Ohne Groll
9. November 2002In Zeiten des Mangels hilft Kreativität oft weiter: Dem staatlichen kubanischen Filminstitut ICAIC mangelt es fraglos an Geld, nicht aber an einer guten, klassenbewussten und sparsamen Idee: Im Frühjahr wurde für den 6. bis 10. November diesen Jahres ein "Festival des armen Kinos" angekündigt. Und ein Filmfestival fíndet dieser Tage nun tatsächlich statt, nur von "armem" Kino mag so recht niemand mehr sprechen: In den Filmpalästen Havannas wird das Oeuvre Steven Spielbergs gezeigt. Der Star ist anwesend, auf Einladung des ICAIC. Und wahrscheinlich war dies noch eine viel bessere Idee - zumindest politisch. Denn so viel positive PR bekam das Castro-Regime schon lange nicht mehr.
Hollywood und der Karibik-Kommunismus
Manchem, dem Kuba nach den Enttäuschungen mit China, Jugoslawien und Erich Honecker noch immer als Festung der politischen Utopie gilt, wird sich beim Gedanken an Spielberg in Havanna gefragt haben, ob Che Guevara sich deswegen wohl seinem Grabe dreht. Spielberg ist doch schließlich ein Synonym für Hollywood - und bedeutet Hollywood gemäß der reinen kommunistischen Lehre nicht verdammenswerten US-amerikanischen Kulturimperialismus?
Doch Hollywood und seine Stars sind auf der kommunistischen Karibikinsel in den letzten Jahren keineswegs seltene Gäste. Oliver Stone dreht auf Kuba gerade einen Dokumentarfilm. Im letzten Jahr führte Kevin Costner Revolutionsführer Fidel Castro in einer Privataudienz seinen Film "Thirteen Days" über die Kubakrise 1962. Die Zigarrenliebhaber Jack Nicholson und Arnold Schwarzenegger gehen, wie zu hören ist, trotz ideologischer Vorbehalte regelmäßig auf Einkaufstour im Cohiba-Paradies.
Warum nicht mit Kuba?
Deretwegen kam Spielberg jedoch nicht nach Havanna. Der Star-Regiesseur ist auch edelstem Rauchwerk meist abhold. Eine Stunde nachdem er stilsicher mit seiner Privatmaschine in Havanna eingeschwebt war, lud er schon zur Pressekonferenz. Nach ein paar höflichen Begrüßungsworten über die Qualitäten des kubanischen Films, war es Zeit das politische Tabu zu knacken: Er, Spielberg, sei dafür, die von den USA vor mehr als 40 Jahren verhängte Blockade gegen den Karibikstaat so bald wie möglich aufzuheben. "Für mich hat es keinen Sinn, dass mein Land Handel mit Nordkorea und China treibt, nicht aber mit Kuba", so der Regisseur. "Ich sehe keinen Grund, dass der alte Groll auch im 21. Jahrhundert ausgetragen wird." Die Gastgeber waren begeistert.
Auf der Suche nach Investoren
Begeistert, wie Spielberg sich während seines gesamten Aufenthaltes zeigte: Er wolle unbedingt auf Kuba drehen, ließ er verlautbaren, und er hoffe beim Besuch der weltbekannten San Antonio de los Banos Filmhochschule ein entsprechend gutes Script zugesteckt zu bekommen. An der vom argentinischen Regie-Altmeister Fernando Birri gegründeten Akademie hofft man hingegen, dass Spielberg seine Beziehungen für den darbenden kubanischen Film spielen lässt. Schließlich ist die kubanische Kinematographie bei einem Kinokartenpreis zwischen 5 und 10 Cent nur durch Finanzspritzen ausländischer Geldgeber am Leben zu halten. Spielberg versprach zu helfen.
"Very Excited"
Den Höhepunkt seines Besuches hatte Spielberg da noch vor sich: Vor seinem Treffen mit dem "Maximo Leader" Fidel Castro war er "very excited", wie Spielberg zugab. Anscheinend aus gutem Grund: Acht Stunden dauerte die nächtliche Audienz des Regiesseurs beim US-amerikanischen Erzfeind. Ob die beiden über Filme, Finanzen oder Weltanschauungen beratschlagt haben, wurde nicht bekannt. Für Spielberg muss die Audienz jedenfalls den Rang einer Offenbarung gehabt haben: Er bezeichnete die Audienz als "die wichtigsten acht Stunden meines Lebens".