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NSA-Affäre: Grenzen der Aufklärung

Marcel Fürstenau10. April 2014

Der Streit im Untersuchungsausschuss ist symptomatisch für den Umgang der Politik mit dem Geheimdienst-Skandal: Die einen wollen zu viel, die anderen sorgen sich mehr um das Verhältnis zu den USA als um Bürgerrechte.

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Blick in den Saal des NSA- Untersuchungsausschusses.
Bild: picture-alliance/dpa

Am Ende haben doch alle falsche Hoffnungen geweckt. Anfangs sah es so aus, als würden Regierungs- und Oppositionsfraktionen im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (Bild oben) zur NSA-Spionage-Affäre an einem Strang ziehen. "Nur dann können wir etwas erreichen", sagte der sozialdemokratische Obmann Christian Flisek am Mittwoch (09.04.2014). Wenige Stunden zuvor hatte der gerade einmal sieben Tage amtierende Ausschuss-Vorsitzende Clemens Binninger sein Amt niedergelegt. In einer persönlichen Erklärung beschuldigte der Christdemokrat die Opposition, dass sie "ausschließlich die Vernehmung von Edward Snowden in den Mittelpunkt der Arbeit des Untersuchungsausschusses stellen will".

Mit seiner zugespitzten Bezichtigung schießt Binninger ebenso übers Ziel hinaus, wie der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele. Der verdächtigt das Kanzleramt, Druck ausgeübt zu haben, "um die Vernehmung und Aufklärung durch Edward Snowden im Ausschuss zu verhindern". Durch dieses Scharmützel ist die mühsam erarbeitete Vertrauensbasis im NSA-Untersuchungsausschuss zerstört worden, bevor das Gremium auch nur einen einzigen Zeugen geladen hat. Vor diesem Hintergrund klingt es wie bittere Ironie, was in der persönlichen Erklärung des zurückgetretenen Vorsitzenden Binninger noch so steht: "Ein Untersuchungsausschuss sollte nicht in erster Linie parteipolitischer Profilierung dienen, zumal die aufgeworfenen Fragen viele Bürger beunruhigen."

Innenminister de Maizière: "Die USA handeln ohne Maß"

Die Beunruhigung all jener, die von den USA und der deutschen Politik Aufklärung erwarten, dürfte nun noch größer geworden sein. Nachdem die alte Bundesregierung die NSA-Affäre anfangs herunterspielte, zeigte sie sich von den immer neuen Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden dann doch beeindruckt. Das Entsetzen war groß, als bekannt wurde, sogar das Handy der Kanzlerin sei abgehört worden. Plötzliche drängten Angela Merkel (CDU) und ihr damaliger Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bei US-Präsident Barack Obama auf mehr Transparenz und vor allem auf den Verzicht, sich gegenseitig auszuspionieren.

Bundesinnenminister Friedrich zu Gesprächen in Washington (Foto: White House)
Im Juli 2013 führte Innenminister Friedrich (2.v.l.) in Washington ergebnislose GesprächeBild: picture-alliance/dpa

Inzwischen steht fest, dass es kein sogenanntes No-Spy-Abkommen geben wird. Die National Security Agency (NSA) wird weiter systematisch die Kommunikation via Telefon und Internet ausspähen. Vor Monaten gestellte Fragen der Bundesregierung bleiben unbeantwortet. Das Verhalten der US-Amerikaner entsetzt sogar Merkels amtierenden Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Als "überzeugter Transatlantiker" sagte er im "Spiegel"-Gespräch, die bislang erhaltenen Informationen seien "unzureichend". Die NSA-Spionage, de Maizière nennt sie "Aufklärungsmaßnahmen", findet der Minister übertrieben. Des Ministers Fazit: "Die USA handeln ohne Maß."

