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Glaube

Nie wirklich allein

26. Oktober 2024

In der heutigen Gesellschaft ist man oft allein oder einsam. Doch ein spirituelles Fundament hilft, auch in Situationen des Alleinseins den Boden nicht unter den Füßen zu verlieren. Ein Beitrag der katholischen Kirche.

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Finnland Brücke
Bild: Reino Hänninen/IMAGO/Pond5 Images

Kürzlich war ich mal wieder allein im Urlaub. Hatte es sich in den vergangenen Jahren sonst ergeben, dass ich mit Freunden wegfahre, war es nach einiger Zeit das erste Mal, allein unterwegs zu einem fremden Ziel zu sein. So saß ich im Flieger nach Stockholm und dachte mir erstmal nichts dabei. 

Der Unterschied zum Reisen in der Gruppe ist größer, als ich es vermutet hatte. So zurückgeworfen auf sich selbst kochen schnell ganz unterschiedliche Gedanken hoch. Bekomme ich das hier eigentlich alles hin? Wie verbringe ich meine Zeit? Was soll ich hier überhaupt? Die erste Frage lässt sich in der Zeit des Smartphones sehr schnell zufriedenstellend beantworten: In der Regel weiß das Internet alles, was sich vor mir auch schon hunderte andere Leute gefragt haben. Wie man vom Flughafen in die Innenstadt kommt, wie der Umrechnungskurs von Kronen in Euro ist, diese Informationen sind nur Klicks entfernt. 

Viel entscheidender ist aber, wo man dann eigentlich mit sich selbst hin will. Das Reisen allein gibt mir deutlich mehr Freiheit als in Gesellschaft, ich muss zum Beispiel nicht noch einen weiteren Menschen mitorganisieren und auf andere Wünsche als meine eigenen Rücksicht nehmen. Mir fehlt allerdings auch ein Korrektiv: Jemand, der mir sagt, dass ich schon wieder zu viel auf einmal will und mein Erkundungspensum allein schon physisch auf keinen Fall mehrere Tage durchhalten werde. Jemand, mit dem ich das Erlebte verarbeite und der einfach da ist, für Fragen und Gespräche. Gerade in einem Land wie Schweden, wo die Menschen nicht so kommunikativ sind, kann man Einsamkeitsgefühle entwickeln. In solchen Momenten kann einem der Boden unter den Füßen weggezogen werden. Man schwebt wurzel- und ziellos im Raum, ohne Halt. 

Das ist in unserer heutigen Gesellschaft keine außergewöhnliche Situation: Immer mehr Menschen wohnen in Städten, immer mehr allein. Da kann es schnell einsam werden, wenn die Familie nicht da ist oder sich Freundschaften aus dem alten Job oder der Schule verflüchtigen. Dazu kommen dann noch lange oder unregelmäßige Arbeitszeiten und schon sitzt man abends nur noch vor dem Fernseher oder dem Smartphone. 

In einer solchen Situation des Alleinseins hilft es mir zu wissen, wo ich herkomme, wer ich bin und wo ich hin will. Einerseits habe ich mir bei der Wahl eines Urlaubszieles Gedanken gemacht, weiß aber im Alltag auch, was mich interessiert, welche Bücher ich noch lesen, welche Musik noch hören möchte. Ich kann mich, für eine Zeit jedenfalls, auch mit mir selbst beschäftigen, weil ich mich kennengelernt habe. Außerdem habe ich geübt: Wer einmal allein in ein Restaurant geht, fühlt sich vielleicht komisch, beim fünften oder siebten mal nimmt der Effekt aber ab. 

Andererseits weiß ich aber auch, dass ich nie völlig allein bin. Da sind meine Freunde und Familie, die ich im Ernstfall anrufen kann. Aber auch die fremden Menschen um mich: In einem Geschäft, auf der Straße, im Museum. Selbst ohne mit ihnen zu sprechen erfahre ich Nähe, Gesellschaft, Leute mit ähnlichen Interessen. Vielleicht ergibt sich ja hin und wieder auch ein Blick, ein kleines Gespräch eine Begegnung. 

Dabei hilft mir ganz entscheidend mein spirituelles Fundament, mein Vertrauen auf Gott, der mir sagt: „Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,20) Ob man sich ihn als eine aus dem Himmel reichende ausgestreckte Hand oder als einen Schutzengel vorstellt – egal. Es gibt einen Boden, auf dem wir alle stehen und an dem wir uns festhalten können. Mich macht das stark und selbstsicher. Sowohl in der Zeit, die ich allein verbringe, aber auch im Zugehen auf andere. So ist das emotionale Tal, das sich angesichts ungewohnter Situationen auftut, nie so breit, dass ich nicht darüber springen könnte. 

So war es auch dieses Mal. Tatsächlich habe ich nur etwa einen Tag gebraucht, um mir für meinen Einzel-Urlaub eine Tagesstruktur zurechtzulegen: Regelmäßige Pausen im Park oder in einem Restaurant, Momente der Ruhe und des Verarbeitens. Im Ernstfall einfach zwischendurch eine Stunde einen Blick in ein Buch werfen. Unter Menschen sein, auch wenn man sie nicht kennt. Ich habe mich nie einsam gefühlt. Denn ich weiß: Im Ernstfall bin ich nie allein. 
 
Zum Autor
 
Christoph Paul Hartmann wurde 1991 geboren. Er studierte Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Leipzig und ließ sich anschließend am Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses zum Journalisten ausbilden. Er arbeitet als Journalist, daneben schreibt er unter anderem für die Verkündigung im WDR. 2021 erschien mit "Hemmel on Ähd - Unterhaltsame Spaziergänge durch Düsseldorfs Kultur und Geschichte" (Seume) sein erstes Buch. 
 
Dieser Beitrag wird redaktionell von den christlichen Kirchen verantwortet.