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Politik

Ohne Golfstrom wird's bei uns kälter

20. Juli 2017

Verschwindet der Golfstrom? Steigt deswegen der Meeresspiegel? Und wird es dann sehr kalt in Nordeuropa? Deutsche Klimaforscher haben aktuelle Daten über die Warmwasserpumpe im Atlantik zusammengefasst.

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Grönland Eis schmilzt
300 Milliarden Tonnen Verlust an Masse - jedes Jahr: Grönlands Eis. Bild: DW/I. Quaile

Er fehlt in keinem Horrorszenario über die Folgen der Erderwärmung: Der Golfstrom. Also die gigantische Bewegung großer Wassermassen quer durch den Atlantik Richtung Norden und wieder zurück. Oder, wie die renommierte Bremer Ozeanographin Monika Rhein sagt: "Die Hauptkomponente unserer Warmwasserheizung, die dafür sorgt, dass wir hier in Europa ein moderates Klima haben." Was passiert, wenn der Golfstrom schwindet oder gar abreißt, wie manche Umweltschützer warnen? Einig sind sich alle: Eine steigende Erdtemperatur kann den Golfstrom abschwächen, der im ewigen Kreislauf warmes, salziges Wasser nach Norden spült, in gigantischen Massen: Vor Florida etwa führt der Golfstrom etwa 30 mal soviel Wasser, wie alle Flüsse der Erde zusammen.

"Der Golfstrom verschwindet nicht ganz, aber er nimmt ab."

Aber reißt er jetzt ganz ab? Und was bedeutet das für das Klima? Mojib Latif, Klimawissenschaftler aus Kiel, hat zusammen mit Rhein und anderen Experten die wichtigsten Fakten auf gut 30 Seiten zusammengeschrieben. Sein Fazit: "Wenn wir weltweit keinen Klimaschutz betreiben und soviel Treibhausgase ausstoßen wie zur Zeit, dann könnte der Golfstrom bis 2100 um rund 30 Prozent  abnehmen." Der Strom verschwindet also nicht ganz, aber schon seine Reduktion hätte dramatische Folgen. Die Temperatur in Nordeuropa könnte empfindlich sinken. Aber Latif und Rhein geben zu bedenken: Das sind alles nur vage Prognosen. Monika Rhein, die im letzten globalen Report des Weltklimarates (IPCC) vor vier Jahren das Kapitel über die Ozeane mitverfasst hat, sagt: "Wir haben erst seit gut 20 Jahren klare Messmethoden. Um wirklich verlässliche Aussagen zur Änderungen der Zirkulation im Golfstrom zu  treffen, reicht diese Zeit nicht, das System ist sehr komplex." Diese Einschränkung ist beiden Wissenschaftlern wichtig, denn, so Latif: "Wenn ich herumreise und Vorträge zum Klimawandel halte, gibt es oft diese Ansicht bei den Menschen: Der Golfstrom bricht doch komplett zusammen. Das können wir so aber nicht sagen."

Klimaforscher Monika Rhein und Mojib Latif
"Wir wissen nicht, ob der Golfstrom ganz verschwindet". Die Klimaforscher Monika Rhein und Mojib Latif. Bild: DW/J. Thurau
Infografik Karte Golfstrom DEU

Grönland: Verlust an Eismasse dramatisch

Klarer messbar ist dagegen der Verlust an Eismasse in Grönland - mit Folgen auch für den Golfstrom. Seit Beginn der Messungen vor gut 20 Jahren hat Grönland pro Jahr rund 300 Milliarden Tonnen an Eismasse verloren - Wasser, das im Ozean gelandet ist und auch weiter dort landet. Die Forscher gehen davon aus, dass dies den Golfstrom abmildern kann, weil es sich um Süßwasser handelt. Und allein dieses Schmelzwasser kann auch dazu führen, dass in  Nordamerika und an Europas Küsten der Meeresspiegel um 20 Zentimeter ansteigt.

Latif: Depression bei US-Klimaforschern spürbar 

Beide Wissenschaftler sind sich aber sicher: Für den Golfstrom ist es überlebenswichtig, dass die Staaten der Erde die Temperatur unter zwei Grad halten, wie das im Pariser Klimavertrag von 2015 versprochen wird.

Aus diesem Vertrag ist US-Präsident Donald Trump, der wenig vom Klimaschutz hält, in diesem Jahr ausgestiegen. Latif und Rhein stehen im engen Kontakt mit ihren US-Kollegen, die diese Entscheidung entsetzt registriert haben. "Die Depression ist schon spürbar. Gerade in der Meeresforschung sind viele US-Kollegen führend", sagt Latif.

Und Monika Rhein berichtet von einer Konferenz mit Ozeanforschern vor kurzem in New York. Gerade Wissenschaftler im Staatsdienst machten sich große Sorgen, so Rhein, ob sie künftig noch Geld für aufwändige Forschungen bekommen. "Dabei sind ihre Arbeiten oft nicht nur wichtig für den Klimaschutz, sondern auch für den Schutz der amerikanischen Küsten". Es ist indes zweifelhaft, ob ein solches Argument bei Trump Gehör findet.