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Bankenaffäre: Olaf Scholz weiß von nichts

19. August 2022

Welche Kenntnis hatte der Kanzler davon, dass der frühere SPD-Politiker Johannes Kahrs womöglich in Steuerbetrug verwickelt war? Keine, sagt Scholz jetzt vor dem Cum-Ex-Ausschuss in Hamburg.

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Hamburg | Untersuchungsausschuss zum „Cum-Ex“-Skandal - Olaf Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem Untersuchungsausschuss in HamburgBild: Christian Charisius/dpa/picture alliance

Nein, sagt Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft: In der Affäre um die Hamburger Warburg-Bank habe er sich nichts zu Schulden kommen lassen. An Details der Gespräche mit der Geschäftsführung der Bank im Jahr 2016, damals noch als Hamburger Bürgermeister, könne er sich nicht mehr erinnern. Scholz wörtlich: "Ich habe auf das Steuerverfahren Warburg keinen Einfluss genommen. Es findet sich nirgends auch nur der kleinste Hinweis darauf, dass ich eine Zusage gemacht hätte.“

"Mutmaßungen und Unterstellungen müssen aufhören" 

Und schon gar nicht habe er seine politischen Kontakte spielen lassen, um der Bank eine fällige Steuernachzahlung von 47 Millionen Euro zu erlassen. Seelenruhig wie immer beantwortet der deutsche Regierungschef die Fragen der Abgeordneten des Hamburger Stadtparlaments, von denen einige den Rücktritt des Kanzlers fordern. Und seine Aussage gipfelt in dem Satz: "Ich hege die leise Hoffnung, dass Mutmaßungen und Unterstellungen aufhören. Sie entbehren jeder Grundlage."

Rückendeckung vom Finanzminister 

Noch vor der mit Spannung erwarteten Zeugen-Aussage erhielt Scholz überraschende Rückendeckung: Finanzminister Christian Lindner von der FDP sagte am Freitag der "Rheinischen Post": "Ich habe Olaf Scholz zu jedem Zeitpunkt – ob in der Opposition oder jetzt in der Regierung - als integre Person wahrgenommen und es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln."

Ein früherer SPD-Politiker und ein Bankschließfach

Alles nur eine aufgebauschte Affäre? Die Geschichte, um die es geht, klingt wie ein spannender Finanz-Betrugsthriller: Sie handelt von dubiosen Aktionen von Banken und Aktionären, offenbar mit dem Ziel, Steuern zu hinterziehen. Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs aus Hamburg könnte eine Schlüsselfigur sein.

Johannes Kahrs - ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter
Johannes Kahrs: Woher stammen rund 218.000 Euro in seinem Bank-Schließfach?Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Brisanz hat die Geschichte rund um die Hamburger Bank erhalten, weil - so berichten es mehrere Medien - bei Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln in einem Bankschließfach satte 218.000 Euro gefunden wurden. Und dieses Schließfach gehört dem früheren SPD-Politiker Kahrs. Gegen ihn, der 2020 aus dem Bundestag ausgeschieden ist, wird wegen Begünstigung ermittelt. Und zwar im Zusammenhang mit hoch umstrittenen "Cum-Ex"-Geschäften eben der Warburg-Bank aus Hamburg. Hat Kahrs sich dafür eingesetzt, dass die Bank keine Steuern nachzahlen musste, nachdem der Betrug aufflog? Hat er dafür das Geld kassiert? Und was wusste Kanzler Scholz, von 2011 bis 2018 Bürgermeister in Hamburg, von dem Geld?

"Cum-Ex" -Transaktionen 

Was genau sind "Cum-Ex"- Geschäfte? Der Bundesgerichtshof hat sie in einem wichtigen Urteil vom 28. Juli 2021 als strafbar eingestuft. "Cum" steht grobgesagt für "mit dabei" und "Ex" für "raus". Normalerweise schütten Unternehmen einmal im Jahr Dividenden an ihre Aktionäre aus. Diese müssen dann darauf eine Steuer von rund 25 Prozent zahlen. Aber die Beteiligten bei "Cum-Ex" - die Banken und einige Aktionäre - schoben die Aktien innerhalb kürzester Zeit so häufig hin und her, wechselten also so oft den Besitzer, dass teilweise die dafür anfällige Steuer wiedererstattet wurde.

