hollywood-Ikone Jane Fonda eine Frau, die sich im Alter von 70 Jahren nicht mit einem Image und Leben als Rentnerin zufrieden geben will. 

"Wir wollten zeigen, dass man auch im dritten Akt seines Lebens vital, sexuell aktiv und lustig sein kann", sagt die 79-Jährige im Interview mit der Zeitung "Washington Post". In der Serie wird von Liebesbeziehungen, Sexualität und beruflicher Selbstverwirklichung alles thematisiert, was eben auch Menschen jenseits der 60 beschäftigt. "Ich hatte das Filmgeschäft mit 50 Jahren verlassen und kam erst im Alter von 65 zurück", sagt Fonda der "Washington Post". Der erneute Einstieg sei wahrlich nicht leicht gewesen, aber das habe sie nur noch mehr motiviert. "Ich wollte dem Alter ein kulturelles Gesicht geben."

Goldene Kamera 2017 Jane Fonda
Mit 65 Jahren nochmal durchgestartet:US-Schauspielerin Jane FondaBild: picture-alliance/dpa/C. Charisius

Das andere Extrem: Arm und erwerbslos

Trotzdem birgt das Alter - gerade für Frauen - Probleme: Altersdiskriminierung ist für Frauen vor allem auf dem Arbeitsmarkt ein Problem. Eine repräsentative Studie der Antidiskrimierungsstelle der Bundesregierung stellte 2012 fest, dass nicht einmal jede zweite Frau zwischen 55 und 64 Jahren in Deutschland einen sozialversicherungspflichtigen Job hat.

"Durch Altersdiskriminierung ergeben sich gewaltige Kosten für die Gesellschaft, etwa durch die mangelnde Nutzung der Potenziale einiger Altersgruppen auf dem Arbeitsmarkt", sagte Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Beim Frauengipfel der G20-Staaten Ende April sicherte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu, sich für die finanzielle Verbesserung von Frauen künftig stark machen zu wollen. Auch wenn sie auf dem Gipfel zwar auf die Frage, ob sie sich selbst als Feministin betrachte, auswich, wird sie auch als Vorreiterin des Bilds einer erfolgreichen Frau über 60 gesehen.

Brigitte Macron könnte sich dem anschließen: Nach seiner Wahl sagte Emmanuel Macron über seine Frau, dass sie auch aufgrund ihres Alters die Rolle der Präsidentengattin nachhaltig prägen und neu definieren werde. Man darf gespannt sein, wie die Première Dame die Herausforderungen ihrer eigenen Generation thematisieren wird.