Nicht alle von Llosas Nobel-Ruhm begeistert
8. Oktober 2010
Der Name des Literaturnobelpreisträgers 2010 sorgte für Überraschung bei der Buchmesse in Frankfurt. Auf einem übergroßen Bildschirm im Pressebereich wurde die Nachricht direkt übertragen. Verleger und Journalisten versammelten sich am Messestand des spanischen Verlages Alfaguara, wo spontan eine Pressekonferenz abgehalten wurde. Die kolumbianische Verlagsleiterin Pilar Reyes freute sich sehr. Seit langem habe man auf diese Auszeichnung gewartet. Mario Vargas Llosa sei ein verdienter Preisträger, jedes seiner Bücher sei ein kulturelles Ereignis.
Sein neustes und wahrscheinlich europäischstes Buch "El sueño del Celta” (Der Traum des Kelten) soll am 3. November erscheinen. Die Verlagshäuser erhoffen sich nun von der Verleihung des Nobelpreises eine größere Leserschaft für den gebürtigen Peruaner, der mittlerweile die spanische Staatsbürgerschaft besitzt.
Sein neuer Roman wird europäisch
Der neue Roman, an dem Llosa vier Jahre geschrieben hat, handelt von einem Iren, der zunächst als Konsul der britischen Regierung im Kongo arbeitet. Später übt er dann sein Amt im Amazonasgebiet zwischen Kolumbien und Peru aus und verfasst zwei Berichte, die revolutionäre Sprengkraft haben, erzählt Verlegerin Reyes. "Der eine Bericht handelt vom Kongo, der andere behandelt das Thema der Kautschukgewinnung im Amazonasgebiet und beschreibt die unmenschlichen Arbeitsbedingungen und Ausbeutung der Indigenen, was in Europa für großes Aufsehen sorgt." Pilar Reyes hat den frisch gebackenen Nobelpreisträger schließlich telefonisch erreicht. Er habe sich natürlich sehr über die Auszeichnung gefreut.
Auf dem Messestand des Suhrkamp-Verlages wurde umgehend mit einer Vielzahl von Journalisten und Kamerateams die Auszeichnung gefeiert. Die Suhrkamp-Chefin Ulla Unseld Berkéwicz zeigte sich ebenfalls sehr erfreut über die Nachricht aus Stockholm: "Für uns bedeutet die Auszeichnung nicht nur ein großes Glück, wie zu vermuten ist, sondern es ist uns eine besonders große Freude und Genugtuung, dass wir 26 seiner Werke veröffentlicht haben."
Freude bei Suhrkamp
Suhrkamp hat dem deutschen Publikum eine Vielzahl von Autoren aus dem spanischsprachigen Raum näher gebracht, unter ihnen nicht nur Vargas Llosa, sondern auch Isabel Allende sowie die katalanischen Autoren Jaumé Cabré und Carlos Ruiz Zafón.
Laut Ulla Unseld Berkéwicz ist das Interesse des Verlages an Autoren aus diesem Raum nach wie vor so groß wie zu Zeiten des Verlaggründers Siegfried Unseld. Neben Literaten aus Osteuropa und natürlich Deutschland sind die Lateinamerikaner die verkaufsstärksten Autoren des Verlages. "Sigfried Unseld hat, wie Sie wissen, die lateinamerikanische Literatur in Deutschland erst bekannt gemacht", so die Verlegerin.
Katerstimmung im argentinischen Pavillon
Im argentinischen Pavillon, konnte die argentinische Schriftstellerin und Journalistin Luisa Valenzuela ihre Enttäuschung über diese Nachricht kaum verbergen. "Wie tragisch!", sagte sie und meinte über Vargas Llosa: "Ich weiß nicht, ob ich wirklich darüber sprechen möchte. Aber ich erinnere mich an eine merkwürdige Begebenheit. 1976 war ich auch auf dieser Messe, als Mario PEN-Präsident war. Diese Messe hatte den Schwerpunkt Lateinamerika und er hielt damals seine Rede auf Englisch. Dies überraschte uns alle etwas." Der Themenschwerpunkt sei schließlich Lateinamerika gewesen – "und es waren viele erstklassige Autoren versammelt so wie Julio Cortázar, Carlos Fuentes oder Juan Rulfo, aber Mario sprach auf Englisch." Aber ohne Zweifel sei Llosa ein guter Schriftsteller.
Für eine auf der Messe vertretene Gruppe peruanischer Verleger ist die Nachricht Grund, stolz zu sein. Der Nobelpreis ging bisher nie an Peru. Auch wenn Vargas Llosa mittlerweile Spanier geworden ist, sieht die peruanische Bevölkerung ihrem Nobelpreisträger das gerne nach, meint Pierre Emile Vandoorne vom Matalamanga-Verlag. "Es war für uns schon fast normal zu behaupten, dass Vargas Llosa wegen seiner politischen Ansichten und Fehlentscheidungen den Nobelpreis nicht bekam." Dass er sich in Spanien einbürgern ließ, hätten ihm in Peru so mancher übel genommen. "Dennoch ist er für uns noch immer ein peruanischer Autor, der über peruanische Themen schreibt und sich bis heute aktiv am kulturellen und politischen Leben in Peru beteiligt."
Autorin: Eva Usi
Redaktion: Manfred Götzke