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Vertrauen stößt an Grenzen

Antje Passenheim, Washington26. November 2013

Eine US-Delegation soll im Abhörstreit in Europa die Wogen glätten. Doch die verhaltene Diskussion in ihrer Heimat zeigt: Vertrauensbildende Maßnahmen stoßen mitunter an transatlantische Grenzen.

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Ein Banner mit dem Slogan "We're so sorry, Leute!" hängt am 05.11.2013 auf dem Rathausplatz in Hamburg. Die Flagge ist ein Requisit für eine Satiresendung des NDR extra 3, in der es um die NSA Abhöraffäre geht. Foto: Pauline Willrodt/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

James Lewis ist ein Cyber-Guru. Der Experte in Sachen Geheimdienst und Informations-Sicherheit arbeitete für verschiedene US-Ministerien. Er unterstützte Arbeitsgruppen der Vereinten Nationen. Er war Ratgeber für Präsident Barack Obamas Strategie für Cyber-Sicherheit. Doch nun hört er sich ratlos an: "Wir müssen eine Lösung finden. Wir müssen eine Weg finden", sagt der Direktor des Programms für Technologie und öffentliche Ordnung im Washingtoner Think Tank Center for Strategic and International Studies (CSIS).

Bei einer Podiums-Diskussion sinniert Lewis über Wege, wie das Vertrauen auf der anderen Seite des Atlantiks wieder hergestellt werden könnte. Das sei das A und O. Doch ihre Sicherheitsinteressen würden die USA deswegen nicht verraten."Ich sage nicht, dass wir die europäische und die deutsche Stimmung nicht sehr ernst nehmen sollten", betont Lewis. "Das ist ein politisches Problem." Die Faustregel des Geheimdienstes sei, sich nicht erwischen zu lassen. "Jetzt, wo wir erwischt worden sind, müssen wir wieder Vertrauen bilden. Wir müssen unsere Partnerschaft auf einen neuen Weg lenken. Damit betonen wir erneut unsere gemeinsamen Werte."

Doch gerade da liegt der Hase im Pfeffer, also der Kern des Problems, meint Heather Conley, Chefin des CSIS-Europa-Programms. "Es gab immer transatlantische Differenzen in Sachen Datenschutz. Amerikaner sind mit Blick auf ihre Sicherheit stets bereiter gewesen, ihr Privatleben preiszugeben, als Europäer - bedingt auch durch deren Geschichte", sagt sie.

Richterliche Bestätigung

Das zeigte sich erst in der vergangenen Woche wieder. Eine Nachricht, die in Deutschland viel Lärm verursacht hätte, ging in den amerikanischen Hauptmedien leise unter. Die Berichte waren kurz, die Debatte fiel aus. Dabei hatte der Supreme Court in Washington dem Geheimdienst NSA erneut den Freischein zum Herumschnüffeln im privaten Telefonnetz bestätigt. Die Richter wiesen nämlich eine Klage des Verbands Electronic Privacy Information Center zurück. Die Vereinigung wollte der NSA und ihren Praktiken einen Riegel davorschieben. Der Oberste Gerichtshof sollte die entsprechende Genehmigung des Geheimgerichts FISA-Court überprüfen. Es hatte die umstrittene Herausgabe der Verbindungsdaten von Millionen Kunden eines amerikanischen Telefonnetzbetreibers angeordnet. Doch die Obersten Richter gaben den Korb nicht der NSA, sonder den Datenschützern: Der Supreme Court lehnte die Prüfung ohne Begründung ab.

Eine Gruppe von Menschen an einem Tisch
Präsident George W. Bush unterzeichnete 2008 das umstrittene AbhörgesetzBild: picture-alliance/dpa

Warum sollte es Aufregung geben, fragt Geheimdienstexperte Lewis. "Mehr als 80 Prozent der Amerikaner befürworteten doch die Spionageprogramme", sagte er. Die meisten würden verstehen, wie das Geschäft funktioniere. "Wir haben allerdings keine gute Arbeit darin geleistet, das auch dem Rest der Welt zu vermitteln", so Lewis. Das müsse nun geschehen. Die Frage sei nur: Wie? Denn eines sei klar: "Es wird nicht damit enden, dass wir dem Sammeln von Geheimdienstinformationen abschwören."

Bilaterale Vereinbarung?

Berlin und Washington verhandeln derzeit über eine neue Vereinbarung für die Arbeit der jeweiligen Geheimdienste. Das Abkommen soll noch vor Weihnachten fertig sein. Einzelheiten drangen bislang nicht nach draußen. Nach Meinung des SPD-Bundestagsabgeordneten Niels Annen wäre viel gewonnen, wenn die USA ihre Antiterror-Kriegsgesetze von 2001 zurücknehmen würden. "Ich glaube, dass wir eine andere, auch transatlantische Diskussion über die Frage der adäquaten Terrorismusbekämpfung hätten, wenn dieser Krieg gegen den Terrorismus offiziell beendet würde und damit natürlich auch bestimmte rechtliche Interpretationen, die hier ja auch immer wieder zu Irritationen führen", sagte Annen während eines Besuchs in Washington.

Drei Fahnen
Die transatlantischen Beziehungen haben Risse bekommenBild: picture-alliance/dpa

Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 hatte der US-Kongress mit der Verabschiedung eines Antiterrorgesetzes die ungehemmte Schnüffelei der US-Geheimdienste überhaupt erst möglich gemacht. Der sogenannte Patriot Act brachte zahlreiche Einschnitte in die Bürgerrechte - mit der Begründung, das Land zu sichern. So ermöglicht der Patriot Act die Überwachung von Telefongesprächen oder E-Mails, das Ausspähen von Unternehmen und Bibliotheken sowie die unbefristete Internierung von Terrorverdächtigen - ohne Gerichtsverfahren.

"Meine Hoffnung ist, dass es auch Sorgen bei den Abgeordneten hier gibt - über über das Anwachsen eines Sicherheitskomplexes, der hier ja seit 9/11 gigantische Ausmaße angenommen hat", so Annen.

Gespräche in Washington hätten diese Hoffnung genährt. Leise zumindest, wie es klang: "Aus der Administration hatte ich schon den Eindruck, dass man es sehr ernst nimmt, was in Deutschland diskutiert wird. Dass das hier aber nicht die Schlagzeilen dominiert, darf einen nicht verwundern."