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Politik

"Kompromiss ist auf dem Balkan ein schlechtes Wort"

24. Mai 2019

Der US-Diplomat Matthew Nimetz hat 25 Jahre seiner beruflichen Laufbahn als Mediator im Namensstreit zwischen Nordmazedonien und Griechenland verbracht. In einem Exklusivinterview für die DW spricht er über diese Zeit.

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Matthew Nimetz UN-Vermittler in der Namensfrage zwischen Mazedonien und Griechenland
Matthew Nimetz - UN-Vermittler in der Namensfrage zwischen Mazedonien und GriechenlandBild: DW/B. Georgievski

DW: Im Laufe der Jahre wurden viele Namen als mögliche Kompromisslösungen genannt. Können Sie sich an einige der interessanteren Namen erinnern, die auf dem Tisch lagen?

Matthew Nimetz: Man stellte sich das einfach vor. Viele sagten: Lass uns hinsetzen, lass uns einen Namen finden ...Die vorläufige Bezeichnung der Vereinten Nationen "FRYOM - Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien" - das war kein Name für ein Land. Dies war eine vorübergehende Bezeichnung, für einen Namen, der noch ausstand. Es ist so, als hätten ich und meine Frau ein Kind. Wir haben den Namen noch nicht herausgefunden. Im Krankenhaus legten sie fest: "Sohn von Herrn und Frau Nimetz". Das ist nicht der Name des Kindes. Es ist nur die Bezeichnung bis der Name gefunden ist.
Wenn das Kind aber 20 Jahre alt wird, ohne einen Namen zu haben, wird es in einer sehr schwierigen Situation aufwachsen. So wurde auch dieser Staat an eine Bezeichnung festgebunden, die für das Land peinlich war. Damit wurde auch die Legitimität des Landes in Frage gestellt, es sind neue Probleme entstanden. Das war für mich als UN-Vertreter sehr schwierig, weil ich einerseits den Namen verwenden musste, andererseits nicht immer "Die frühere Jugoslawische Republik Mazedonien" sagen konnte.

Matthew Nimetz UN-Vermittler in der Namensfrage zwischen Mazedonien und Griechenland
Nimetz im Gespräch mit Boris GeorgievskiBild: DW/B. Georgievski

Sind Sie angesichts des erheblichen Widerstands gegen das Abkommen, sowohl in Nordmazedonien, als auch in Griechenland, insbesondere bei den Oppositionsparteien und den Nationalisten, sicher, dass dieser Streit nun beendet ist?

Niemand kann mit Sicherheit etwas über die Zukunft sagen. Ich glaube nicht, dass die Geschichte jemals aufhört. Es geht weiter. Streitigkeiten, die tief verwurzelt sind, ändern sich in ihrer Natur, verschwinden jedoch nicht vollständig. Ich denke, wir haben eine Lösung für den Namen gefunden. In beiden Ländern haben die Menschen jedoch das Gefühl, zu viel aufgegeben zu haben, weil es einen Kompromiss gibt.

Es gibt aber etwas, was mich ein bisschen enttäuscht. In den USA ist das Wort Kompromiss ein gutes Wort. Wir hatten einen Streit. Wir gingen in den anderen Raum. Wir hatten eine Diskussion darüber und kamen mit einer Lösung heraus. Wir haben einen Kompromiss gefunden. Alle sagen, das ist großartig. Auf dem Balkan ist ein Kompromiss aber ein schlechtes Wort. Niemand hat gewonnen. Die Leute sagen: Du hast etwas aufgegeben; du hättest nichts aufgeben sollen. Unsere Position war perfekt, deshalb hätten wir nichts aufgeben sollen. Ich hoffe, dass - obwohl die Opposition in beiden Ländern gegen diesen Kompromiss gekämpft hat -, sie nun nach vorne schauen wird und nicht zurück. Dass sie eine Beziehung zu ihrem Nachbarn entwickeln wird, das sich durch ein internationales Abkommen geändert hat und den jeder auf der Welt akzeptiert.

Nach Lesart der Opposition in Griechenland ist der Kompromiss in Bezug auf Nationalität und Sprache das größte Problem.

Ja, aber wenn man es sich genauer anschaut, hat man die Sprache nicht aufgegeben. Die Sprache ist die Sprache. Und ich sage den Leuten, dass die Vereinbarung nur besagt, dass die Sprache eine mazedonische Sprache ist. Ich denke oft, wäre ich wirklich schlau gewesen, hätte ich besser das Abkommen auf Chinesisch geschrieben. Denn Chinesisch ist eine Amtssprache der Vereinten Nationen, und man hätte es in jeder Amtssprache der UN tun können. Wenn wir die Vereinbarung auf Chinesisch hätten, hätte ich dieses Problem vermieden. Niemand in Griechenland oder Nordmakedonien hätte verstanden, was das Abkommen sagt.

Ich versuche meinen griechischen Freunden zu erklären: Ihr habt ihnen das nicht gegeben, das ist nur die Art und Weise, wie man die Sprache benutzt. Ihre Sprache heißt "makedonski jezik", und sie wird als "Mazedonisch" übersetzt. Das habe nicht ich getan, das habt nicht ihr getan, es ist nur die Art und Weise, wie sich die Sprache entwickelt. Ich verstehe, dass die Griechen das Gefühl haben, etwas verraten zu haben, indem sie dies eingestanden haben. Ich bin aber der Meinung, dass sie wirklich nichts verraten haben.

Erwarten Sie, dass die Ministerpräsidenten Zaev und Tsipras den Friedens-Nobelpreis für diese historische Vereinbarung erhalten?

Ich denke, sie haben eine bemerkenswerte Sache gemacht, weil sie politischen Mut hatten. Sie sagten, dass sie versuchen werden, dies zu tun. Es war nicht einfach und sie haben ihre politische Karrieren aufs Spiel gesetzt und es geschafft. Ich denke, sehr wenige Leute im öffentlichen Leben tun das. Es sind zwei bemerkenswerte Männer, die etwas Bemerkenswertes getan haben. Ich denke, dass sie viel Anerkennung verdienen, aber es liegt nicht an mir, ihnen die Preise zu geben. Das ist bestimmt nicht meine Rolle. Aber wenn es Preise gibt, denke ich, verdienen sie den höchsten Preis. Sie kümmern sich beide wirklich um ihre Länder, aber sie kümmern sich auch um die Region und sie kümmern sich um die langfristige Perspektive, die sehr wichtig ist.

Das Gespräch führte Boris Georgievski

Der US-Diplomat Matthew Nimetz war 25 Jahre lang Mediator im Namensstreit zwischen Nordmazedonien und Griechenland.

Porträt eines Mannes mit grau-schwarz meliertem Bart
Boris Georgievski Boris Georgievski leitet die mazedonische Redaktion von Deutsche Welle.