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Politik

"Nordadler": stramm antisemitisch

23. Juni 2020

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat die rechtsextreme Gruppe "Nordadler" verboten. Wer und was verbirgt sich hinter dieser Gruppe?

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«Revolution Chemnitz» wollte Regierungssturz
Bild: picture-alliance/dpa/C. Schmidt

Sie verehren Adolf Hitler, sie wollen den Nationalsozialismus wieder stark machen: Die jetzt von Bundesinnenminister Horst Seehofer verbotene Bewegung "Nordadler" vertritt sowohl antisemitische als auch rassistische Positionen und hängt Verschwörungstheorien an. Und sie strebt nach Unabhängigkeit von jeder staatlichen Struktur. Deshalb planten sie offenbar, vor allem in Ostdeutschland Immobilien zu erwerben, um dort Schulungszentren einzurichten.

Solche Häuser unterhielt auch die weit bekanntere "Identitäre Bewegung" des rechtsextremen Verlegers Götz Kubitschek, zum Beispiel in Halle und noch bis in dieses Jahr hinein. In diesen Zentren sollten auch sogenannte "Wehrsportübungen" abgehalten werden. Als Vorbild galt der Reichsarbeitsdienst der Nationalsozialisten, der junge Leute ab 1935 für sechs Monate zur Arbeit verpflichtete.

Symbolbild - rechte Bürgerwehr - Neonazis
Die rechte Szene wächst und sucht die Öffentlichkeit, so wie hier Extremisten in München bei einer "Patrouille"Bild: picture-alliance/S. Babbar

In einem Fernsehinterview bekannte ein den "Nordadlern" offenbar nahe stehender Mann schon 2017, es seien auch Immobilien in Thüringen erworben worden: im 500-Seelen Dorf Mackenrode am Südrand des Harzes. In Mackenrode befand sich während der NS-Zeit ein Außenlager des KZ-Lagerkomplexes Mittelbau.

Politiker und andere Kritiker im Visier

Nach Angaben der Bundesanwaltschaft sollen die Mitglieder der Nordadler auch Anschläge geplant haben - auch wenn in der Szene zu hören es ist, die Gruppe sei eher eine nationalsozialistische Ideologie-Vereinigung als eine Terrorgruppe. Die Neonazi-Gruppe wird verdächtigt, sich Waffen und Munition besorgt zu haben; zumindest sollen sie sich darum bemüht haben. Auch Namenslisten soll die Gruppe geführt haben, etwa von missliebigen Politikern. Besonders viele Mitglieder hatten die "Nordadler" offenbar nicht: Ihre Zahl wird auf 30 geschätzt.

Rechtsextremismus und Islamismus

Besonders brisant: Ein im früheren Internetauftritt der Gruppe als Verantwortlicher genannter Mann ist für die Behörden kein Unbekannter. Vor zweieinhalb Jahren wurde er vom Landgericht Braunschweig zu einer Geldstrafe und zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt - wegen Unterstützung eines Sympathisanten des "Islamischen Staates" (IS) bei der Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags auf Polizisten oder Soldaten. Vor dem Übertritt des IS-Anhängers zum Islam hatten sich die beiden in der Neonazi-Szene kennen- und wohl auch schätzen gelernt. Ein weiteres Indiz dafür, wie nah sich islamistische und rechtsextreme Ideologen oft sind. Ein gemeinsames Element: der Hass auf Juden. 

Anstieg rechter Gruppen nach der Fluchtbewegung 2015

Die Nordadler führten lange eher ein Schattendasein. Das ist nicht untypisch für die rechte Szene, die aus vielen autark operierenden Gruppen besteht, die aber durchaus Kontakt untereinander halten. Gemein haben viele dieser Gruppen, dass sie in der Zeit nach der großen Fluchtbewegung nach Deutschland in den Jahren 2015 und 2016 entstanden sind. 

