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NPD-Verbot angestrebt

Vera Kern9. Dezember 2015

Ein Verbot der rechtsextremen Partei NPD durch das höchste deutsche Gericht scheint nun möglich, nachdem ein erster Anlauf im Jahr 2003 scheiterte. Ein jahrelanger politischer Streit bekommt nun wieder Aufwind.

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Symbolbild NPD (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Balk

Das Bundesverfassungsgericht soll die Entscheidung jetzt treffen. Möglichst endgültig und unanfechtbar. Die Hürden für ein Parteiverbot liegen in Deutschland hoch. Kein Minister, keine Partei im Bundestag darf eine andere Partei einfach so abschaffen. Das darf nur das Bundesverfassungsgericht, als höchste juristische Instanz, als Wächter über das Grundgesetz. Deshalb wird es darum gehen, nachzuweisen, dass die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) "die freiheitliche demokratische Grundordnung beeinträchtigt oder diese zu beseitigen versucht oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland gefährdet". Die Vorkommnisse in zwei Orten könnten ein Beleg dafür sein.

Heidenau und Tröglitz. Zwei Orte in Ostdeutschland, die traurige Berühmtheit erlangt haben. In Heidenau warfen aggressive Rechtsextreme bei einer Demonstration Molotowcocktails auf eine Flüchtlingsunterkunft. In Tröglitz brannte ein Asylbewerberheim. Es gab Morddrohungen gegen Befürworter der Flüchtlingsunterkunft. Daraufhin trat der Tröglitzer Bürgermeister zurück, weil er sich und seine Familie konkret in Gefahr sah.

Diese dramatischen Entwicklungen könnten dem Bundesverfassungsgericht ein Beweis dafür sein, wie gefährlich die NPD geworden ist. Denn im März 2016 wollen die Verfassungsrichter über das Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei verhandeln. Damit rückt ein NPD-Verbot erstmals in greifbare Nähe.

Polizei in Heidenau vor Flüchtlingsunterkunft (Foto: dpa)
Zahlreiche Anschläge auf Flüchtlingsheime: Einige Brandstifter haben Kontakt zur NPDBild: picture-alliance/dpa/S. Willnow

V-Männer und andere Hindernisse

Die Debatte um ein mögliches Verbot einer Partei, über die sich viele Menschen in aller Welt wundern, dass es sie immer noch in Deutschland gibt, beschäftigt Politiker des demokratischen Spektrums schon lange. Bereits vor über zehn Jahren - 2003 - scheiterte ein erster Verbotsantrag. Damals lehnte das Bundesverfassungsgericht die vorgelegten Beweise im Verbotsverfahren ab, weil zahlreiche Vertrauensleute, sogenannte V-Männer, der NPD-Führungsriege angehörten.

Diese Hürde scheint nun aber ausgeräumt. Alle elf V-Leute des Verfassungsschutzes, die interne Informationen aus der NPD-Führung an den Staat weitergeleitet hatten, wurden inzwischen abgezogen. Nun lautet der Knackpunkt: Reichen die öffentlich zugänglichen Beweise aus, um zu zeigen, dass die NPD verfassungswidrig ist und aktiv gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorgeht?

Der Berliner Extremismusforscher Hajo Funke beobachtet die rechte Szene schon lange. Er sagt, die Argumente für ein Verbot wachsen von Woche zu Woche: "Die NPD ist eine der aktiven Agitatoren der flüchtlingsfeindlichen und fremdenfeindlichen Angriffe und Demonstrationen." Jeder Anschlag auf ein Flüchtlingsheim, bei dem die Täter sich im NPD-Umfeld bewegen, sei ein neuer Beweis für das Bundesverfassungsgericht. Ausschreitungen wie in Tröglitz wertet Funke daher als geradezu "bilderbuchartigen Fall für die Gefährlichkeit dieser neonazistischen Partei." Ein Verbot hat diesmal realistische Erfolgschancen, schätzt der Politikwissenschaftler.

