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Obamas magere Umweltbilanz

Simon Broll, New York22. September 2014

Wenn diesen Dienstag der UN-Klimagipfel in New York beginnt, hoffen Aktivisten auf deutliche Worte von US-Präsident Obama. Dessen bisherige Umweltpolitik hat viele Bürger enttäuscht. Sie erwarten nun Führungsstärke.

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Bild: Simon Broll

Als Wirbelsturm Sandy vor fast zwei Jahren über New York City tobte, traf das Unwetter auch Elizabeth Yeampierres Nachbarschaft in Brooklyn. "Menschen verloren ihre Häuser, standen plötzlich ohne Dach überm Kopf da", erinnert sich die Umweltschützerin. "Dabei sind wir in Sunset Park noch gut davongekommen im Vergleich zu anderen Bezirken der Stadt."

Damit solch ein Supersturm nicht noch einmal ihre Heimat verwüstet, ist Yeampierre zum Klimamarsch an den Central Park gekommen. Gemeinsam mit 310.000 Gleichgesonnenen wollte sie ein Zeichen setzen gegen die Erderwärmung. "Jetzt ist der Moment gekommen, um zu handeln und unsere Führer müssen das bemerken", sagte die Aktivistin. Allen voran meinte sie US-Präsident Barack Obama, von dem sie bisher "ziemlich enttäuscht wurde", wenn es um Umweltpolitik geht. "Ich dachte, dass er sich in seiner zweiten Amtszeit stärker einsetzen wird im Kampf gegen Klimawandel. Davon haben wir aber bisher nicht viel gesehen."

Frau beim protestmarsch Copyright: Simon Broll
Elizabeth Yeampierre aus Brooklyn möchte einen neuen Supersturm wie Sandy verhindern.Bild: Simon Broll

Wenn am Dienstag rund 120 Staats- und Regierungschefs in New York zum UN-Klimagipfel zusammenkommen, werden viele von ihnen die Augen auf den US-Präsidenten richten. Schweigen oder wegsehen könne er nicht, meinen Experten. Das hätten die Demonstranten auf dem Klimamarsch in New York deutlich gemacht.

Rückhalt der Bürger, Blockade im Kongress

Für Jennifer Morgan vom Washingtoner Think Tank World Resources Institute, sei der Protestmarsch ein deutliches Zeichen, dass die Zeit für Reformen in den USA drängt. "Nach Sandy ist der Rückhalt in der Bevölkerung für Umweltschutz sehr gewachsen", sagt die Direktorin des Energy and Climate Programms, das sich für eine Welt ohne Kohlestaub einsetzt. "Präsident Obama sollte diese Stimmung nutzen, um stärker für Umweltschutz zu werben."

Dass daraus auch Gesetzesvorhaben entstehen, davon ist Morgan weniger überzeugt. "Gerade jetzt fällt es schwer, überhaupt irgendeinen Vorschlag durch den Kongress zu bekommen", sagt sie. "Das hat Obama während seiner ersten Amtszeit spüren müssen." 2010 wollte der US-Präsident ein Gesetz verabschieden, das die Kraftwerke gezwungen hätte, Emissionsrechte zu erwerben. Sein "Cap and Trade"-Vorhaben scheiterte allerdings am Senat.

Grenzwerte für Kohlekraftwerke

Deshalb habe Obama für seine zweite Amtszeit einen neuen Weg eingeschlagen, meint Morgan. Unterstützt durch die Umweltschutzbehörde EPA setzte er ein Papier auf den Weg, das strengere Grenzwerte für Kohlekraftwerke vorschlägt. Bis 2030 sollen demnach alle Meiler ihre CO2-Emissionen um 30 Prozent reduzieren im Vergleich zu 2005. Weil er die Regulierung am Kongress vorbei entschieden hatte, hagelte es Kritik - vor allem vonseiten der Republikaner und der Kohleindustrie. Letztere sprach gar von einem "Krieg gegen Kohle", den der Präsident eingeschlagen habe. Aktuell läuft die öffentliche Anhörungsphase, im kommenden Jahr soll die Regulierung in Kraft treten.

"Wenn der Präsident dieses Vorhaben durchsetzt, wäre das mehr, als alle seine Vorgänger erreicht haben", sagt Lou Leonard, Vizepräsident des Klimawandelprogramms bei der Naturschutzorganisation WWF. "Obama würde zeigen, dass er beim Thema Umweltschutz auch unbequeme Maßnahmen durchsetzen kann." Dennoch gehen Leonard die Vorhaben des Präsidenten nicht weit genug. "Die USA ist der zweitgrößte Umweltverschmutzer nach China", sagt der Aktivist. "Der Abgasausstoß muss also noch viel stärker gesenkt werden, um das Ziel zu erreichen, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen."

Kohlekraftwerk copyright: AP Photo/John Amis
Schmutziger ist nur ChinaBild: ap

Streitthema Fracking und Solarförderung

So erfreulich die CO2-Regulierungen für viele Bürger beim Klimamarsch auch waren, so besorgt zeigten sie sich über das fehlende Engagement ihres Präsidenten bei anderen Streitthemen. Besonders stark demonstrierten sie gegen das Fracking-Verfahren, bei dem mittels Chemikalien Erdgas aus dem Boden gepresst wird. In Oklahoma, wo die Ergas-Förderung besonders stark betrieben wird, seien in den ersten vier Monaten dieses Jahres bereits 145 Erdbeben der Stärke 3.0 gemessen worden. Das berichtet die Zeitschrift "The Atlantic." Wissenschaftler vermuten, dass die gestiegene Zahl mit dem Fracking zusammenhängen könnte.

Unzufriedenheit herrschte auch beim Thema Solarförderung. Christina Wright erinnerte sich beim Marsch etwa an ihr Vorhaben, eine Solaranlage aufs Dach ihres Wohnhauses zu installieren. "Die Kosten waren so hoch, dass ich mir das nicht leisten konnte", sagte Wright, die in Manhattan lebt. Durch die anstehenden Kongresswahlen im November befürchtet sie aber, dass sich der Präsident mit kostspieligen Förderungen fürs Erste bedeckt halten wird.

Frau beim protestmarsch Copyright: Simon Broll
Manhattan-Anwohnerin Christina Wright bemängelt fehlende Solarförderungen.Bild: Simon Broll

Obama als Klimaschutz-Führer?

Dennoch hoffen viele Bürger, dass Obama beim Klimagipfel eine führende Rolle übernehmen wird - auch weil andere wichtige Staatsoberhäupter fehlen werden. Die Regierungschefs von Kanada und Russland haben ihre Teilnahme abgesagt, China und Indien schicken nur Vertreter. Auch Kanzlerin Angela Merkel reist nicht selbst an, sondern sendet Umweltministerin Barbara Hendricks nach New York. Da steigen die Erwartungen an die USA.

"Ich möchte, dass sich Obama klar zum Umweltschutz bekennt", sagt Lou Leonard. "Konkrete Zahlen, um wie viel die Vereinigten Staaten ihre Ausstöße reduzieren möchten, werden wohl erst im kommenden Jahr beim Klimagipfel in Paris genannt." Aber New York, so Leonard, sei ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einem neuen Klimaschutz-Vorhaben.