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Nicht ohne Wenn und Aber

7. Oktober 2004

Die EU-Kommission hat die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei empfohlen. Allerdings muss die Türkei strenge Auflagen erfüllen. Die Entscheidung der Kommission rief ein geteiltes Echo hervor.

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Hat Grund zur Freude: der Ministerpräsident der Türkei ErdoganBild: AP

"Die Antwort, die wir heute geben, ist: Ja", sagte EU-Kommissionspräsident Romano Prodi am Mittwoch (6.10) vor dem Europäischen Parlament in Brüssel. Die Türkei habe die politischen Kriterien Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erfüllt. Prodi betonte jedoch, dass die Empfehlung unter Vorbehalten stehe. Ein Beitritt sei nicht zwangsläufig.

Es müsse sichergestellt werden, dass der Reformprozess in der Türkei konsequent fortgesetzt werde, anderenfalls könnten die Verhandlungen ausgesetzt werden, sagte Prodi. Zudem müssten angesichts der erwarteten hohen Kosten eines Beitritts Schutzklauseln vereinbart werden. Die EU-Staats- und Regierungschefs müssen nun am 17. Dezember auf ihrem Gipfel in Brüssel über die Aufnahme von Verhandlungen entscheiden.

Kein Mitglied "über Nacht"

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat die Empfehlung der EU-Kommission zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei begrüßt. "Wir sind zuversichtlich, dass der positive Tenor der Kommission auch dem politischen Willen der Staats- und Regierungschefs der EU entspricht", sagte er am Mittwoch im Europarat in Straßburg. Er betonte erneut, dass die Türkei nicht erwarte, "über Nacht" Vollmitglied der Union zu werden.

Die politischen Kriterien von Kopenhagen zu Demokratie und Rechtstaatlichkeit habe Ankara zwar erfolgreich erfüllt, jetzt müssten die Gesetze aber umgesetzt werden. "Das dauert etwas länger, weil diese Umsetzung mit dem Mentalitätswandel in der Gesellschaft zusammen hängt", sagte Erdogan. In seiner Rede vor dem Europarat erwähnte Erdogan die Abschaffung der Todesstrafe, die Auflösung der Staatssicherheitsgerichte und die Ächtung von Folter. Außerdem sagte er den Beitritt der Türkei zum Internationalen Strafgerichtshof zu.

Termin bleibt unklar

Erdogan hofft schon für Anfang nächsten Jahres auf den Beginn von Beitrittsgesprächen mit der EU. Die Türkei gehe davon aus, dass die Verhandlungen in einer "vernünftigen Zeitspanne" abgeschlossen werden könnten, sagte er. Der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des Europaparlaments, Elmar Brok (CDU), ist der Ansicht, dass die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei erst Ende 2006 aufgenommen werden sollten. Dies würde vermeiden, dass die Türkei-Debatte den Prozess der Ratifizierung der EU-Verfassung beeinträchtige, sagte Brok der Nachrichtenagentur AFP in Straßburg.

Die Empfehlung der EU-Kommission für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist in Deutschland auf ein geteiltes Echo gestoßen. Bundeskanzler Gerhard Schröder begrüßte den Bericht und kündigte an, dass er beim entscheidenden EU-Gipfel im Dezember für die Aufnahme von Verhandlungen stimmen werde. Der Kanzler zeigte sich zuversichtlich, dass es beim Dezember-Gipfel zu einem geschlossenen Votum für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen kommen werde. Schröder sprach von einer "stolzen" Reformbilanz des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan.

10 bis 15 Jahre für Beitrittsprozess

Der Kanzler hob hervor, dass die Umsetzung der Reformen während der Verhandlungen durch jährliche Berichte beobachtet werden könne. Für die Öffnung der Arbeitsmärkte seien lange Übergangsfristen vorgesehen. Wenn der Zustand es erfordere, könnten auch "weitere Schutzmöglichkeiten" ergriffen werden. Der Bericht sage auch sehr klar, dass es 10 bis 15 Jahr dauern werde, "bis geklärt worden ist, was geht", sagte der Kanzler.

Bei der Opposition von CDU und CSU stieß die Empfehlung dagegen auf breite Ablehnung. Der europapolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Hintze, warnte im Deutschlandradio vor der Gefahr, "dass die Europäische Union die Operation Türkei politisch nicht überlebt". Als Probleme bezeichnete er noch immer bestehende Menschenrechtsverletzungen, das Wirtschaftsgefälle und die anhaltende Besetzung Nordzyperns. Weiterer Kritikpunkt der Unionsparteien sind die befürchteten hohen Kosten eine Beitritts der Türkei. (stl)