Opus Klassik im Zeichen Coronas
16. Oktober 2020Wenn die Blockflötistin Dorothee Oberlinger bei der Verleihung desOpus Klassik die Gelegenheit bekommt, ein paar Worte an das Publikum zu richten, dann möchte sie auf die brenzlige Lage der freischaffenden Musiker und der Kulturinstitutionen hinweisen und dringend an die Politik appellieren, in der Corona-Krise Hilfe zu leisten. Dorothee Oberlinger bekommt den Opus Klassik als beste Instrumentalistin des Jahres, sowie auch die Stargeigerin Anne-Sophie Mutter und die Pianistin Elisabeth Leonskaja.
"Preise sind so wie unerwartete Geschenke, sie erfreuen einen und sind in dieser recht betrüblichen Zeit zumindest ein kleiner Lichtblick", sagt Oberlinger gegenüber der DW. "Ich fühle mich in der Verantwortung über die derzeitige Situation meiner Zunft zu sprechen, und dafür kann der Opus Klassik ein wichtiges öffentliches Forum sein", sagt Oberlinger.
Opus Klassik mit Staraufgebot
Zu den bekannten Namen der diesjährigen Preisträger gehört neben Stargeigerin Anne-Sophie Mutter, die den Preis für ihre Einspielungen der Filmmusiken von John Williams erhält, auch der weltberühmte Tenor Jonas Kaufmann in der Kategorie "Klassik ohne Grenzen für sein Album "Wien". Dirigentin des Jahres ist Mirga Gražinytė-Tyla aus Litauen und Komponist des Jahres Detlev Glanert, einer der meistgespielten lebenden Opernkomponisten. Daniel Behle wird in der anstehenden Gala zum "Sänger des Jahres" gekürt und als "Sängerinnen des Jahres" teilen sich die lettische Mezzosopranistin Elīna Garanča und Sopranistin Marlis Petersen den Preis.
Der Opus Klassik wurde erstmals 2018 für "außerordentliche musikalische Leistungen" verliehen, nachdem der Vorgängerpreis "Echo" wegen eines Antisemitismusskandals abgeschafft worden war. Aus Protest gegen die Nominierung der Rapper Kollegah und Farid Bang, deren Texte als antisemitisch, gewaltverherrlichend und frauenfeindlich gelten, gaben zahlreiche Musiker aller Sparten ihre Auszeichnungen zurück. Ausrichter des Opus Klassik ist der neugegründete Verein zur Förderung der Klassischen Musik e.V. mit Jurymitgliedern aus der Musik- und Medienbranche. Der bedeutende deutsche Klassikpreis wird in diesem Jahr an 47 Künstler in 25 Kategorien vergeben.
Die Opus-Gala als Bühne des Protestes
Der Pianist Igor Levithatte 2018 als einer der ersten seinen 2014 erhaltenen Echo zurückgegeben. Als ihm im vergangenen Jahr dann der Opus Klassik als bester Instrumentalist des Jahres verliehen wurde, nutzte er die Bühne, um an die Opfer zu erinnern, die bei einem rechtsradikalen Terroranschlag in Halle ums Leben gekommen waren. "Ich widme meinen Preis all denen, die seit Jahren still oder laut gegen Rechtsextremismus, gegen Antisemitismus, gegen Islamophobie und gegen Antifeminismus kämpfen. All diese Begriffe eint die absolute Menschenverachtung", sagte er bei der großen Gala im Berliner Konzerthaus. Auch andere Künstler äußerten sich 2019 in ihren Dankesreden gegen Rassismus und Ausgrenzung.
In diesem Jahr erhält der sozial engagierte Pianist Igor Levit den einzigen Opus-Preis, der nicht von der Jury vergeben wird, sondern rein auf Verkaufszahlen beruht. Im Beethoven Jubiläumsjahr waren Igor Levits Einspielungen aller Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven ein Verkaufsschlager. Am Wochenende erhält er deshalb den Opus Klassik als "Bestseller des Jahres".
Darüber hinaus wurde Igor Levit im September mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Während des Corona Lockdowns hatte der Pianist täglich ein Hauskonzert im Internet gestreamt. Damit habe er "einem stetig wachsenden Publikum etwas Struktur gegeben", sagte Bundepräsident Frank-Walter Steinmeier und ehrte ihn für seinen Einsatz gegen Corona.
Opus-Gala trotz Corona
Bei steigenden Corona-Zahlen sind - wie schon im März - besonders Künstler und Veranstalter betroffen, da Großveranstaltungen und Konzerte als erstes eingeschränkt werden. Das zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) wird die Preisvergabe dennoch im Rahmen einer Gala mit Publikum gestalten, mit entsprechendem Hygienekonzept und weniger Zuschauern.
Statt der sonst rund 1500 Gäste sind nur 250 Personen im großen Konzertsaal des Berliner Konzerthauses zugelassen. Die Maßnahmen werden bis zum großen Gala-Abend am 18. Oktober laufend angepasst.
Jonas Kaufmann will bei dem Abend auf jeden Fall dabei sein. "Es gibt sehr, sehr viele Kollegen in den verschiedenen Bereichen, die wie ich über Monate unter diesem quasi-erzwungenen Berufsverbot gelitten haben, und die noch weiter darunter leiden", erzählt der weltweit gefragte Tenor im Interview mit der Deutschen Welle. Viele Opernkollegen würden sich aus dieser Krise nicht mehr erholen, weil sie bereits bankrott seien, darunter auch "Glanzlichter des Opernbetriebs", wie er sagt. "Wenn diese Kunstform nun wegen so eines Virus quasi gänzlich verschwinden sollte, das wäre wirklich furchtbar."
Corona Sonderpreis beim Opus-Klassik
Das Thema Musik in Corona-Zeiten haben die Ausrichter des Opus Klassik aus diesem Grund mit einem Corona-Sonderpreis bedacht, der als Publikumspreis vergeben wird. Die User konnten Online unter sechs Projekten auswählen. Zur Auswahl standen unter anderem ein viraler Bodypercussion-Workshop für zu Hause, entwickelt von dem Österreichischen Schlagzeuger Martin Grubinger, sowie die "Geisterkonzerte" der Berliner Philharmoniker. Auch der Live-Stream der Johannespassion unter der Federführung von Bachfest-Intendant Michael Maul und Steven Walter vom Podium Esslingen war nominiert. Der Stream zum Mitsingen erreichte am Karfreitag 500.000 User in aller Welt.
Das Publikum hat sich allerdings für das Projekt "#zusammenSINGENwirSTÄRKER" entschieden. Unter anderem die Deutsche Chorjugend hatte im Internet zu Aufnahmen eines eigens komponierten Liedes aufgerufen und die Videoclips zum größten virtuellen Chor Deutschlands zusammengefügt.
Jubiläum Beethoven 250
Über einen "Sonderpreis Beethoven 250" kann sich das Beethoven Orchester Bonn unter Dirk Kaftan freuen. Mit der Einspielung von Ludwig van Beethovens Egmont Schauspielmusik hatte das Orchester die Jury im Beethoven Jubiläumsjahr überzeugt.
Um Ludwig van Beethoven geht es auch bei der Preisvergabe an den österreichischen Pianisten Rudolf Buchbinder für sein Lebenswerk. So hat der 73-Jährige in seinem Berufsleben über 60 mal Beethovens Klaviersonaten weltweit zyklisch aufgeführt und dabei seine Interpretation immer weiter entwickelt, hieß es in der Begründung.
Die Verleihung der Opus-Klassik-Preise wird am Wochenende vom Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) übertragen.