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Vom Hoffnungsträger zum Problemfall

Nils Naumann / Jennifer Fraczek (mit dpa)11. August 2014

Bei seinem Amtsantritt als Premier war er Hoffnungsträger: Al-Maliki sollte dem Irak Frieden bringen. Nun steht das Land wieder vor einem Bürgerkrieg. Anders als erhofft, ist al-Maliki keine Integrationsfigur geworden.

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Der irakische Premierminister Nuri al-Maliki (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Nuri Al-Maliki will irakischer Premier bleiben, das ist spätestens seit der Nacht zum Montag (Ortszeit) klar. In einer Fernsehansprache kündigte er zudem an, Präsident Fuad Masum wegen Verstoßes gegen die Verfassung zu verklagen, weil dieser ihn nicht zum Regierungschef ernannt habe.

Der Schiit, dem eine systematische Benachteiligung der Sunniten im Land angelastet wird, hatte zwar mit seiner Partei die Parlamentswahl im April gewonnen, aber keine ausreichende Mehrheit für eine Regierungsbildung erreicht. Er hält trotzdem an seinem Posten fest, achteinhalb Jahre nachdem der Schiite zum Hoffnungsträger für den Irak wurde, der dem Land den lang ersehnten Frieden bringen sollte.

Damals, im April 2006, stand der Irak am Rande eines Bürgerkrieges. Schiitische und sunnitische Todesschwadronen massakrierten Anhänger der jeweils anderen Glaubensrichtung. Die irakische Politik war handlungsunfähig, die Regierung zerfallen, es wurde ein neuer Regierungschef gesucht. Nach mehreren Monaten konnten sich die Vertreter von Schiiten, Sunniten und Kurden endlich einigen: auf Nuri al-Maliki.

Auf der Flucht vor Saddam

Al-Maliki, der am 1. Juli 1950 in einem kleinen Ort südlich von Kerbela geboren wurde und aus einer Intellektuellen-Familie stammt, wurde einst selbst diskriminiert. Mit 18 Jahren schloss er sich der Oppositionsbewegung Dawa an, die sich für die Rechte der Schiiten einsetzte. Sie stand gegen das sunnitisch dominierte Baath-Regime, dem auch der spätere Diktator Saddam Hussein angehörte. Als dieser 1979 an die Macht kam, floh al-Maliki. Saddam Hussein ging gegen Oppositionelle gnadenlos vor, al-Maliki wurde 1980 von der irakischen Justiz in Abwesenheit zum Tode verurteilt.

Mehr als 20 Jahre lebte al-Maliki im Exil, unter anderem in Syrien und im Iran. 2003 wurde Saddam Husseins Regime von einem von den USA angeführten Bündnis gestürzt, der Irak besetzt. Al-Maliki kehrte in sein Heimatland zurück und wurde stellvertretender Leiter der Kommission für Entbaathisierung. Die Kommission hatte die Aufgabe, sämtliche Saddam-Gefolgsleute aus der Verwaltung zu entfernen. Nach der ersten Parlamentswahl im Januar 2005 leitete er den Ausschuss für Sicherheit und Verteidigung, ein Jahr später wurde er Premierminister.

Saddam Hussein vor Gericht (Foto: AFP/Getty Images)
Al-Maliki kehrte erst nach dem Ende der Herrschaft von Saddam Hussein (Bild) wieder in den Irak zurückBild: David Furst/AFP/Getty Images

Große Versprechen

Bei seinem Amtsantritt gab sich al-Maliki optimistisch. Seine Minister und er hofften, "dass diese Regierung den Irak erfolgreich aus der außergewöhnlichen und schwierigen Lage herausführen kann". Diese Regierung solle überkonfessionell sein: "Die Ministerien und die Minister sind nicht Eigentum des Premiers - das heißt, er darf sie nicht entsprechend seiner Herkunft, seiner ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit ausnutzen. Er dient dem gesamten irakischen Volk."

Ein 24-Punkte-Plan für nationale Versöhnung und Dialog sollte das Land stabilisieren, die Sunniten sollten eingebunden, die schiitischen Milizen gestoppt werden. Zunächst gelang es al-Malikis Regierung, die Gewalt einzudämmen, auch mit Unterstützung der US-Amerikaner, doch bald nahm sie wieder zu.

Das irakische Parlament stimmt über die Regierung ab und akzeptiert sie (Foto: dpa)
Al-Malikis Kabinett bei der Bestätigung durch das Parlament 2006Bild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Bei den Parlamentswahlen 2010 verlor al-Malikis Parteienbündnis "Allianz für den Rechtsstaat" dann knapp gegen das von Ex-Premierminister Ijad Allawi gegründete Bündnis "Irakija". Al-Maliki wollte aber nicht weichen und schaffte es nach einem neunmonatigen Machtvakuum schließlich, wieder eine Regierung zu bilden, an deren Spitze er steht.

Al-Maliki entwickelt sich zum Autokraten

Gleichzeitig entwickelte sich al-Maliki immer mehr zum Autokraten. Er besetzte zentrale Positionen mit Parteifreunden und übernahm mehrere Ministerien selbst. Formell gibt es zwar eine gemeinsame Regierung von Schiiten, Sunniten und Kurden. Die sunnitischen Vertreter wurden aber nach und nach systematisch entmachtet.

Nach dem Abzug der US-Amerikaner im Jahr 2011 ließ er mit Gewalt gegen Demonstranten vorgehen, die Reformen verlangten. Friedliche Aktivisten bezeichnete er als "Feinde der Freiheit" und "Terroristen". Der sunnitische Vize-Regierungschef Tarik al-Haschimi musste fliehen, nachdem gegen ihn ein Haftbefehl wegen Terrorismus erlassen wurde. Bei einem Angriff auf den Ort Hawidscha nahe Kirkuk wurden im April 2013 mehr als 40 Menschen getötet. Angebliche sunnitische Terroristen wurden hingerichtet, ohne dass Namen oder Einzelheiten ihrer Taten bekanntgegeben wurden.

IS den Boden bereitet

Die Unterdrückung der Sunniten und der Machtkampf zwischen den sunnitischen und schiitischen Muslimen im Land hat den schnellen und massiven Vormarsch der Dschihadistengruppe "Islamischer Staat" (IS) begünstigt. Seit Januar haben die Isis-Kämpfer große Teile des Nordens und Westens des Irak eingenommen. Im Juni eroberten sie die Millionenstatt Mossul. Sie wollen weiter gen Bagdad marschieren.

Mit einer Militäroffensive will al-Maliki sie nun zurückdrängen. Er scheint mit dem Rücken zur Wand zu stehen, beklagt sich über "Falschmeldungen" bezüglich des Isis-Vormarsches und wittert Verschwörungen. Die US-Amerikaner haben al-Maliki wiederholt aufgefordert, eine Einheitsregierung zu bilden unter echter Beteiligung der Sunniten - etwas, das al-Maliki bei seinem Amtsantritt 2006 ja eigentlich in Aussicht gestellt hatte.

Fahrzeuge irakischer Sicherheitskräfte am Stadtrand von Samarra (Foto: Reuters)
Mit einer Offensive will al-Maliki die Isis-Kämpfer zurückdrängenBild: Reuters