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"Nicht Obamas Papst"

Gero Schließ21. September 2015

In den USA fiebern nicht nur die Gläubigen dem Besuch von Papst Franziskus entgegen. Auch Präsident Obama und die Politiker der anderen Parteien suchen seine Nähe. Aus Washington berichtet Gero Schließ.

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Obama beim Papst in Rom am 27.03.2014 (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

"Es gibt enormen Enthusiasmus vor dem Papstbesuch im ganzen Land. Man kann es überall fühlen und spüren", sagt Robert George von der Universität Princeton der Deutschen Welle. Die Menschen freuten sich auf eine "Botschaft der Hoffnung", so der Religionsexperte, der dabei wahrscheinlich weniger an die Politiker in Washington gedacht haben dürfte. Doch die sind bereits in den Startlöchern, um "das Beste" aus dem dreitägigen Papstbesuch zu machen, wie die "New York Times" mit einiger Süffisanz hervorhebt. Von Präsident Barack Obama bis hin zu den Präsidentschaftskandidaten der Republikaner versuchen Amerikas politische Führer, den Papst und seine moralische Autorität für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren.

Katholiken in der Philadelphia Cathedral Basilica of St. Peter and St. Paul (Foto: Soric)
Katholiken in Philadelphia bereiten sich auf den Besuch des Papstes vorBild: DW/M. Soric

Nähe zu Obama?

Die meisten Beobachter stimmen mit der "Los Angeles Times" überein, dass Präsident Obama dabei die Nase vorn haben dürfte. Obama werde voraussichtlich davon profitieren, dass er und der Papst "gemeinsame politische Positionen" teilten, so die renommierteste Zeitung an der US-Westküste. Dabei hat sie zum Beispiel die von Obama betriebene Öffnung der USA nach Kuba im Blick, die beim ersten Treffen des Präsidenten mit dem Papst vor einem Jahr eine Rolle spielte und die ohne die Vermittlung des Vatikans nicht denkbar gewesen wäre. Das Gespräch mit Präsident Obama im Weißen Haus und mehr noch die Rede des Papstes vor dem US-Kongress werden darüber Aufschluss geben, auf welchen Feldern der Papst und der Präsident sich sonst noch nahestehen.

Stephen Schneck von der Catholic University in Washington dämpft allerdings Erwartungen auf zu viel Harmonie zwischen den beiden und verweist darauf, dass Papst Franziskus in kein politisches Raster passt. Doch wenn er, wie von vielen Experten vorausgesagt, das Thema Soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt seiner Reise stellt, dann befindet er sich "in weitgehender Übereinstimmung mit der Demokratischen Partei" Präsident Obamas.

Mehr Hilfe für syrische Flüchtlinge

Doch so eindeutig ist die politische Zuordnung nicht, da im US-Kongress zurzeit weniger die Demokraten, sondern eher die jüngeren republikanischen Abgeordneten mit Politikentwürfen zum Thema Armut von sich reden machen. "Und vergessen wir nicht, der Papst wird auch über Abtreibung reden. Und das wird den Demokraten zu schaffen machen", so Schneck mit Blick auf eine höchst kontroverse Diskussion, die im Vorfeld des Papstbesuches von den Republikanern im Kongress weiter angeheizt wurde mit einem Gesetzentwurf, der die Abtreibung auf einen Zeitraum von 20 Wochen begrenzt.

Porträt von Papst Franziskus (Foto: dpa)
Bleibt drei Tage in den USA: Papst FranziskusBild: picture-alliance/dpa/C. Fusco

Franziskus wird also definitiv nicht als "Obamas Papst" wahrzunehmen sein, auch wenn das Weiße Haus betont, dass beide Männer ähnliche politische Prioritäten hätten. "Die Hilfe für die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien ist ein gutes Beispiel für die päpstliche Unabhängigkeit", sagt Robert George, der auch Vorsitzender der US-Commission on International Religious Freedom ist: "Ich erwarte, dass der Papst die Amerikaner und insbesondere die amerikanische Regierung auffordert, mehr zu tun bei der humanitären Hilfe und bei der Zahl der Menschen, die in den USA Zuflucht finden sollen."

Präsident Obama will im kommenden Jahr 10.000 Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen. Für George ist diese Zusage nicht ausreichend. "Wir haben gefordert, dass die Regierung 100.000 Flüchtlinge aus Syrien und Irak aufnimmt", sagt er gegenüber der Deutschen Welle und hofft, dass der Papst ähnlich deutliche Worte findet. Die Forderung wird von vielen Kirchenvertretern geteilt, wie vor wenigen Tagen auf einer Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung in New York über "Freiheit der Religion" deutlich wurde.

Obama hält die Grabrede in einer Kirche in Charleston (Foto: Getty)
Keine Berührungsängste mit der Kirche: US-Präsident Obama hält die Trauerrede in einer Kirche in CharlestonBild: Getty Images/Joe Raedle

Katholiken als Wähler

Einfacher dürfte es für Obama sein, mit dem Papst beim Thema Klima Übereinstimmung zu demonstrieren. Seit Franziskus in seiner Enzyklika zum Klimawandel die Verantwortung der Menschheit für diese bedrohliche Entwicklung herausgestellt hat, hat er sich sichtbar an Obamas Seite gestellt.

Das Papstwort hat Gewicht beim Wahlvolk. Die große Mehrheit der Amerikaner unterstützt Papst Franziskus' Amtsführung. Laut Umfrage der Washington Post geben fast 70 Prozent der Befragten an, dass sie den Papst sehr schätzen. Unter den aktiven Katholiken ist die Zustimmung mit fast 90 Prozent noch höher. Auch wenn die Katholiken nur ein Viertel der amerikanischen Bevölkerung stellen: Sie sind wahlentscheidend. Seit 1972 hat kein amerikanischer Präsident mehr gewonnen, der nicht die Mehrheit der Katholiken hinter sich gehabt hätte.

Ein schwuler Bischof beim Papstempfang

Der nicht mehr zur Wiederwahl anstehende Obama setzt zum Besuch von Franziskus aber auch eigene Botschaften. Zum Papst-Empfang im Weißen Haus hat er einen transsexuellen Mann und einen schwulen Bischof eingeladen, wohl wissend, dass Franziskus ein unnachgiebiger Kritiker der gleichgeschlechtlichen Ehe ist.

Doch vorerst tut das der Popularität des Papstes keinen Abbruch in einem Lande, das sich erst vor kurzem für die Legalisierung der "Same Sex Marriage" entschieden hat. Anders als ihr oberster Kirchenführer ist die katholische Kirche in den USA alles andere als populär. Wie viele Kirchen in westlichen Ländern hat sie mit Mitgliederschwund und Erstarrung zu kämpfen. Und auch der Skandal um den sexuellen Missbrauch von Jugendlichen durch Priester wirkt noch nach. Und so sieht Stephen Schneck für die amerikanische Ortskirche eine "große Chance", durch den Papst-Besuch wieder mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.