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"Ohne Einwanderung mehr Arbeitslosigkeit"

Christoph Hasselbach8. September 2015

Wie steht es um den Bildungsstand von Zuwanderern und Flüchtlingen? Verdrängen sie Deutsche auf dem Arbeitsmarkt? Ulf Rinne vom Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit tritt weit verbreiteten Ängsten entgegen.

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Afrikanischer Einwanderer mauert Foto: DW

Deutsche Welle: Herr Rinne, nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes hat fast ein Drittel der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland das Abitur oder die Fachhochschulreife. Das ist ein höherer Anteil als bei denjenigen ohne ausländische Wurzeln. Wie erklären Sie sich das?

Ulf Rinne: Das ist wenig überraschend. Denn man muss sich vergegenwärtigen, dass bislang wenige legale Wege für Einwanderer nach Deutschland offen stehen - und wenn, sind das vor allem Kanäle für Hochqualifizierte.

Außerdem sind viele von ihnen EU-Bürger, die ohnehin hier arbeiten dürfen.

Genau.

Heißt das, es ist für den Arbeitsmarkt unproblematisch, oder gibt es in diesem Bereich zum Beispiel eine Konkurrenz um Arbeitsplätze?

Grundsätzlich gibt es immer eine Konkurrenz um Arbeitsplätze. Das betrifft Einwanderer wie Einheimische. Aber es gibt keine wissenschaftliche Evidenz, dass Einheimische deshalb arbeitslos werden, weil es Zuwanderung gibt. Im Gegenteil, die Arbeitslosigkeit wäre um ein Vielfaches höher, gäbe es keine Einwanderung. Die Annahme, die hinter dieser These (Anm. d. Red.: von einer Verdrängung) steckt, würde ja lauten, dass es eine fixe Zahl an Arbeitsplätzen gäbe, und diese Annahme ist falsch. Vor allem bei qualifizierter Zuwanderung kommt Verdrängung nicht zustande.

Ulf Rinne Foto: privat
Ulf Rinne: Legale Wege in den deutschen Arbeitsmarkt öffnenBild: privat

Es gibt noch eine weitere Zahl, die in eine ganz andere Richtung weist: Wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière in der Wochenzeitung "Zeit" sagte, sind bis zu 20 Prozent der erwachsenen Flüchtlinge, die zu uns kommen, Analphabeten. Das dürfte doch ein großes Problem sein, oder?

Diese Frage erfordert eine sehr differenzierte Betrachtung. Denn bei den Flüchtlingen handelt es sich ja zum größten Teil um Personen, die politisches Asyl beantragen. Aus meiner Sicht gibt es da gar keine Grundlage, diese Personen zu allererst unter ökonomischen Gesichtspunkten zu betrachten oder zu schauen, wie nützlich sie für Deutschland sind. Es steht auf einem anderen Blatt, dass man in einem zweiten Schritt überlegt: Wir bekommen so viele Flüchtlinge, für welche dieser Personen können wir vielleicht außerhalb des Asyls einen legalen Weg nach Deutschland eröffnen?

Wir hatten über eine mögliche Konkurrenz um Arbeitsplätze bei Hochqualifizierten gesprochen. Befürchten Sie denn Konkurrenz im Niedriglohnbereich?

Sicherlich könnte es hier im Einzelfall zu Konkurrenzsituationen kommen. Wenn man allerdings in die Vergangenheit schaut, hat sich gezeigt, dass man im Zuge der EU-Osterweiterung dies im großen Stil nicht beobachten konnte. Das heißt, man muss in dieser neuen Situation wieder genau hinschauen, aber in der Regel ist es so, dass nicht nur Personen im Niedriglohnsektor einwandern, sondern auch Höherqualifizierte und dass diese Höherqualifizierten wiederum zusätzliche Beschäftigung schaffen. Wenn man das aus der Vogelperspektive betrachtet, führt das zu keinen nennenswerten Problemen.

Welche Lösungsvorschläge sehen Sie noch?

Wir sollten uns dringend über ein Einwanderungsgesetz Gedanken machen. Es geht auch darum, Personen mit mittleren Qualifikationen, die auch zunehmend auf dem deutschen Arbeitsmarkt benötigt werden, legale Wege in den deutschen Arbeitsmarkt zu öffnen - auch für Personen unterhalb von akademischen Abschlüssen.

Dr. Ulf Rinne ist Migrationsexperte beim Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit.

Das Gespräch führte Christoph Hasselbach.