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Politik

Nürnberger Prozesse waren eine "Revolution"

20. November 2020

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat an die große Bedeutung der Nürnberger Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert. Sie hätten die Grundlage für ein Weltrechtsprinzip gelegt, um Kriegsverbrechen zu ahnden.

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Festakt zum 75. Jahrestag Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse
Festakt in Coronazeiten: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier neben seiner Frau Elke Büdenbender, in gehörigem Abstand dazu Markus Söder, Regierungschef von BayernBild: Daniel Karmann/dpa/picture alliance

Bei dem Festakt, genau 75 Jahre nach Prozessauftakt, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, "der Hauptkriegsverbrecherprozess in Nürnberg war eine Revolution. Er schrieb nicht nur Rechtsgeschichte, er schrieb Weltgeschichte". Die Prozesse, in denen sich mit führenden Nationalsozialisten erstmals in der Geschichte Vertreter eines Unrechtsregimes vor Gericht verantworten mussten, hätten die Grundlage für ein Weltrechtsprinzip gelegt, nach dem Kriegsverbrechen und schwerste Menschenrechtsverbrechen "nirgendwo auf der Welt ungesühnt bleiben".

Weiterhin Anfechtungen für internationale Strafgerichtsbarkeit 

"Das Völkerrecht war bis zur Eröffnung des Prozesses vor 75 Jahren eine Angelegenheit von Staaten, nicht von Individuen", sagte Steinmeier weiter. Damit habe dieser den Grundstein für ein universales Völkerstrafrecht und eine internationale Strafgerichtsbarkeit geschaffen. "Ohne den Hauptkriegsverbrecherprozess in Nürnberg gäbe es den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag heute nicht".

Die internationale Strafgerichtsbarkeit sei aber in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer häufiger Anfechtungen ausgesetzt gewesen, sagte Steinmeier weiter. Die Vereinigten Staaten und Russland seien dem Internationalen Strafgerichtshof ebenso wie China, Indien und andere Staaten nicht beigetreten. Die USA, die maßgeblich zum Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg beigetragen hätten, hätten zuletzt "aktiv gegen das Haager Gericht gearbeitet". Er vertraue aber darauf, dass die Vereinigten Staaten nun zurückkehrten "zu einer Zusammenarbeit, die auch den Wert internationaler Strafgerichtsbarkeit anerkennt".

Krieg ist "eine Form des Wahnsinns"

Benjamin Ferencz, der ehemalige Chefankläger im sogenannten Einsatzgruppenprozess, einem der zwölf Nachfolgeprozesse im Rahmen der Nürnberger Prozesse, appellierte in seiner Botschaft an die Menschen, Krieg als Mittel zur Beilegung von Streitigkeiten zu ächten. Kriege bezeichnete der 100-Jährige als "eine Form des Wahnsinns". Die Welt sei verrückt, "ich werde nicht mehr lange leben. Sie müssen sich dieser Realität stellen. Tun Sie, was in Ihrer Macht steht", sagte der amerikanische Jurist. Ferencz ist der letzte noch lebende Chefankläger aller damaligen Prozesse.

Die damaligen Siegermächte USA, Russland, Frankreich und Großbritannien schickten zum Jahrestag Grußbotschaften. Wegen der Corona-Krise fand die Veranstaltung am Freitagabend in Nürnberg ohne Publikum statt, sie wurde im Internet übertragen.

Bei den Nürnberger Prozessen (1945-1949) standen erstmals in der Weltgeschichte führende Repräsentanten eines Staates für ihre Verbrechen vor einem internationalen Gericht. Damals stellten die alliierten Siegermächte 21 ranghohe Nazi-Kriegsverbrecher, darunter Adolf Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß und Reichsmarschall Hermann Göring, vor ein Gericht. Der Prozess endete nach fast einem Jahr mit zwölf Todesurteilen. Bis April 1949 trat im Nürnberger Justizgebäude dann ein amerikanischer Militärgerichtshof zusammen, um in zwölf Nachfolgeprozessen über weitere NS-Verbrechen zu urteilen.

qu/uh (dpa, epd)