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Obama stoppt Truppenabzug aus Afghanistan

15. Oktober 2015

Die prekäre Sicherheitslage erlaube es nicht, den Großteil der knapp 10.000 US-Soldaten nach Hause zu holen, sagte der US-Präsident. Er werde nicht zulassen, dass Afghanistan von Terroristen als Rückzugsort genutzt wird.

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Obama bei der PK zur Verlängerung des US-Afghanistaneinsatzes (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/J. Ernst

Die Sicherheitslage sei in vielen Regionen des Landes weiter sehr fragil, sagte Präsident Barack Obama bei der Vorstellung des neuen Afghanistan-Konzepts in Washington. Die afghanischen Sicherheitskräfte seien "noch nicht so stark, wie sie sein müssen". Daher habe die Regierung in Kabul darum gebeten, die Unterstützung in größerem Umfang als bislang geplant fortzusetzen. "Ich werde als Oberbefehlshaber nicht zulassen, dass Afghanistan von Terroristen als Rückzugsort genutzt wird, um unsere Nation erneut anzugreifen", fuhr Obama fort, der an der Seite von Vizepräsident Joe Biden, Verteidigungsminister Ashton Carter und Generalstabschef Joseph Dunford vor die Kameras trat.

Der Präsident erklärte, er habe seine Entscheidung nach Beratungen mit seinem nationalen Sicherheitsteam, dem US-Kongress, den internationalen Partnern und der afghanischen Regierung getroffen. "Unsere NATO-Verbündeten und Partner können weiter eine unverzichtbare Rolle spielen, Afghanistan bei der Stärkung seiner Sicherheitskräfte zu helfen", sagte Obama.

Nach den neuen Plänen soll die derzeitige Truppenstärke von etwa 9800 US-Soldaten "den Großteil des kommenden Jahres" beibehalten werden. Ende 2016 oder erst Anfang 2017 soll laut Obama das Truppenkontingent auf rund 5500 Soldaten reduziert werden und neben der Hauptstadt Kabul noch an drei weiteren Orten in Afghanistan stationiert bleiben: Bagram, Dschalalabad und Kandahar.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßte, wie auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die Entscheidung, den US-Truppenabzug zu stoppen. Sie sagte der "Bild"-Zeitung: "Wir wollen mit unseren Partnern ein Zeichen setzen, dass wir beharrlich an einer Stabilisierung Afghanistans arbeiten." Stoltenberg erklärte, die afghanischen Sicherheitskräfte bräuchten weiter Unterstützung, "um die bisher erzielten Fortschritte zu sichern". Dazu werde auch die NATO ihren Beitrag leisten.

Ziel verfehlt

Obama verabschiedet sich mit der Verlängerung des US-Einsatzes auch von seinem Ziel, die meisten der noch in Afghanistan stationierten amerikanischen Soldaten nach Hause zu holen, solange er im Amt ist. Bis zum Ende seiner Amtszeit Anfang 2017 wollte er die Truppenstärke am Hindukusch eigentlich auf rund tausend Soldaten herunterfahren.

Die radikalislamischen Taliban hatten in den Monaten nach dem Ende des NATO-Kampfeinsatzes mit unerwarteter Stärke um die Rückeroberung der Macht gekämpft und die vom Westen gestützte Regierung in Kabul unter Druck gesetzt. In einer Blitzoffensive hatten die Taliban Ende September die Stadt Kundus eingenommen. Die afghanischen Sicherheitskräfte konnten die Stadt erst nach mehreren Tagen mit internationaler Unterstützung zurückerobern.

US-Militärs hatten Obama daraufhin dringend geraten, den Truppenabzug zu überdenken. Der US-Oberkommandeur in Afghanistan, John Campbell, sprach sich klar für einen langsameren Abzug aus. Sollten die bisherigen Pläne beibehalten werden, hätte die US-Armee für die Zeit nach 2016 nur "sehr begrenzte Fähigkeiten" in Afghanistan, hatte Campbell gewarnt.

"Taliban stark wie vor 2001"

Zum Jahreswechsel war der NATO-geführte Kampfeinsatz am Hindukusch nach 13 Jahren zu Ende gegangen. Im Rahmen der Folgemission "Resolute Support" blieben etwa 13.000 militärische Berater, Ausbilder und US-Spezialkräfte im Land. Die Bundeswehr ist mit rund 850 Soldaten beteiligt. Die meisten von ihnen sind in Masar-i-Scharif im Norden stationiert, ein weiteres Kontingent ist in Kabul.

Nach Einschätzung der Vereinten Nationen sind die Taliban in Afghanistan wieder so stark geworden wie seit dem Sturz ihres Regimes 2001 nicht mehr. Die UN-Mission UNAMA habe bereits im September die Bedrohung durch die Aufständischen in der Hälfte der Bezirke als "hoch" oder "extrem" eingestuft, berichtete der afghanische Fernsehsender Tolo News unter Berufung auf einen unveröffentlichten UN-Report.

qu/uh (afp, dpa, rtre, epd)