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Kritik an US-Solidarität mit Israel

Christina Bergmann18. April 2008

In den USA hat Israel seit vielen Jahrzehnten einen uneingeschränkten Verbündten. Doch in den letzten Jahren wird verstärkt darüber diskutiert, ob diese Solidarität tatsächlich im Interesse beider Seiten ist.

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US-Präsident George W. Bush (r.) und Israels Ministerpräsident Ehud OlmertBild: AP

Vor zwei Jahren sorgten die beiden US-amerikanischen Professoren John Mearsheimer und Stephen Walt für Aufregung. In einem Artikel stellten sie die These auf, dass nicht nachvollziehbare Argumente der Grund für die uneingeschränkten Solidaritätserklärungen der USA mit Israel seien - sondern die Arbeit der 'Israel Lobby' in Washington.

Dabei sei Lobby-Arbeit so amerikanisch wie Apple Pie - der berühmte Apfelkuchen, sagt Rabbi Andrew Baker. Es sei im Sinne der US-amerikanischen Verfassung, dass die verschiedensten Interessengruppen in Washington versuchten, die Kongressabgeordneten für ihre Anliegen zu gewinnen, erklärt der Direktor für internationale jüdische Angelegenheiten des American Jewish Committee, das sich ebenfalls für amerikanisch-israelische Beziehungen einsetzt. "Es ist nichts, was die Leute irgendwie heimlich mitten in der Nacht tun, sondern ganz offen und ganz legal, und es wird sogar dazu ermuntert."

Lobby ist Macht

Und das gilt nicht nur für inneramerikanische Interessensverbände, sondern auch für ausländische Regierungen. Von denen würden einige sogar viel Geld dafür ausgeben, damit sie in Washington repräsentiert werden. Organisationen wie seine würden jedoch nicht vom israelischen Staat finanziert. "Im Fall von Israel gibt es viele Amerikaner", sagt Rabbi Baker, "die die Notwendigkeit, das Bedürfnis verspüren, im Interesse Israels zu handeln." Deswegen sei der Begriff 'Pro-Israel Lobby' zutreffender als 'Israel-Lobby'.

Organisiert sind die Amerikaner, die sich für Israel engagieren, zum Beispiel im AIPAC, dem Amerikanisch-israaelischen Ausschuss für öffentliche Angelegenheiten. Der AIPAC gilt als die mächtigste pro-israelische Lobby-Organisation in der US-Hauptstadt Washington. Er zählt landesweit mehr als 100.000 Mitglieder und sieht seine Aufgabe darin, "Israel sicherer zu machen, in dem es sicherstellt, dass die amerikanische Unterstützung nicht nachlässt." So ist es auf der Webseite nachzulesen. Jedes Jahr engagiert sich der AIPAC nach eigenen Angaben in rund 100 Gesetzesinitiativen oder politischen Aktionen, in denen es um die amerikanisch-israelischen Beziehungen geht.

Einflussnahme geht zu weit

In ihrem kontrovers diskutierten Artikel beschreiben Mearsheimer und Walt der AIPAC als Teil der sogenannten 'Israel Lobby'. Grundsätzlich stimmen auch Mearsheimer und Walt der 'Apfelkuchen'-Theorie zu. Lobbyarbeit sei legitim in Washington, erklärt John Mearsheimer, Politikprofessor an der Universität von Chicago. Die Mitglieder der Israel-Lobby, die heterogen und bei weitem nicht alle jüdisch seien, würden darauf hinarbeiten, dass vor allem pro-israelische Politiker dem US-Kongress und gleich gesinnte Mitarbeiter der Regierung angehören.

Doch der Einfluss der Israel-Lobby würde in mehrerer Hinsicht zu weit gehen, sagt er. "Außerdem steuert die Lobby die öffentliche Diskussion über die israelisch-amerikanischen Beziehungen." Eine Diskussion in Amerika über die israelische Politik sei deswegen nur sehr begrenzt möglich. In Europa sei das anders. Und ein Politiker, so beide Autoren, der sich gegen Israel wende, habe in den USA so gut wie keine Chance, gewählt zu werden.

Nicht im Interesse der USA?

Ein weiteres Problem: die von der Israel-Lobby gewünschte Politik sei oft nicht im Sinne der USA. Nicht nur aber auch wegen ihrer engen Beziehungen zu Israel seien die USA das Ziel islamischer Terroristen. Mearsheimer und Walt, die beide zum inneren Zirkel der Israel Lobby gehören, sagen auch, dass der Druck der Neokonservativen nach den Anschlägen des 11. September zum Einmarsch der Amerikaner im Irak geführt hätten. Mearsheimer erläutert: "Es wäre dumm zu behaupten, dass die Israel-Lobby allein den Krieg im Irak verursacht hat. Unser Argument ist, dass die Lobby eine der treibenden Kräfte, wenn nicht sogar die entscheidende Kraft war, hinter dem Entschluss, gegen den Irak in den Krieg zu ziehen."

Mearsheimer und Walt gehen aber noch weiter: Die Politik der Israel-Lobby sei auch nicht im Interesse Israels. Zwar hätten die US-Regierungschefs seit 1976, als die Israelis den Gazastreifen und die Westbank besetzten, erkannt, dass die israelische Siedlungspolitik die Lösung des Konflikts verhindert. Aber, so Mearsheimer: "Kein Präsident, auch nicht George W. Bush, kann Druck auf Israel ausüben um beispielsweise den Siedlungsbau zu stoppen. Und der Grund dafür ist die Israel-Lobby." Solange dies sich nicht ändere, werde es auch kein Friedensabkommen geben.

Israel spricht für sich selbst

Während der AIPAC zu der Kontroverse um die Israel-Lobby keine offizielle Stellungnahme abgibt, hält Rabbi Baker nichts von den Thesen von Mearsheimer und Walt. Und er spricht sich auch dagegen aus, alle 'pro-Israel-Lobby-Gruppen' über einen Kamm zu scheren. Es gebe unter ihnen ein breites politisches Spektrum, sagt er. "Wir versuchen nicht, jemanden zu nötigen, oder zu bestechen, wir versuchen einfach nur die Wirklichkeit aufzuzeigen, und in dieser Beziehung denken wir, könnte man auch sagen: Israel spricht für sich selbst."

Unter den jüdischen Amerikanern sieht man offenbar aber auch einen gewissen Bedarf darin, eine Alternative zur AIPAC zu bieten. So haben sich jetzt einige prominente jüdische liberale Amerikaner zusammengetan, um eine Lobbygruppe zu gründen, die in Washington für ein israelisch-palästinensisches Friedensabkommen werben soll. Einer der Aktivisten ist Alan Solomon, der für die Demokratische Partei Spenden sammelt und den Präsidentschaftskandidaten Barack Obama unterstützt. Der 'Washington Post' sagte er, in den letzten Jahren seien die Ansichten der Neokonservativen, der Christlich-Evangelikalen und extrem rechten jüdischen Führer gehört worden. "Was wir bisher nicht gehört haben, sind die Ansichten der politischen Mitte der amerikanischen Juden." Mit der neuen Lobbygruppe soll sich das ändern.