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NSA-Affäre zwingt Regierungen zum Handeln

Christian Ignatzi24. Oktober 2013

Millionen Bürger, aber auch Staats- und Regierungschefs wie Angela Merkel und Dilma Rousseff wurden mutmaßlich vom US-Geheimdienst abgehört. Die betroffenen Staaten reagieren sehr verschieden auf den NSA-Skandal.

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Eine Person sitzt mit Kopfhörern vor einem Netzwerkschrank - Foto: Kay Nietfeld (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Europäische Union:

In der EU gibt es keine einheitliche Haltung zum Thema NSA, sagt DW-Brüssel-Korrespondent Bernd Riegert. "Das Parlament regt sich sehr darüber auf. Dort gibt es einen eigenen NSA-Untersuchungsausschuss." Außerdem haben die Europa-Abgeordneten jüngst beschlossen, das SWIFT-Abkommen auszusetzen, das es den USA erlaubt, Bankdaten im Zuge der Terrorabwehr abzugreifen. Die EU-Kommission allerdings sieht das Thema anders, sagt Riegert: "Die Kommissare behaupten, dass sie sich von der NSA versichern ließen, dass alles mit rechten Dingen zugeht."

Noch viel zurückhaltender als die Kommission sei allerdings der Europäische Rat. "Die Vertretung der Mitgliedsstaaten hat eigentlich überhaupt keine Meinung dazu und sagt, das sei Aufgabe der nationalen Regierungen, weil Spionage, Datenschutz und solche Dinge eigentlich in nationale Kompetenzen fielen." Die EU zieht deshalb bislang in der NSA-Affäre nicht an einem Strang. "Man versucht, sich möglichst durchzumogeln und die Amerikaner möglichst nicht zu verschrecken."

Deutschland:

Die USA bloß nicht zu verschrecken war lange Zeit auch die Marschroute der Bundesregierung. Doch dann kam heraus, dass die NSA mutmaßlich auch Angela Merkels Handy abhörte und die Kanzlerin war empört. "Dabei hat die Regierung zu Beginn der Affäre zunächst einmal abwartend reagiert", sagt DW-Berlin-Korrespondent Marcel Fürstenau. Zwar reiste Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich im Juli in die Vereinigten Staaten und sprach dort mit US-Regierungsvertretern. Auf einen Fragenkatalog, den er einreichte, gibt es bislang kaum Antworten. "Das erkennt man daran, dass Regierungssprecher Steffen Seibert nun nach dem Bekanntwerden der mutmaßlichen Ausspähung des Handys der Bundeskanzlerin darauf gedrängt hat, dass die schon vor Monaten gestellten Fragen endlich beantwortet werden sollten."

Frankreichs Präsident François Hollande (v.l.), US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 19.05.2012 in Camp David- Foto: Michael Gottschalk
Da war die Welt noch in Ordnung: Hollande, Obama und Merkel beim G8 Gipfel im Mai 2012Bild: dapd

Andererseits gibt es noch das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags für Geheimdienste (PKGr). In diesem Gremium erklärte der Geheimdienstkoordinator der Bundeskanzlerin, Ronald Pofalla, die Affäre schon im Sommer bereits für beendet. "Mit anderen Worten: Die Bundesregierung hat sich offensichtlich beschwichtigen lassen von den Amerikanern", lautet die Einschätzung von DW-Korrespondent Fürstenau. "Das wird sich durch die neuesten Entwicklungen verändert haben."

Frankreich:

"Der Guardian deckte auf, dass Frankreich sich unter den 38 Zielen der NSA befand", sagt Elisabeth Cadot aus der Französisch-Redaktion der Deutschen Welle in Bonn. Präsident François Hollande hatte daraufhin scharf reagiert und einen sofortigen Stopp der Spähaktionen gefordert. Frankreich könne so etwas nicht akzeptieren. "Hollande wollte deshalb die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA aufschieben, im Juli wurden sie aber trotzdem eröffnet, da andere europäische Länder trotzdem verhandeln wollten."

Seit dem ersten September habe das Außenministerium gewusst, dass es ausspioniert wurde, sagt Cadot. Als die Zeitung "Le Monde" am 21. Oktober meldete, dass die NSA allein zwischen vergangenem Dezember und Januar über 70 Millionen Telefon-Verbindungen in Frankreich überwachte, schien das Maß voll. Präsident Hollande sprach von einer inakzeptablen Praxis und ließ den US-Botschafter einbestellen. Obama und Hollande wollen nun zusammenarbeiten, um die Fakten und Dimensionen der Überwachung genau zu prüfen.

Mexiko:

Für Mexiko ist die Beziehung zu den Vereinigten Staaten äußerst sensibel, sagt der Mexikaner Enrique López, der in der Spanisch-Redaktion der Deutschen Welle arbeitet. "Im September hat eine brasilianische Zeitung die ersten Nachrichten veröffentlicht, dass Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto abgehört wurde."

Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto und seine brasilianische Kollegin Dilma Rousseff - Foto: Fernando Bizerra (EFE)
Präsidenten Peña Nieto und Rousseff: Mexiko stellt nicht so offensiv Forderungen, wie BrasilienBild: picture-alliance/dpa

Die mexikanische Regierung habe versucht, so mild wie möglich zu reagieren. In einer zweiten Phase sei aber klar geworden, dass die Ausspähung in einem viel größeren Ausmaß ablief. "Sie hat dann über das Außenministerium Aufklärung gefordert", sagt López. Die Regierung wollte konkrete Ergebnisse, hat aber bislang noch keine Antwort erhalten. "Wegen der speziellen Beziehung beider Länder stellt Mexiko nicht so offensiv Forderungen, wie etwa Brasilien."

Brasilien:

In dem südamerikanischen Land hat die NSA-Affäre hohe Wellen geschlagen. "In Brasilien hat die Affäre dazu beigetragen, dass die Bevölkerung aus einem digitalen Dornröschenschlaf aufgewacht ist", sagt Astrid Prange aus der DW-Brasilianisch-Redaktion in Bonn. In Brasilien ergebe sich eine besondere Situation: Der britische Journalist Glenn Greenwald lebt in Rio de Janeiro. Er hat die Informationen veröffentlicht, die zum Bekanntwerden der NSA-Affäre geführt haben. "Ein Teil des Materials ist in die Hände des TV-Senders Globo gelangt, der den Lauschangriff auf die Präsidentin aufgedeckt hat", sagt Prange.

Das führte zu einer großen Empörung und einer historischen Entscheidung. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff sagte ihren für diesen Oktober geplanten Staatsbesuch in Washington ab. Das Verhältnis beider Staaten gilt ohnehin als angespannt. "Der letzte offizielle Besuch eines brasilianischen Staatsoberhauptes in den USA fand im Jahr 1995 statt", erläutert Prange das Ausmaß der neuerlichen Verwerfungen.

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