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Politik

DDR-Opfer kämpfen um ihr Recht

4. November 2017

Etwa 200.000 Menschen saßen in der DDR aus politischen Gründen in Haft. Seit 25 Jahren können sie Entschädigungen beantragen und die Urteile gegen sie aufheben lassen. Doch bald läuft eine wichtige Frist aus.

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Gefängnisgang Gefängnis Symbolbild
Bild: NovoPicsDE - Fotolia.com

Berlin, November 1989. Die Mauer ist erst vor wenigen Tagen gefallen, da macht sich Dieter Dombrowski aus dem Westen der Stadt  in den Ostteil auf. Der ehemalige DDR-Bürger geht schnurstracks zum Justizministerium der untergehenden Republik, keine 400 Meter hinter dem Brandenburger Tor. "Dort habe ich beim Pförtner gemeldet und gesagt, ich möchte meine strafrechtliche Rehabilitierung beantragen", erzählt Dombrowski im Gespräch mit der DW. "Der hat mich natürlich dumm angeguckt, und ich musste unverrichteter Dinge wieder abziehen."

Das Gerichtsurteil, das Dombrowski für Unrecht erklären lassen möchte, stammt aus dem Jahr 1974. Damals hatte ihn das Bezirksgericht in Schwerin wegen "ungesetzlichen Grenzübertritts" und "staatsfeindlicher Verbindungsaufnahme" zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Dombrowski wird zum politischen Gefangenen der DDR, verbüßt 20 Monate Haft, hauptsächlich im Stasi-Gefängnis Cottbus. Später kauft ihn die Bundesrepublik frei, und er lebt in West-Berlin.

Erleichterung schwarz auf weiß

Gut drei Jahre nach Dombrowskis erfolglosem Rehabilitations-Versuch, am 4. November 1992, tritt das Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht im nun wiedervereinigten Deutschland in Kraft. Er und etwa 200.000 andere ehemalige politische Häftlinge der DDR können nun beantragen, dass ihre Urteile aufgehoben werden. Dombrowski hält das entsprechende Schreiben aus Schwerin im Jahr 1994 in Händen.

Deutschland 26. Jahrestag des Mauerfalls in Berlin
Dieter Dombrowski an der Gedenkstätte Berliner MauerBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

"Da habe ich endlich schwarz auf weiß gehabt, dass ich zu Unrecht angeklagt  und verurteilt wurde", sagt er. "Das ist ein Stück Erleichterung. Auch wenn man natürlich weiß, dass man nichts verbrochen hatte: Man war schuldig gesprochen worden. Und deshalb war die Rehabilitierung durch ein Gerichtsurteil für mich so wichtig."

Verfolgt und abgestürzt

Zwar könne entstandener Schaden nicht wieder gut gemacht werden, so Dombrowski, aber seine Zeit mit 27 anderen Gefangenen auf 40 Quadratmetern, die Kaltwaschbecken, die Schikane durch Gefängniswärter wurde zumindest als Unrecht anerkannt. Anspruch auf eine so genannte Opferrente von 300 Euro monatlich hat Dombrowski nicht. Die steht nur ehemaligen Häftlingen mit einem Einkommen von weniger als 1035 Euro monatlich zu, zur Zeit etwa 40.000 Menschen. Dombrowski, heute Landtagsabgeordneter der CDU in Brandenburg, verdient weit mehr.

Cottbus, Gedenkstätte Gefängnis
Zuchthaus Cottbus: Hinter diesen Gittern saß Dieter Dombroswki als politischer GefangenerBild: picture-alliance/A.Franke

"Aber das ist natürlich nicht die Regel", sagt Dombrowski. "Viele politisch Verfolgte sind in ihrer beruflichen Entwicklung völlig eingeschränkt worden, sind abgestürzt und haben nie wieder richtig Fuß fassen können." Als Vorsitzender der "Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft" (UOKG) setzt er sich für Menschen mit ähnlichem Schicksal ein.

Ein harter Weg

Wer sich bei der UOKG beraten lassen möchte, landet bei Benjamin Baumgart. Auch 28 Jahre nach dem Fall der Mauer melden sich regelmäßig ehemalige Häftlinge bei dem Juristen. "Viele Menschen fangen erst an, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten, wenn sie in Rente kommen", sagt Baumgart der DW. "Sie haben gearbeitet, ihre Kinder großgezogen, und irgendwann kommt der Punkt, wo es Klick macht. Dann kommt alles wieder hoch und dann sind manche plötzlich psychisch krank."

Ist die Krankheit Folge der Haft, dann haben Opfer der DDR-Justiz auch Anspruch auf eine Entschädigung. "Aber das ist ein harter Weg", so Baumgart. "Da werden sie bestellt zum Gutachten in kleinen Räumen, und dann herrscht oft Verhör-Atmosphäre. Das kann re-traumatisieren." Manchmal dauerte es zehn Jahre, bis ein Antrag durch sei. "Da haben einige wirklich Angst, diese Strapazen durchzugehen. Es gibt Licht und Schatten im Umgang mit den DDR-Opfern."

Eine Frist und ein Denkmal

Auch Dieter Dombrowski sagt, dass er mit den psychischen Folgen seiner Haft zu kämpfen habe. Für sich und alle anderen Opfer von DDR-Unrecht fordert er ein zentrales Denkmal. "Damit hätte man das Gefühl: 'An mich wird hier gedacht, auch wenn mein Schaden nicht wieder gut gemacht ist. Hier kann ich hingehen und hier erinnert man sich an mein Schicksal.'"

Öffentliche Würdigung, gesellschaftliche Anerkennung der Opfer: Das ist es, was Dombrowski am wichtigsten ist. Als nächstes möchte er sich dafür einsetzen, dass der Bundestag sich möglichst bald wieder mit dem 25 Jahre alten Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht auseinandersetzt. Tut er das nicht, dann können Ansprüche aus politischer Verfolgung in der DDR nur noch bis Ende 2019 geltend gemacht werden.