Auch ohne Snowden gäbe es interessante Zeugen

Wenn also schon die deutsche Regierung zehn Monate nach Snowdens ersten Enthüllungen von den Amerikanern nach offizieller Lesart keinerlei Entgegenkommen erwarten darf, was kann dann schon ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss leisten? Die ernüchternde Antwort ist: In der Sache selbst nicht viel. Vielleicht ist das auch eine Erklärung für den so schnell entbrannten Streit. Allen Fraktionen ist klar, dass kein NSA-Mitarbeiter vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin erscheinen wird. Der Auftrag des Gremiums richtet sich im Kern auf die Rolle der deutschen Geheimdienste und der politisch Verantwortlichen. Wer wann was wusste oder vielleicht sogar von den Spionage-Aktivitäten ausländischer Geheimdienste profitierte - darum sollen sich die Fragen drehen.

Als interessante Zeugen kommen die Chefs des Bundesnachrichtendienstes (BND), des Bundeamtes für Verfassungsschutz (BfV) und des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) infrage. Aber auch Bundesminister und die Kanzlerin könnten in der Logik des Untersuchungsauftrages geladen werden. Wobei abzusehen ist, dass die spannendsten Zeugen-Befragungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Mit Verweis auf die Sicherheit und Vertraulichkeit werden die Türen von Untersuchungsausschüssen erfahrungsgemäß sehr schnell fest verschlossen.

Die Bundesregierung setzt den Rahmen

Innenminister de Maizière betont, die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste der USA, Großbritanniens und Deutschlands sei "unverzichtbar" und liege im "nationalen Interesse". Und die dürfe nicht beschädigt werden, "auch nicht durch den Untersuchungsausschuss". Man darf das durchaus als Ansage verstehen, wo aus Sicht der Bundesregierung die Grenzen der Aufklärung des NSA-Skandals liegen. Es könnte ja auch ein deutscher Skandal sein. Solche Vermutungen stellt mehr oder weniger unverblümt die Opposition an. Und weil sie ahnt, dass ihr der Nachweis im Laufe des NSA-Untersuchungsausschusses schwer fallen könnte, überschätzt sie die Rolle Edward Snowdens.

Hans-Christian Ströbele (r.) zu Besuch bei Edward Snowden in dessen russischen Exil (Foto: dpa)
Edward Snowden (l.) und Hans-Christian StröbeleBild: picture-alliance/dpa

Allen voran Hans-Christian Ströbele möchte den Whistleblower als Zeugen nach Deutschland holen. Im vergangenen Herbst hat der Grünen-Politiker den NSA-Enthüller in dessen russischem Exil besucht und brachte einen an Angela Merkel gerichteten Brief mit. Ein Auftritt vor dem Ausschuss in Berlin wäre sicherlich spektakulär, viel mehr aber wohl nicht. Denn was könnte Snowden dem Gremium im Sinne des Untersuchungsauftrags Erhellendes schon mitteilen? Die brisanten Inhalte der von ihm an internationale Medien weitergereichten Unterlagen des US-Geheimdienstes kennt die ganze Welt. Weitere könnten folgen.

Mit der US-Regierung will man es sich nicht verscherzen

Vom potenziellen Zeugen Edward Snowden sollte es also kaum abhängen, wie erfolgreich der NSA-Untersuchungsausschuss am Ende sein wird. Die Gremienmitglieder wären gut beraten, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und vielleicht kommt Snowden ja doch nach Berlin, wird schriftlich oder in einer Video-Konferenz befragt. Denn der größte Skeptiker gehört dem Ausschuss nicht mehr an: Clemens Binninger. Neuer Vorsitzender ist sein Parteifreund Patrick Sensburg, der sich eine Anhörung des Whistleblowers gut vorstellen könnte. Die anderen Mitglieder des achtköpfigen Gremiums können das sowieso.

Im nächsten Monat wird sich zeigen, wie es mit dem Streit um die Ladung Snowdens weitergeht. Ausschuss-Chef Sensburg teilte inzwischen mit, die Frage werde am 8. Mai erneut beraten. Bis Anfang Mai soll die Bundesregierung eine Stellungnahme abgeben, ob und in welcher Form eine Befragung Snowdens überhaupt möglich ist. Nach den bislang gemachten Erfahrungen ist kaum anzunehmen, dass es dafür grünes Licht geben wird. Dafür sitzt die Angst, es sich mit der US-Regierung zu verscherzen, viel zu tief. Daran wird auch der Untersuchungsausschuss nichts ändern.