Aktiv vor allem im Internet

Den bisherigen Ermittlungen nach agierten die Nordadler vor allem online, über geschlossene, aber auch ganz offene Kanäle etwa auf Instagram. "Rechtsextremistische Vereine brauchen heute keinen Stammtisch, keinen Kassenwart und keine Satzung mehr, um ihre Ziele zu verfolgen", sagte Seehofer am Dienstag dazu.

Ein Video der deutschen Neonazi-Musikband Lunikoff ist auf YouTube zu sehenEin Video der deutschen Neonazi-Musikband Lunikoff ist auf YouTube zu sehen
Propagandaraum Internet: Auch Rechtsextremisten verbreiten ihren Hass onlineBild: Getty Images/S. Gallup

Die Internet-Seite der Nordadler lockte zunächst mit harmlosen Bildern schöner deutscher Landschaften, etwa aus dem Harz. Aber beim Durchklicken kam man schnell auf Seiten, auf denen etwa darüber schwadroniert wurde, das "deutsche Volk müsse sich selbst erhalten". Gefordert wurde "eine deutsche Führung im eigenen Land ohne fremden Geist." Ohne Ausländer und ohne Juden also.

Lob für den Anschlag von Halle

Hauptzielgruppen der Nordadler waren offenbar junge Menschen. Besonders ausgeprägt ist das extrem antisemitische Profil der Gruppe. Auf ihrer Internetseite sollen sie sich lobend über den Anschlag von Halle in Sachsen-Anhalt im vergangenen Oktober geäußert haben. Damals versuchte ein 28-jähriger schwer bewaffneter Deutscher, in der vollbesetzten Synagoge der Stadt am höchsten jüdischen Feiertag ein Massaker anzurichten. Als er in die Synagoge nicht hineinkam, erschoss er in der Folge zwei Menschen in der Stadt. Von diesem Juli an wird dem Mann der Prozess gemacht. 

Halle am Tag nach dem Anschlag
Die Tür hielt stand - und ein Massaker wurde verhindert: Die Synagoge in HalleBild: Reuters/F. Bensch

Stahlhelme und NS-Schriften

Die Gewaltbereitschaft der rechten Szene in Deutschland wächst. Insgesamt hat das Bundesinnenministerium seit Bestehen der Bundesrepublik über 20 rechtsextreme Gruppen verboten, allein drei in diesem Jahr. Lange waren die Behörden eher zögerlich, das wahre Ausmaß der Gefahr durch rechtsextreme Gruppen wahrzunehmen. Das hat sich spätestens nach dem Mord an dem hessischen Politiker Walter Lübcke Anfang Juni 2019 geändert.

Deutschland Prozess Stephan Ernst 2020 | Mordfall Lübcke | Rechtsextremismus
Der mutmaßliche Lübcke-Mörder Stephan Ernst bei der Prozesseröffnung in Frankfurt im Juni zwischen seinen AnwältenBild: Getty Images/T. Lohnes

Aber schon 2018 wurden die Wohnungen potenzieller Nordadler-Mitglieder in mehreren Bundesländern durchsucht. Waffen wurden damals nicht gefunden. Auch deshalb kam es nicht zu Festnahmen. Diesmal wurden bei den Razzien in vier Bundesländern am frühen Dienstagmorgen Stahlhelme der früheren Wehrmacht und NS-Schriften beschlagnahmt. 

Immobilienbesitz in Thüringen war lange bekannt

Bemerkenswert: In der Antwort auf eine Anfrage der Fraktion der Linken im Deutschen Bundestag vom Mai letzten Jahres über den Immobilienbesitz von Rechtsextremen listet das Bundesinnenministerium auf, dass eine Immobile, nämlich die bereits erwähnte in Mackenrode in Thüringen, im Besitz der Nordadler sei. In Thüringen aber hat es an diesem Dienstagmorgen keine Hausdurchsuchungen gegeben.