Bundesgerichtshof überprüft Strafurteil zu «Cum-Ex»-Deals
Der Bundesgerichtshof urteilte im Juli 2021: "Cum-Ex"-Geschäfte sind illegalBild: Christoph Schmidt/dpa/picture alliance

So raffiniert war der Betrug, dass die Finanzbehörden den Überblick verloren und teilweise Beträge gleich mehrfach erstatteten. Der frühere Bundestagsabgeordnete der Linken, Fabio de Masi, bemühte jetzt in einem Beitrag für die "Berliner Zeitung" diesen plastischen Vergleich: "Es ist wie eine Pfandflasche im Supermarkt abgeben, dann den Pfand-Bon kopieren und an der Supermarkt-Kasse abkassieren. " Also ein weiteres Mal Geld einstreichen. 

Bundesweit wird mittlerweile gegen eine ganze Reihe von Banken wegen solcher Praktiken ermittelt. Aber der Fall der Warburg-Bank in Hamburg ist besonders brisant. Denn auf Vermittlung des umtriebigen Johannes Kahrs traf sich Scholz als Hamburger Bürgermeister 2016 tatsächlich mit den Gesellschaftern der Bank. Zu diesem Zeitpunkt wurde gegen die Verantwortlichen des Geldinstituts bereits ermittelt. Dazu sagte Scholz nun lapidar, als Bürgermeister, also als Ministerpräsident des Stadtstaates Hamburg, habe es sehr viele Kontakte und Gespräche mit Geschäftsleuten und Bankvertretern unterhalten, an die er im Detail keine Erinnerung mehr habe.

Hamburg verzichtete auf die Steuerforderung 

Klar ist aber auch: Kurz nach dem Treffen mit den Warburg-Bankern verzichtete die Stadt Hamburg auf eine Rückforderung der Bank in Höhe von 47 Millionen Euro. Im Jahr darauf, 2017, handelte der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ganz anders: Er wies die Stadt Hamburg an, weitere 43 Millionen Euro von der Bank zurückzufordern. Ein äußerst ungewöhnlicher Vorgang in den Finanzbeziehungen von Bund und Ländern. 

Symbolbild I CUM EX Der Hauptsitz der Privatbank M.M.Warburg & CO
Der Hauptsitz der Warburg-Bank in der Hamburger InnenstadtBild: Hanno Bode/imago images

Der Bundeskanzler wurde bereits vor seiner jetzigen Zeugenaussage in Hamburg während seiner Sommer-Pressekonferenz in Berlin vor einigen Tagen zu der Affäre befragt. Sichtlich genervt führte er dort aus: "Das ist jetzt seit zweieinhalb Jahren ein Thema. Für Journalisten, für alle möglichen, die an dem Thema arbeiten." Und weiter: "Es sind unglaublich viele Personen gehört worden, es sind unglaublich viele Akten studiert worden. Und wenn man jetzt die Presseberichterstattung über die jeweiligen Anhörungen verfolgt, dann ist immer das Ergebnis: Es hat keine Beeinflussung durch die Politik gegeben, was die Entscheidungen betrifft. Ich bin sicher, dass diese Erkenntnis nicht mehr verändert werden wird. Nach zweieinhalb Jahren ist das ganz klar."

Kontakte zu Kahrs seien "ewig her"

Weder wisse er etwas von dem hohen Geldbetrag im Schließfach von Kahrs, noch habe er Kontakt zu dem früheren SPD-Politiker. Das letzte Gespräch sei "ewig her", so Scholz. Tatsächlich gibt es auch von der zuständigen Staatsanwaltschaft keinerlei Auskunft darüber, ob der hohe Betrag im Schließfach von Kahrs im Zusammenhang mit den "Cum-Ex"-Geschäften steht. Auch wenn die Vermutung naheliegt, dass das so ist.

Staatsanwaltschaft schaut auch in Emails von Scholz

Für den heutigen Bundeskanzler könnte die Affäre dennoch ungemütlich werden. In Hamburg, berichteten nun Zeitungen, habe sich die Staatsanwaltschaft sogar Zugriff auf ein E-Mail-Konto von Scholz aus seiner Zeit als Bürgermeister der Hansestadt verschafft. Dazu sagte der Sprecher des Bundeskanzlers, Steffen Hebestreit: "Davon ist mir nichts bekannt. Und es gibt auch nichts zu verbergen." Und ganz aktuell stellte die Hamburger Generalstaatsanwaltschaft noch einmal klar, dass gegen Scholz selbst nicht ermittelt werde. Aber die Opposition in Berlin macht Druck: "Ich muss es leider so deutlich sagen: Ich glaube dem Kanzler kein Wort", sagte CDU-Chef Friedrich Merz dem "Handelsblatt". Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch attestierte dem Kanzler "fragwürdiger Erinnerungslücken.“ Gut möglich, dass die undurchsichtige Affäre den deutschen Kanzler weiterhin beschäftigen wird.  

Der Milliardenraub