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Obamas Netflix-Deal und seine Folgen

Sarah Hucal ld
24. Mai 2018

Ist die Nachricht, dass die Obamas bei Netflix einsteigen, ein weiteres Indiz für die Vorherrschaft des Streamingdienstes? Ein Gespräch mit der Fernsehforscherin Amanda Lotz über Netflix und das Ende des Rundfunks.

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Michelle und Barack Obama im Februar 2018
Bild: Reuters/J. Bourg

Netflix hat in den vergangenen Jahren massiv eigene Serien und Filme produziert, um Hollywoods Monopol aufzubrechen und um eine Anzahl exklusiver Angebote zu schaffen, die rund um den Globus gesehen werden können. Gerade erst hatte Netflix die Rechte an Martin Scorseses nächstem Film mit Al Pacino und Robert De Niro erworben. Wenig später machte der Stremingdienst bekannt, dass Michelle und Barack Obama exklusive Inhalte für Netflix produzieren werden, mit denen Letzterer hofft, "talentierte, inspirierende und kreative Stimmen fördern zu können, die ein besseres gegenseitiges Verständnis zwischen Menschen unterstützen".

Amanda Lotz, Kommunikationswissenschaftlerin und Professorin an der University of Michigan, erläutert im DW-Gespräch, dass der Deal mit den Obamas Teil eines neuen, revolutionären Erlösmodells ist, das sich an unterschiedliche Zielgruppen weltweit richtet.

DW: Netflix hat gerade die Marke von 125 Millionen Abonnenten weltweit geknackt, die Hälfte davon leben außerhalb der USA. Wie kam es dazu, dass der Streamingdienst so schnell zum weltweit größten Anbieter wurde, der auch traditionelle Fernsehsender verdrängt?

Amanda Lotz: Charakteristisch für Netflix ist es, viele verschiedene Nischen gleichzeitig zu bedienen. Internationales TV gibt es bei uns schon sehr lange, aber es hatte niemals die Technologien, die die Möglichkeiten bieten, die Netflix nun hat. Netflix hat eine Online-Mediathek statt einem Fernsehprogramm und die Möglichkeit, gleichzeitig Programme rund um den Globus verfügbar zu machen. Das ist wirklich eine Neuerung.

Ich denke, dass Netflix anfangs vorhatte, einen Großteil seiner US-Angebote auch im Ausland anbieten. Aber mittlerweile gibt es auch viele Beispiele dafür, die darauf hinweisen, dass Netflix gezielt Inhalte für andere Märkte entwickelt (Anm. d. Red.: zum Beispiel die deutsche Serien-Produktion "Dark").

Weil das Publikum weltweit verteilt ist, müssen diese vielen Nischen, die Netflix anvisiert, nicht mehr in einem Land liegen, sondern in mehreren. Für die Frage, welche Inhalte an welchen Orten beliebt sind, war beim Rechteeinkauf auf dem  Fernsehmarkt bisher die nationale Identität eines Landes zentral. Netflix bricht nun damit und fokussiert sich auf die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen rund um den Globus, ohne zu berücksichtigen, ob sie an einem speziellen Ort leben.

Symbolbild Netflix: Aufgeklappter Laptop mit der Schrift "Netflix" auf dem Bildschirm.
Ob Smartphone, Tablet oder Notebook - Filme und Serien sind längst überall konsumierbarBild: picture alliance/dpa/A.Heinl

Was sagt der neue Deal mit den Obamas über die Bestrebungen von Netflix aus, eigene exklusive Inhalte außerhalb des bestehenden Systems von TV- und Hollywood-Produktionen zu produzieren?

Ich denke, dass das einhergeht mit anderen Geschichten, die in den vergangenen Monaten publik wurden - wie Exklusivverträge mit Ryan Murphy und Shonda Rhimes (Anm. d. Red.: Die beiden erfolgreichen Produzenten wurden mit siebenstelligen Summen von großen TV-Sendern abgeworben, Netflix hat bereits die Streaming-Rechte an Rhimes' Serie "Grey's Anatomy" gekauft).

Ein Dienst wie Netflix bietet eine Mediathek statt einem TV-Sendeschema und versucht, alle seine Inhalte in eben dieser Mediathek zu behalten - sie werden nicht probieren, einzelne Inhalte auf einem zweiten Markt zu verkaufen. Seitdem dies der Kern ihres Geschäftsmodells ist, ist Exklusivität ein echter Vorteil für Netflix.

Solche Exklusivverträge mit einem so großen Echo, mit Persönlichkeiten wie den Obamas und Netflix ist der einzige Ort, an dem man an diese Produktionen rankommt - ich denke, dass das sehr gut ist, um die Marke Netflix zu erweitern und zu sagen: "Wir sind mehr als Serien."

Wir wissen alle nicht genau, was die Obamas genau machen werden, aber ich denke, dass wir an ihren Produktionen sehen werden, dass Netflix ein sehr vielseitiger Streamingdienst ist. Es ist ein großartiger Ort, um Zugang zu vielen Dokumentarfilmen zu bekommen, die Sie an anderen Orten möglicherweise nicht finden. Es gibt ein Publikum für solche Produktionen und die Visionen, die die Obamas entwickeln möchten. Aber man braucht große Namen, um so eine Mediathek aufzubauen.

Wird sich Netflix mehr auf internationale Produktionen konzentrieren - wie zum Beispiel die erste deutsche Netflix-Serie "Dark" - um das größer werdende Publikum weltweit anzusprechen oder wird es in erster Linie weiter amerikanische Produktionen geben?

Ich glaube, es ist wichtig, dass es da kein Entweder-oder gibt. Meiner Ansicht nach werden sie beides tun. Wenn man das Thema aus der US-amerikanischen Perspektive und der der Wirtschaftlichkeit eines Kabelkanals oder Rundfunknetzes betrachtet, wird deutlich, dass lange Zeit die Wahrnehmung galt, dass der Markt für internationale Produktionen in den USA nicht groß genug war. Aber das Vertriebssystem von Netflix ermöglicht es, diesen Markt zu identifizieren und zu bedienen. Sobald Netflix dafür zahlt, diese Inhalte zu produzieren, werden sie in der Netflix-Mediathek erscheinen und sie haben die Rechte daran und Zugriff darauf und die Möglichkeit, mehr Märkte zu erschließen.

Netflix profitiert also von der Chance, dass die Technologie beides ermöglicht: diese Mediatheken zu haben, die viel tiefgründiger sein können, als es ein TV-Programm jemals könnte, und an vielen Orten gleichzeitig zu sein.

Ist es zu erwarten, dass Netflix mit seinem Streaming-Modell irgendwann die traditionellen Sender verdrängt? Oder hat dieser Prozess vielleicht schon begonnen?

Schwer zu sagen. In der Sichtweise von vielen Journalisten und Analysten ist das ein Kampf, den nur einer gewinnen kann. Ich denke, dass sich das Ökosystem Fernsehen ausdehnt, solange der Rundfunk etwas anderes macht als ein Unternehmen wie Netflix - nur dann bleibt er am Leben.

Das Gespräch führte Sarah Hucal.