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Debatte um Kinderlied-Parodie eskaliert

Sven Töniges
31. Dezember 2019

Die Parodie eines Kinder-Spaßliedes hält Deutschland in Atem: Der Refrain "Meine Oma ist 'ne alte Umweltsau" trifft offenbar einen gesellschaftlichen Nerv. Nun eskaliert der Streit auch außerhalb des Netzes.

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Symbolbild WDR löscht Satire mit Kinderchor
Der Casus Belli: Im Lied eines Kinderchors hatte es geheißen: "Meine Oma ist 'ne alte Umweltsau"Bild: picture-alliance/dpa/M. Schutt

Es muss ungefähr 1979 gewesen sein, als meine Kindergartengruppe einen Stuhlkreis bildete, um "Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad" zu schmettern. In der damals populären Fassung mündete der Kinderlied-Klassiker in dem Refrain "Meine Oma ist 'ne ganz patente Frau".

Die Bedeutung von "patent" kannten vermutlich die wenigsten von uns. Auch nicht den Bericht des Club of Rome, der wenige Jahre zuvor erschienen war und bald Motorradfahren und überhaupt alle Verbrennungsmotoren in schiefes Licht rücken sollte. Aber so gar nicht konnten wir im Stuhlkreis ahnen, dass eine Parodie des Lieds knapp 40 Jahre später wie eine Bombe ins nachweihnachtliche Wohnzimmer einschlagen und für Debatten sorgen würde: bei uns in der Familie und in der ganzen Republik.

Wieder werden die Omas adressiert, doch stabreimt der Refrain nun die Oma von der "patenten Frau" zur "Umweltsau". Die eigenen Kinder, Neu-Vegetarier und Braunkohleprotest-erprobt, freuen sich diebisch, Oma ist irritiert und beim Diesel-fahrenden Opa macht sich der nach einem Jahr lebhafter Klimadebatte aufgestaute Frust bemerkbar. 

Der Klimastreit als epochaler Generationenkonflikt

So weit das paradigmatische Setting für Deutschland an der Schwelle zum Jahr 2020, in dem sich der Streit ums Klima noch deutlicher als Generationenkonflikt erweisen könnte. Mithin hat der öffentlich-rechtliche ARD-Sender Westdeutscher Rundfunk (WDR) einen politisch hochsensiblen Nerv getroffen, als er am Freitag nach Weihnachten auf einem seiner Facebook-Kanäle ein Video veröffentlichte, in dem der Kinderchor des Senders eine Parodie des Kinderlied-Klassikers darbot.

Darin wird Omas Motorradfahren in Benzinverbrauch umgerechnet und ihr Billigfleischkonsum und Kreuzfahrt-Urlaube angekreidet. Das Ganze endet mit dem Greta-Thunberg-Zitat "We will not let you get away with this" (zu Deutsch: Wir werden euch damit nicht davonkommen lassen).

Doch war es vor allem der Refrain "Meine Oma ist 'ne alte Umweltsau", der einen Shitstorm von bald 40.000 Kommentaren entfachte, obwohl der WDR das Video noch am gleichen Abend von seiner Seite nahm. Die im Netz teils derb geführte Debatte dauert indes an, so auf Twitter unter dem Hashtag #Omagate. 

Tom Buhrow, Intendant des WDR, bezeichnete das Lied als "Fehler" und bat öffentlich um Entschuldigung. Da hatten bereits ranghohe Politiker dezidiert Kritik an dem Video geäußert. Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, moniert fehlenden Respekt vor den Älteren. Einer der Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, fühlt sich an die DDR erinnert und spricht davon, der Chor sei dazu missbraucht worden, "Umerziehung zu betreiben". Dagegen zeigt sich der Leiter des WDR-Chors überrascht von der massiven Kritik an dem Lied und unterstreicht dessen satirischen Charakter. Die Oma im Lied seien "wir alle".

WDR bietet Mitarbeitern Personenschutz an

Unterdessen protestierten Dutzende Menschen vor dem Sitz des Senders in Köln unter dem Motto "Meine Oma ist keine Umweltsau". Der Polizei zufolge gehörten einige Demonstranten augenscheinlich zur rechten Szene. Nun wurden in der Sache verschiedene Beleidigungen mit Morddrohungen gegen WDR-Journalisten bekannt. Der Sender hat den betroffenen Mitarbeitern Personenschutz angeboten.

Irgendwann wird sich die Aufregung vermutlich wieder legen, doch die Debatte, innerhalb der Familien und zwischen den Genrationen dürfte noch eine Weile andauern. Etwa wenn der vom Anti-Braunkohle-Aktivismus inspirierte Enkel in Opas SUV-Diesel quer durch ein Deutschland gefahren wird, in dem der Umweltsau-Song-Skandal noch hörbar nachhallt.