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OECD verspricht "Ende der Steuertricks"

5. Oktober 2015

Die OECD will legale Steuer-Schlupflöcher für internationale Konzerne stopfen und spricht von der größten Änderung im Steuerrecht seit fast einem Jahrhundert. Die deutsche Industrie reagiert reserviert.

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Symbolbild für Steueroasen, hier British Virgin Islands(Foto: Fotolia)
Bild: Fotolia/Trueffelpix

Für internationale Konzerne soll es künftig schwieriger werden, mit Steuertricks den Fiskus um Milliarden zu prellen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) legte am Montag in Paris einen 15-Punkte-Plan gegen Steuergestaltungen und Gewinnverlagerungen vor.

Damit sollen legale Schlupflöcher, die globale Konzerne wie Apple, Amazon, Google oder Starbucks zur Senkung ihrer Steuerlast legal nutzen, gestopft werden. Undurchsichtige Finanzströme, unfaire Rabatte und Modelle über Briefkastenfirmen sollen der Vergangenheit angehören.

Tod der Briefkastenfirmen

Der am Montag von der Industrieländerorganisation OECD vorgestellte 15-Punkte-Plan habe letztlich "den Tod der Briefkastenfirmen" zum Ziel, hieß es in der OECD. Sie hatte 2012 von den G20-Staaten den Auftrag zur Entwicklung des Katalogs erhalten. Gelingt seine Umsetzung, winken ihnen Milliardeneinnahmen.

Wie drängend das Problem der "Aushöhlung der Steuerbasis und Gewinnverlagerung" (BEPS) durch die Konzerne mittlerweile ist, demonstriert die OECD an einer Zahl: Sie schätzt, dass durch das Ausnutzen der Unterschiede in den nationalen Steuersystemen weltweit bis zu 240 Milliarden Dollar im Jahr verloren gehen - das wären zehn Prozent aller Körperschaftsteuereinnahmen.

Reaktion auf öffentlichen Druck

Mit dem BEPS-Aktionsplan soll vermieden werden, dass sich die Staaten in einen ruinösen Wettbewerb um die immer spärlicher fließenden Steuermilliarden zwingen lassen. Die zentralen Elemente des Plans sollen bis 2017 in Kraft sein. Der OECD zufolge haben sich bisher 62 Staaten hinter den Aktionsplan gestellt, die zusammen 98 Prozent des Welt-BIP repräsentieren.

Dass die maßgeblich von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble angestoßene BEPS-Initiative nun zu einem Ergebnis kommt, liegt aber auch am wachsenden öffentlichen Druck, nachdem über die Steuerpraxis digitaler Multis berichtet wurde.

Der Trick mit der "Patentbox"

Ziel der Initiative ist es, dass jeder Unternehmensgewinn einmal nach üblichen Maßstäben versteuert wird. Es soll also sowohl eine Doppelbesteuerung als auch eine "Doppelt-Nicht-Besteuerung" vermieden werden. Dazu ist geplant, dass Konzerntöchter ihre Gewinne nicht mehr durch überhöhte Zinsen für einen Kredit der Konzern-Mutter ins steuergünstigere Ausland verschieben können.

Das gleiche gilt für die Preise, die sich Konzernteile gegenseitig in Rechnung stellen. Hier wird das Prinzip gestärkt, dass sich die "Verrechnungspreise" an den Preisen orientieren müssen, die ein Dritter bezahlen müsste.

Zudem werden einheitliche Regeln für Steuerprivilegien für Lizenzeinkünfte aufgestellt. Solche "Patentboxen" im Steuerrecht darf es nur noch für Erträge aus Forschung geben, die das Unternehmen auch in dem Land getätigt hat. Bisher ist es ein beliebter Trick, Patente des Konzerns auf ein Tochterunternehmen in einem Land mit Patentbox zu verlagern. Die Bundesregierung hat eigenen Angaben zufolge noch nicht über die Einrichtung einer deutschen Patentbox entschieden.

Wo wird das Geld verdient?

Ins Visier nimmt die OECD aber auch Steuergestaltungen, die darauf abzielen, das keine klare Betriebsstätte mehr erkennbar ist - und damit kein Ansatzpunkt mehr für eine Besteuerung. Dazu sollen Doppelbesteuerungsabkommen angepasst werden. Das Problem der Betriebsstätte tritt zum Beispiel bei Online-Händlern auf, die in einem Land nur ein Versandlager betreiben. Bisher sind sie deshalb dort nicht steuerpflichtig. Künftig soll ein solches Auslieferungslager entsprechend seines Gewinnanteils als eine Betriebsstätte gelten.

Unternehmen in die Pflicht nehmen

Die teilnehmenden Länder sollen dem Plan nach vermehrt Informationen austauschen, zum Beispiel über steuerliche Zusagen, die sie Unternehmen gemacht haben. Solche "Tax Rulings" nimmt derzeit die EU-Kommission unter die Lupe, nachdem bekannt geworden war, dass Luxemburg, Irland und die Niederlande mit Konzernen besonders günstige Steuer-Deals abgeschlossen hatten.

Multinationale Unternehmen sollen verpflichtet werden, standardisierte Angaben über zentrale Kennziffern wie Umsatz und Anzahl der Mitarbeiter in den jeweiligen Ländern zu machen, die dann den dortigen Steuerbehörden zur Verfügung gestellt werden.

Deutsche Industrie sorgt sich ums "Steuergeheimnis"

Markus Kerber, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), kritisierte, die deutschen Regelungen im Unternehmenssteuerrecht gingen weiterhin deutlich über die internationalen Standards hinaus. Risiken bestünden bei dem Plan, "umfangreiche Steuerdaten und betriebswirtschaftliche Daten der Unternehmen" zwischen den Finanzverwaltungen auszutauschen: "Damit werden das Steuergeheimnis und die Vertraulichkeit von Geschäftsdaten bedroht." Die OECD-Vorschläge enthielten zudem eine für Deutschland "nachteiligere Steuerverteilung".

Im US-Kongress regt sich allerdings erster Widerstand dagegen, solche Daten von US-Konzernen Steuerbehörden im Ausland zur Verfügung zu stellen. Auch über andere Punkte des Aktionsplans dürfte weiter diskutiert werden. So wenden erste Kritiker ein, dass die Patentbox-Regel zur Folge haben könnte, dass zwar nicht mehr die Patente ins Ausland verschoben würden, sondern stattdessen gleich die gesamte Forschungsabteilung.

Die Staats- und Regierungschefs der G20 werden das Paket bei ihrem Gipfel Mitte November in Antalya endgültig billigen. Danach müssen einige Maßnahmen noch in nationales Recht umgesetzt werden.

dk/kle (dpa, rtr)