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Norbert Haug: "Deutsches Erbe der Formel 1 geht verloren"

Mark Meadows
17. November 2023

Die Formel 1 expandiert - aber nicht in Deutschland. Der ehemalige Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug bedauert den Verlust der Rennen am Hockenheimring und Nürburgring.

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Über zwei Jahrzehnte prägte Norbert Haug den Mercedes-Rennstall in der Formel 1
Über zwei Jahrzehnte prägte Norbert Haug den Mercedes-Rennstall in der Formel 1, hier beim DTM-Test 2022 am HockenheimringBild: HOCH ZWEI/picture alliance

DW: An diesem Wochenende findet der Las-Vegas-Grand-Prix statt, das dritte US-Rennen im F1-Rennkalender und eines von insgesamt 14 Rennen außerhalb Europas. Glauben Sie, dass das europäische Erbe der Formel 1 verloren geht und wo liegt dabei die Gefahr?

Norbert Haug: Das europäische Erbe der Formel 1 wird nicht verloren gehen, das deutsche allerdings schon. Zwischen 1994 und 2016 haben drei deutsche Formel 1-Rennfahrer - Michael Schumacher, Sebastian Vettel und Nico Rosberg - binnen 22 Jahren insgesamt zwölf Weltmeistertitel eingefahren, also über die Hälfte der in diesem Zeitraum möglichen Titel und damit mehr als alle anderen Nationen zusammengerechnet.

2012 gab es sieben deutsche Formel-1-Rennfahrer, darunter zwei Weltmeister. 2023 gibt es mit Nico Hülkenberg nur einen Deutschen, der aufgrund seines Fahrzeugs und Teams nicht einmal Chancen auf regelmäßige Punkteränge hat. Im ersten Jahrzehnt der 2000er-Jahre gab es pro Jahr zwei deutsche Formel-1-Rennen mit jeweils 100.000 Besuchern und bei RTL-Live-Übertragungen stets über fünf Millionen Zuschauern. Heute schauen vielleicht zehn Prozent dieser Zahl Formel 1 im TV. Rennen in Deutschland gibt es schon lange nicht mehr, und ein deutscher Siegfahrer ist nicht in Sicht.

Österreich und Niederlande sind heute Formel-1-Hochburgen

Autos gelten als wichtig für die deutsche Wirtschaft. Warum hat Deutschland in der Formel 1 derart an Bedeutung verloren?

Das Auto wird von Kreisen ausgerechnet im Heimatland des Automobils mit Vorsatz verteufelt - keine passende Rezeptur für Freude am Fahren oder gar Freude am Formel-1-Rennen.

Dem Automobil hat Deutschland einen großen Teil seines Wohlstandes zu verdanken, und mit jedem deutschen Formel-1-Rennen flossen stets über zehn Millionen Euro Steuern in die Staatskasse. Kleine Länder wie Österreich oder die Niederlande sind heute Formel-1-Hochburgen. Die Älteren unter uns erinnern sich daran, dass Deutschland mal die mit Abstand erfolgreichste Formel-1-Nation war.

Keine Chance auf baldige Formel-1-Rückkehr nach Deutschland

Machen Sie sich Sorgen, dass legendäre Rennen wie Spa oder Monaco in der Zukunft ebenfalls aus dem Kalender fallen werden?

Diese Rennen sind langfristig gesichert. So sicher wie es diese Grands Prix in den nächsten zehn Jahren geben wird, so sicher wird es in Deutschland keinen geben.

Luftbild von der Rennstrecke am Nürburgring
In den Jahren 2019 (Hockenheimring) und 2020 (Nürburgring, Foto) fanden zum letzten Mal Formel-1-Rennen in Deutschland stattBild: Thomas Frey/imageBROKER/picture alliance

Las Vegas ist ein weiteres Stadt-Rennen. Eigentlich wollte die Formel 1 doch grüner werden. Wie sehen Sie die ökologischen Auswirkungen von Rennen auf Stadtkursen im Vergleich zu denen auf klassischen Rennstrecken? 

Auch hier zählt nur die Gesamtbetrachtung: Ich bin sicher, in Las Vegas verkehren an einem Formel-1-Wochenende weniger Autos als an einem durchschnittlichen Wochenende, und die Umweltbelastung ist damit nur einen Bruchteil so groß wie sonst üblich.

Norbert Haug war von 1990 bis 2012 Motorsport-Chef von Mercedes-Benz. Er war maßgeblich daran beteiligt, Michael Schumacher zur Rückkehr in den Sport zu bewegen, als Mercedes 2010 als vollwertiges Team in die Formel 1 zurückkehrte. Haug legte den Grundstein für die Dominanz-Phase von Mercedes in der Formel 1 von 2014 bis 2021.

Das Interview führte Mark Meadows.