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Musik

Kurt Cobains 25. Todestag

5. April 2019

Als "Nirvana"-Sänger Kurt Cobain sich im April 1994 in den Kopf geschossen hat, stand für seine Fans die Welt still. Heute ist er eine Rocklegende.

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Nirvana Kurt Cobain MTV Unplugged
Bild: Getty Images

"F**k you all, this is the last song of the evening", sagt Kurt Cobain ins Mikrofon. Es ist der 18. November 1993, der MTV-Unplugged-Gig von Nirvana wird aufgezeichnet. Cobain sitzt da in dicker Strickjacke, mit strähnigen blonden Haaren. Er sieht müde aus. Er hat quälende Magenschmerzen, die er auch mit harten Drogen nicht weg bekommt. Er hat sich im Vorfeld des Konzerts mit MTV gestritten und gedroht, die Aufnahme platzen zu lassen. Er hat sich mit seinem Schlagzeuger Dave Grohl über dessen laute Spielweise gezankt, kurz: Schon die Generalprobe ist eine Katastrophe gewesen. Stunden später auf der Bühne merkt man nichts von dem Ärger. Die Band harmoniert, zwischen den Stücken wird ein bisschen Blödsinn gemacht, Cobain lümmelt mit seiner Gitarre auf seinem Drehstuhl herum und macht sarkastische Witze. Wenn er singt, ist er ganz beim Song. Dieses Konzert wird in die Musikgeschichte eingehen.

Nirvana Kurt Cobain MTV Unplugged
Cobain beim MTV-Unplugged-KonzertBild: Getty Images

"I don't have a gun"

Fünf Monate später bringt Kurt Cobain sich um. Er ist schon zwei Tage tot, als er gefunden wird. Das Drogenbesteck neben der Leiche und die Autopsie ergeben: Er hat sich einen letzten Schuss Heroin gesetzt, danach den Lauf seiner Schrotflinte in den Mund gesteckt und abgedrückt. Bittere Ironie: Im berühmten Nirvana-Song "Come as you are" heißt es in einer Textzeile: "And I swear that I don't have a gun" (Ich schwöre, ich habe keine Pistole). Als er starb, war er 27 Jahre alt - ein gefährliches Alter für junge Rockstars: Mit 27 verstarben bereits viele weitere Rockidole wie Jimi Hendrix, Jim Morrison oder Amy Winehouse.

Musik für die "Generation X"

Kurt Cobains Selbstmord ist nicht nur das Ende von Nirvana, sondern auch der Anfang vom Ende des Grunge, dieser trotzig dahin gespuckten Rockmusik, die in den späten 1980er Jahren von Seattle aus die Popwelt erobert hat. Mit der sich die unangepassten Kinder der 90er gegen die bunte Prilblumenwelt jenes Jahrzehnts stemmten. Diese "Generation X" hatte mit dem hoch emotionalen, verzweifelten, verletzten und widerspenstigen Kurt Cobain ein Idol gefunden; die Musik von Nirvana war hart, wild, kaputt - der richtige Soundtrack zu langen Haaren, zerrissenen Jeans und Holzfällerhemden. Und eine sehr deutliche Verneinung des "Liebt-euch-Alle"-Zeitgeists, der in den 1990ern mit Techno und bunten Loveparades daher kam. Die Texte waren nicht politisch. Es ging mehr um den Alltag, um Probleme des täglichen Lebens, Gewalt, Verwahrlosung, ein übles Zuhause, einen prügelnden Vater, ums Nichtverstandenwerden. Mit lauten Gitarren, knallharten Drums und rauem Gesang warfen die Grunge-Bands ihre Musik einer Welt entgegen, die gerade von Atomangst und Kaltem Krieg befreit worden war, und in der es scheinbar nicht mehr so viel zu protestieren gab.

Cobain hatte seine eigene Art des Protests: Böser Sarkasmus, vor allem gegenüber seinen Geldgebern, der Plattenindustrie, die er "große, schweinische Kapitalistenlabels" nannte - und seinen Fans, denen er immer wieder ein "F**k you" an den Kopf schmiss - obwohl sie ihn alle zu dem gemacht hatten, was er von klein auf sein wollte: ein Rockstar.

Grunge-Band Nirvana: Kurt Cobain, Dave Grohl, Krist Novoselic
Nirvana 1990: Kurt Cobain, Dave Grohl, Krist NovoselicBild: picture-alliance/Hanne Jordan

Aus dem stillen Raum zum Welterfolg

Kurt Cobain war tatsächlich nicht unbedingt der Revoluzzer mit dem ausgestreckten Mittelfinger, den er nach außen hin so gerne gab. Das lassen zumindest seine Tagebücher vermuten, die 2002 in einem Buch veröffentlicht worden sind. Skizzen, Briefe, Einkaufszettel und andere Checklisten liest man da. Nichts, was darauf schließen lassen könnte, dass es sich hier um Aufzeichnungen eines Rockstars handelte.

