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Odyssee der nordkoreanischen Flüchtlinge

Chang Yun-ching 18. Juni 2013

Nordkoreas neuem Machthaber Kim Jong Un ist es gelungen, den Flüchtlingsstrom aus seinem abgeschotteten "Arbeiterparadies" zu drosseln. Ganz stoppen kann er ihn aber nicht.

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Flüchtlinge aus Nordkorea in Thailand (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Fall der neun jungen Nordkoreaner im Alter zwischen 14 und 18 (laut anderen Berichten 22) Jahren, die Ende Mai von den laotischen Behörden festgenommen und über China nach Nordkorea zurückgeschickt wurden, hat erneut ein Schlaglicht auf die Lage nordkoreanischer Flüchtlinge geworfen.

Die UN kritisierten Laos und China, weil sie ihren Verpflichtungen gemäß der UN-Flüchtlingskonvention nicht nachgekommen seien. Demnach dürfen illegal Einreisende nicht in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden, wenn ihnen dort wegen ihrer Flucht Gefängnis oder grausame Strafen drohen.

Flüchtlinge gelten in Nordkorea als Staatsverräter, denen bis zu fünf Jahren Zwangsarbeit droht – was die milde Strafe darstellt. Denn bei "schwerwiegenden" Fällen, die sogenannte "staatsfeindliche Aktivitäten" beinhalten, drohen lebenslange Haft oder sogar die Todesstrafe. Nach Einschätzung südkoreanischer Experten vom Database Center for North Korean Human Rights in Seoul sind fünf Prozent der geschätzten 100.000 bis 200.000 Insassen des nordkoreanischen Gulag-Systems festgenommene Staatsflüchtlinge.

25.000 geflohene Nordkoreaner im Süden

Laos galt bislang - ebenso wie Thailand - als ein relativ sicherer Zwischenstopp für Flüchtlinge aus Nordkorea, die auf geheimen Wegen über China und Südostasien nach Südkorea gelangen. China hingegen betrachtet illegal Einreisende aus dem verbündeten östlichen Nachbarstaat als Wirtschaftsflüchtlinge, denen es keinen Schutz gemäß der UN-Konvention gewährt.

Passant in Seoul macht auf das Schicksal der aus China abgeschobenen nordkoreanischen Jugendlichen und Kinder aufmerksam (Foto: Reuters)
Dieser Passant in Seoul macht auf das Schicksal der aus China abgeschobenen nordkoreanischen Jugendlichen und Kinder aufmerksamBild: Reuters

Während der Zeit des Kalten Krieges war die Zahl der nordkoreanischen Flüchtlinge in den Süden überschaubar. Knapp 1.100 wurden zwischen dem Koreakrieg und 1999 gezählt, aber bis 2002 kamen nochmals so viele hinzu. Alleine im Jahr 2009 flohen knapp 3.000 Nordkoreaner in den Süden.

Nach Angaben des südkoreanischen Wiedervereinigungsministeriums leben derzeit etwa 25.000 Nordkoreaner im Süden, 5.000 in anderen Ländern, bei einer unbekannten Zahl von Nordkoreanern, die in chinesischen Grenzgebieten leben.

Wie Phil Robertson vom Asien-Büro der Organisation Human Rights Watch der Deutschen Welle berichtet, führt der Fluchtweg am häufigsten von der chinesischen Grenze bis hinunter in den Süden nach Laos. Manche Flüchtlinge reisten dann nach Kambodscha, Laos oder Thailand ein, bevor sie nach Südkorea kämen. In Thailand würden sie sich nach dem Überqueren des Mekong häufig bei der Polizei melden. Sie würden zwar nicht als Flüchtlinge anerkannt, aber nach einem kurzen Gerichtsverfahren wegen illegaler Einreise an die südkoreanische Botschaft übergeben.

Sippenhaft in Nordkorea

Die Flüchtlinge begeben sich nicht nur selbst in Gefahr, sondern auch ihre Angehörigen. Wenn der Flüchtling aus einer Familie stammt, die nach nordkoreanischer Klassifizierung zur "unsicheren" oder "feindlichen" Klasse gehört, können die Angehörigen mit Arbeitslager oder sogar Hinrichtung bestraft werden. Bei gesellschaftlich besser gestellten Familien verläuft die Strafe glimpflicher.

Nordkoreanische Soldaten auf einer Inseln im Grenzfluss Yalu gegenüber der chinesischen Grenzstadt Dandong (Foto: Reuters)
Nordkoreanische Soldaten auf einer Insel im Grenzfluss Yalu gegenüber der chinesischen Grenzstadt DandongBild: Reuters

Evan Kim floh mit seinen Eltern im Alter von neun Jahren in den Süden. "Unsere Verwandten haben für ein Jahr ihre Jobs verloren und sind auf der gesellschaftlichen Leiter nach unten gerutscht. Allerdings gehörte unsere Familie zu den privilegierten im Lande, so dass die Strafe in unserem Fall nicht so schwer war wie bei anderen nordkoreanischen Familien", erzählt Evan Kim im Gespräch mit der DW.

Den Nordkoreanern, die aus ihrem Land fliehen wollen, stehen nicht nur Missionare und Menschenrechtsaktivisten zur Seite, die aus humanitären Motiven handeln und auf Spendengelder angewiesen sind. Auch professionelle Fluchthelfer bieten ihre Dienste an, laut International Crisis Group für Beträge zwischen 2500 und 15.000 US-Dollar.

Flucht wird teurer und schwieriger

Oftmals sind Koreaner im Süden des Landes oder in der chinesischen Grenzprovinz Jilin lebende Koreaner bereit, eine solche Summe zu zahlen, um Verwandten oder Freunden zur Flucht zu verhelfen. Manche Nordkoreaner verdienen das Geld durch Handel auf den inoffiziellen Märkten des Landes, oder sie vereinbaren mit dem Fluchthelfer die Zahlung, nachdem sie geflüchtet sind und Arbeit im Süden gefunden haben.

Greg Scarlatoiu vom Komitee für Menschenrechte in Nordkorea (HRNK) in Washington (Foto: privat)
Greg Scarlatoiu vom Komitee für Menschenrechte in Nordkorea (HRNK) in Washington sieht Verschärfung des GrenzregimesBild: privat

So hat Sung Chul ein Jahr lang in Südkorea gearbeitet, um die 3500 US-Dollar zu verdienen, die er seinen Fluchthelfern schuldete. Hana, die der Deutschen Welle ihren wahren Namen nicht nennen möchte, weil ihre Eltern in Nordkorea leben, sagte, dass sie sieben Jahre lang mit falschen Papieren in China gearbeitet hat, um ihre 8000 US-Dollar Schulden zu begleichen. Erst danach konnte sie nach Südkorea ausreisen.

Greg Scarlatoiu vom Komitee für Menschenrechte in Nordkorea (HRNK) in Washington sagte der Deutschen Welle, dass Geld eine immer größere Rolle bei der Flucht aus Nordkorea spiele. Viele Fluchthelfer seien Nordkoreaner oder Koreaner aus China mit Verbindungen zu nordkoreanischen Regierungsstellen. Dadurch habe sich der Preis für die Flucht erhöht, gleichzeitig hat der neue Führer Kim Jong Un die Grenzkontrollen verschärft. Offenbar mit Erfolg, denn 2012 wurden nur noch rund 1500 Fluchten aus Nordkorea gezählt.