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NSU: Keine Lösung im Waffen-Rätsel

Marcel Fürstenau, z.Z. München7. Juni 2016

Im Prozess gegen den "Nationalsozialistischen Untergrund" muss erneut der ehemalige Verfassungsschutz-Spitzel Tino Brandt aussagen. Der war vom Angeklagten Ralf Wohlleben belastet worden. Aus München Marcel Fürstenau.

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Ex-V-Mann des Verfassungschutzes und Neonazi Tino Brandt auf einem Archivbild von 2014
Tino Brandt auf einem Archivbild aus dem Jahr 2014Bild: picture-alliance/dpa/Martin Schutt

Neun der zehn Opfer des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) wurden mit einer Waffe vom Typ "Ceska" erschossen. Auf welchen verschlungenen Wegen die Pistole mit Schalldämpfer zu den mutmaßlichen Mördern Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gelangte, wird womöglich nie ganz aufgeklärt werden. Dieser Eindruck verfestigt sich am Dienstag vor dem Münchener Oberlandesgericht. Als einziger Zeuge ist eine der zwielichtigsten Figuren aus der rechtsextremistischen Szene geladen: Tino Brandt.

Der 41-Jährige sitzt zurzeit in Thüringen eine Haftstrafe wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger ab. Über seine Verwicklung in das NSU-Umfeld und seine Spitzeldienste für den Verfassungsschutz sagte er bereits mehrmals in dem mehr als drei Jahre dauernden Strafverfahren aus. Dass er nun erneut in München erscheinen muss, hat er Ralf Wohlleben zu verdanken. Dem früheren Funktionär der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) wirft die Bundesanwaltschaft vor, die Beschaffung der NSU-Tatwaffe organisiert zu haben.

Tino Brandt und Neonazi-Aussteiger Carsten S. kennen sich gut

Als Wohlleben Anfang dieses Jahres kurz nach der Hauptangeklagten Beate Zschäpe ebenfalls sein langjähriges Schweigen bricht, fällt auch der Name Tino Brandt. Ihm unterstellt er, das Geld für die "Ceska" bereitgestellt zu haben. Ganz abwegig ist diese Behauptung nicht, denn Brandt war bis zu seinem Auffliegen als V-Mann 2001 die wichtigste und wohl auch bestbezahlte Quelle des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV). Und er kannte alle wichtigen Rechtsextremisten, darunter Carsten S. Der Neonazi-Aussteiger ist wegen Beihilfe zum Mord ebenfalls angeklagt. Als Einziger sagte er gleich zu Beginn des NSU-Prozesses aus und gab zu, den mutmaßlichen Tätern eine Waffe übergeben zu haben.

Die Tatwaffe vom Typ "Ceska" spielt im NSU-Prozess eine wichtige Rolle
Wer war alles an der Beschaffung dieser Waffe vom Typ "Ceska" beteiligt?Bild: picture-alliance/dpa

Zu Brandts Spitzel-Zeiten hatte er viel Kontakt zu S. Der Verfassungsschutz erhoffte sich von seiner Top-Quelle tiefe Einblicke in das rechtsextreme Milieu Thüringens. In diesem Umfeld bewegte sich auch das schon 1998 untergetauchte NSU-Trio Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe. Über den Erwerb einer Waffe will Brandt weder mit ihnen noch mit Carsten S. noch mit Wohlleben gesprochen haben. Das sei "nie ein Thema" gewesen, sagt Brandt am 287. Verhandlungstag im NSU-Prozess.

Der V-Mann kassierte viel Geld vom Verfassungsschutz

Dass er dem Angeklagten S. mal Geld übergeben habe, sei ihm "nicht erinnerlich", ausschließen könne er es aber nicht. Schließlich habe er vom Verfassungsschutz damals "viel Geld" bekommen. Insgesamt ist von rund 200.000 D-Mark die Rede, umgerechnet gut 100.000 Euro. Ein Teil davon floss nach Brandts Darstellung in eine Jugendgruppe, für deren Aufbau S. zuständig gewesen sein soll. Dass die Finanzspritzen des Verfassungsschutzes zumindest indirekt auch dem untergetauchten NSU-Trio zugute kamen, kann unter dem Eindruck von Brandts Aussage weiterhin nicht ausgeschlossen werden. Vor allem die Vorstellung, sogar die NSU-Tatwaffe könnte so finanziert worden sein, ist vor allem für die Angehörigen der Opfer schwer zu ertragen.