Alle wussten zwar von seiner Drogensucht - er war nicht der einzige aus der Grunge-Szene, der Heroin für sich entdeckt hatte - aber kaum einer konnte in seinen Kopf gucken, auch nicht seine Bandkollegen Krist Novoselic und Dave Grohl, der später Kopf der Foo Fighters wurde.

Dem Song "A Friend of a Friend" von Dave Grohl wurde viel Bedeutung beigemessen, als dieser 2005 auf dem Foo Fighters-Album "In Your Honor" erschien. Der Text ließ auch viel Raum für Interpretationen: 

"He needs a quiet room - with a lock to keep him in . . . 
He's never been in love - but he knows just what love is
He says nevermind - and no one speaks
He thinks he drinks too much
Cause when he tells his two best friends

'I think I drink too much' - no one speaks."

(Er braucht einen ruhigen Raum, in dem er eingeschlossen wird… Er war noch nie verliebt, weiß aber was Liebe ist. Er sagt: Macht nichts. Und keiner sagt was. Er denkt, er trinke zu viel, denn wenn er darüber mit seinen beiden besten Freunden spricht, dann sagt keiner was.)

Klingt dramatischer als es war: Grohl war im August 1990 bei Nirvana eingestiegen und mit Cobain zusammen gezogen. Er hat damals einfach einen Song über diesen Typen geschrieben, mit dem er jetzt zusammen wohnte und von dem noch keiner wusste, dass der mal ein Rock-Idol werden würde.

Das mit dem Rock-Idol änderte sich schlagartig, als im September 1991 das Nirvana-Album "Nevermind" erschien, das wie eine Bombe einschlug. Erster Song: "Smells like Teen Spirit" - bis heute eine Hymne, laut "Rolling Stone" einer der besten Songs aller Zeiten auf einem der besten Alben aller Zeiten.

Album Nevermind von Nirvana: Ein nacktes Baby schwimmt im Pool, vor ihm schwebt im Wasser eine Dollar-Note (Albumcover)
Das Album "Nevermind" wurde 30 Millionen mal verkauft

"Ich halte es hier nicht mehr aus"

Es hagelte Preise, Tourneen folgten, TV-Auftritte, Video-Awards, weitere Veröffentlichungen, der nächste erfolgreiche Longplayer "In Utero", und schließlich der MTV-Unplugged-Gig - eine Art Ritterschlag für Bands und Musiker. Je steiler es mit Nirvana bergauf ging, umso dreckiger ging es Kurt Cobain. Karriere, Drogen, der kranke Magen - für ihn wurde es zuviel. Noch im Februar 1994 ging Nirvana auf Europa-Tournee, das letzte Konzert sollte am 8. April in Dublin stattfinden. Doch schon am 1. März brachen Nirvana die Tour ab. Ausgerechnet in München standen sie zum letzten Mal auf der Bühne. Die anwesenden 3000 Fans hatten keine Ahnung, wie es bereits um den kranken Frontmann gestanden hatte. Tage später versuchte er sich mit Schlaftabletten das Leben zu nehmen. Seine Frau, die Rocksängerin Courtney Love, fand ihn, im Krankenhaus wurde er noch einmal ins Leben zurück geholt.

Doch zu jenem Zeitpunkt hatte Cobain schon mit allem abgeschlossen. Weder der Erfolg von Nirvana, noch seine Kumpels von der Band, noch seine Frau und seine kleine Tochter hatten eine wirkliche Chance, den Selbstmord zu verhindern. In seinem letzten Brief an Courtney schrieb er: "Du weißt, dass ich dich liebe, und dass ich Frances liebe. Es tut mir so leid … Ich weiß nicht, wohin ich jetzt gehe, ich halt's nur hier nicht mehr aus."

Ein Denkmal aus Cesena

Am 5. April 2019 jährt sich Kurt Cobains Todestag zum 25. Mal. "Nevermind", würde er vielleicht sagen - mach dir nichts draus. Er ist immer noch da. Denn sein berühmtester Song "Smells Like Teen Spirit" ist eines der größten Vermächtnisse der Rockmusik. 

Seine Tochter Frances hat 2015 den Dokumentarfilm "Cobain: Montage of Heck" produziert; Regisseur Brett Morgan ist hier ein berührender und sehr naher Film gelungen, weil Frances ihm die Türen zu einem großen Nachlass-Fundus geöffnet hat.

Auch zahlreiche Musiker haben Cobain und Nirvana in den letzten Jahrzehnten ein Denkmal gesetzt - eins der bombastischsten kommt aus Italien: Im Juli 2018 hat das riesige Musikprojekt Rockin'1000 im Stadion der italienischen Kleinstadt Cesena "Smells like Teen Spirit" live eingespielt - mit Hunderten Schlagzeugen, Gitarren, Bässen und einem mächtigen Chor. Das war nicht das erste Mal, dass diese Riesenrockband Schlagzeilen gemacht hat. Im Juli 2015 schon hatten die Italiener auf diese Weise Cobains Freund Dave Grohl mit seinen Foo Fighters nach Cesena gelockt. 

Wuensch Silke Kommentarbild App
Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online