Rechtsextremismus-Forscher Hajo Funke (Foto: Stephanie Pilick dpa/lbn)
Pro NPD-Parteiverbot: Extremismusforscher Hajo FunkeBild: picture-alliance/dpa

Rechtsextremismus per Verbot stoppen?

Doch lässt sich die rechtsextreme Gesinnung in den Köpfen von NPD-Sympathisanten tatsächlich durch ein Parteiverbot eindämmen? Es ist die entscheidende Frage in der Diskussion um ein Verbotsverfahren. Quer durch alle Parteien gibt es Skeptiker. Sie fürchten, ein Verbot spiele den Rechtsextremen indirekt in die Hände. Tausende NPD-Anhänger könnten - nach einem offiziellen Verbot - als Rechtsterroristen in den Untergrund abtauchen, so die Argumentation. Manche sagen auch: Selbst extreme Ansichten gehören in einer Demokratie zur Meinungsfreiheit. Extremismusforscher Funke entgegnet: "Die Meinungsfreiheit endet dort, wo das Kerngrundrecht - also die Würde des Menschen - verletzt wird oder zerbrochen werden soll."

Klar ist: Rechtsextremismus verschwindet nicht automatisch durch das Verbot einer rechtsextremen Partei. Eine tief verinnerlichte Ideologie lässt sich nicht einfach eindämmen, weiß auch Extremismusforscher Funke. Aber ein Verbot würde allen Mitläufern und Sympathisanten deutlich machen: Was ihr tut, ist nicht rechtens. Auch verunsicherte Polizisten und lokale Bürgermeister, die nicht wissen, wie sie sich gegen Rechtsextreme wehren sollen, erhielten durch ein Verbot rechtliche Rückendeckung. "Ein Verbot sichert vor der Gefahr der Gewalt durch Neonazis", sagt Funke. "Die, die im Schatten von Pegida und AfD als Gewalttäter agieren, könnten so eingedämmt werden." Die "faschistische Propaganda" aus dem NPD-Umfeld werde auch von Pegida-Anhängern genutzt.

Pegida-Aufmarsch in Dresden (Foto: dpa)
Auch im Umfeld der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung gibt es NPD-SympathisantenBild: picture-alliance/dpa/Arno Burgi

Parteiverbot - in Europa unbekannt

Rechtsextreme Parteien sind nicht nur in Deutschland in der Diskussion. Der Sieg des Front National bei den französischen Regionalwahlen zeigt, wie verführerisch extreme Positionen vielen Wählern angesichts steigender Flüchtlingszahlen erscheinen. Ein Verbot wäre allerdings in Frankreich nicht ohne weiteres denkbar. Auch in Staaten mit langer demokratischer Tradition wie Großbritannien oder den USA sind Parteiverbote nicht in der Verfassung vorgesehen, weil sie als Beschränkung der Meinungsfreiheit gewertet werden. Anders in Deutschland: Als Konsequenz aus dem Nationalsozialismus will das Grundgesetz jegliche Volksverhetzung vermeiden. Ein wichtiger Passus, sagt Hajo Funke, insbesondere in "gesellschaftlich kritischen Situationen", wie sie derzeit in Deutschland vorherrschen.

Prozess keinesfalls umsonst

Das Hauptverfahren gegen die NPD ist am Dienstag eröffnet worden. Die Innenminister der Bundesländer Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, Holger Stahlknecht (CDU) und Lorenz Caffier (CDU) begrüßen dieses Signal. Unabhängig vom Ausgang sei dies ein "Sieg für den Rechtsstaat". Selbst wenn es nicht zu einem NPD-Verbot käme, gebe es dann eine höchstrichterliche Entscheidung darüber, wie in Deutschland zukünftig mit solchen Parteien umzugehen sei. Das wäre wichtig für weitere Diskussionen und strategische Ausrichtungen.