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Politik

Kein Kater und keine Euphorie

Andrea Lueg Utrecht
16. März 2017

Die Niederländer sind vom Ergebnis weniger begeistert als manche europäische Nachbarn. Aber erleichtert, dass Wilders nicht Sieger wurde, und ein bisschen stolz auf die hohe Wahlbeteiligung. Von Andrea Lueg, Utrecht.

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Nach der Parlamentswahl in den Niederlanden Presseschau
Bild: picture-alliance/dpa/D. Reinhardt

Terrassenwetter in den Niederlanden – unsere Nachbarn können die Wahlergebnisse bei einem "kopje koffie" in der Sonne sacken lassen. In der Altstadt von Utrecht sitzen einige mit kleinen Augen an der Gracht, die Nacht war kurz, die meisten haben mindestens bis Mitternacht den Ausgang der Wahl verfolgt. Zur Euphorie neigen die Niederländer nicht, aber die meisten sind doch froh, dass der bisherige Premier Mark Rutte bei der Bildung der künftigen Regierung wieder die Fäden in der Hand haben wird – selbst wenn sie nicht für ihn gestimmt haben, wie Gert-Jan de Vries: "Bis zuletzt hab ich noch mit mir gekämpft, ob ich nicht für die VVD stimmen soll, um sicherzustellen, dass sie die stärkste Partei wird, aber das hab ich dann doch nicht über's Herz gebracht."

De Vries hat wieder die sozialdemokratische Partij van de Arbeid (PvdA) gewählt, wie bei den letzten Wahlen. Bei deren Wahlergebnis von gerade mal neun Sitzen sprechen niederländische Kommentatoren allerdings von einem "Blutbad". Im Niederländischen heißen die Sitze "zetels" (Sessel), und ein Experte scherzte im Fernsehsender NOS, da habe er ja mehr Sessel in seinem Wohnzimmer, als die PvdA im Parlament.

"Junge haben ihr demokratisches Recht wahrgenommen"

Traditionell kommen die Spitzenkandidaten am Tag nach der Wahl in Den Haag mit ihren Fraktionen zusammen, und dabei heißt es: "taart of tranen" (Torte oder Tränen) für die Wahlkämpfer. Für die PvdA also Tränen, für Mark Ruttes VVD eher die Torte, obwohl  seine Partei auch Sitze verloren hat, und ganz sicher Torte für GroenLinks, die mit zehn Sitzen mehr dazugewonnen haben, als sie überhaupt jemals an Sitzen im Parlament hatten, sechzehn Sitze gegenüber vier bei den Wahlen 2012. Auf der Wahlparty in Amsterdam gestern abend stellte ihr frenetisch umjubelter Spitzenkandidat Jesse Klaver als erstes die hohe Wahlbeteiligung von 77 Prozent  in den Vordergrund und vor allem die Tatsache, dass offenbar auch viele Junge gewählt haben. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Ipsos ist GroenLinks mit 30 Prozent Wählern zwischen 18 und 34 jedenfalls die Partei mit dem größten Anteil an Jüngeren.

Niderlande Wahl Jesse Klaver von Grün Links
Frenetischer Jubel für GroenLinks-Chef Jesse KlaverBild: picture-alliance/ANP/R. Van Lonkhuijsen

Aber auch die kleineren christlichen Parteien und D66 konnten bei den Jungen punkten. "Die hohe Wahlbeteiligung zeigt für mich, dass die Demokratie in den Niederlanden sehr wichtig ist", meint Stefanie English. Die junge Niederländerin hat es sich gerade auf einer sonnigen Bank gemütlich gemacht. "Die Menschen haben das verstanden. Und dass auch jeder dabei mitreden sollte, auch und vor allem die Jungen. Das finde ich ein schönes Ergebnis der Wahlen."

Stimme für Migranten

Zwei junge Niederländerinnen mit Kopftuch hasten vorbei, sie sind unterwegs zur Universität. Zu den Wahlen an sich wollen sie nichts sagen. Nur soviel: "Auf jeden Fall haben wir gewählt!" Auch die Migrantenpartei Denk war erfolgreich, sie kommt mit drei Sitzen ins Parlament und liegt in den großen Städten Rotterdam und Den Haag sogar vor der PvdA. Spitzenkandidat Tunahan Kuzu erklärte, "die neuen Niederlande" - damit meint er Migranten - hätten nun eine Stimme im Parlament.

Allerdings wird Denk eine große Nähe zu Erdogans AKP nachgesagt, und die niederländische Journalistenvereinigung NVJ beklagt, dass zur Denk-Wahlparty nur der öffentlich-rechtliche Sender NOS zugelassen gewesen sei, viele andere Medien durften nicht teilnehmen.

Schwierige Koalitionsbildung

Niederlande Tag nach der Wahl Stefanie English in Utrecht
Stefanie English freut sich, dass viele junge Leute gewählt habenBild: DW/A. Lueg

Stefanie English bleibt, wie es nach ihren Worten typisch für Niederländer ist, eher nüchtern in ihrer Wahlnachlese. Die Wahlen habe man hinter sich, aber nun müsse die Koalition gebildet werden, und das sei schwierig. "Denn die Parteien, die genügend Stimmen bekommen haben, um das zu tun, liegen inhaltlich teilweise doch sehr weit auseinander. Und als Niederländer denken wir dann: Naja, das haben wir alles noch vor uns. Erst sehen - dann glauben, sagen wir." Eine Mitte-Rechts-Koalition ist derzeit die wahrscheinlichste Option, doch Ruttes VVD, die Christdemokraten der CDA und die liberale D66 bringen es zusammen nur auf 71 Sitze. Das reicht nicht, um zu regieren.

Ein möglicher vierter Partner wäre die christlich-soziale ChristenUnie oder GroenLinks. Doch mit beiden gibt es inhaltliche Kontroversen. Vielleicht muss Rutte es also mit noch mehr kleineren Partnern versuchen. Der Grüne Jesse Klaver hat außerdem seine Vision von einer linken Regierungskoalition zumindest offiziell noch nicht aufgegeben. Stefanie English hofft vor allem, "dass die Parteien bei allen Unterschieden, die es in einer Koalition geben wird, trotzdem gut und konstruktiv zusammenarbeiten."