Mangelware Organe
13. Dezember 2006Bundesweit warten 12.000 Menschen auf Lebensretter. Allerdings sind Organe knapp und täglich sterben drei Menschen von der Warteliste. Ein Organspender kann nicht nur einen, sondern sogar bis zu fünf anderen Menschen ein neues Leben schenken. Trotz dieser Erkenntnisse ist die Hemmschwelle bei vielen Deutschen groß, nach dem Tod Organe zu spenden. Im vorigen Jahr wurde nur etwa ein Drittel der lebensnotwendigen Organe gespendet.
Burkhardt Topp vom Bundesverband der Transplantierten sieht für diese Zurückhaltung mehrere Gründe: "Ich denke, dass nach wie vor alles, was mit Tod und Sterben zusammenhängt, in Deutschland ein Tabuthema ist. Und dazu gehört natürlich erst recht die Organspende. Zum anderen gibt es immer wieder Berichte, die durch die Medien geistern, von Organhandel und Organraub."
Zustimmungslösung oder Widerspruchslösung?
Lange wurde in Deutschland gestritten, wann ein Mensch tot ist. Sollte der - manchmal schwer zu definierende - Zeitpunkt des Hirntods gelten? Dagegen wehren sich noch heute Vertreter der Kirchen und Organspende-Kritiker. Oder sollte erst der - klar zu definierende - Zeitpunkt gelten, wenn auch das Herz versagt, also der Herztod?
Mittlerweile steht im Gesetz festgeschrieben, dass im Falle des Hirntodes transplantiert werden kann, wenn ein Spenderausweis vorhanden ist. Allerdings besitzen ihn nur etwa zwölf Prozent der Deutschen. Dann gilt noch die "erweiterte Zustimmungslösung". Das heißt, wenn der Verstorbene keinen Spenderausweis hinterlässt, überlegen die nächsten Angehörigen, was der mutmaßliche Wunsch gewesen sein könnte. "Das Schwierige daran ist, dass in der Familie das Thema zu wenig besprochen wird", erläutert Burhhardt Topp. Die Unsicherheit führe zur einer sehr hohen Ablehnungsrate.
Deutschland, mit 15 Spendern auf eine Million Einwohner, nimmt den fünften Platz in Europa ein. Das Vorzeigeland ist Spanien mit 35 Spendern pro Million, gefolgt von Belgien und Österreich. In diesen Ländern gilt die "Widerspruchslösung", das heißt, jeder Bürger ist ein Organspender, wenn er sich nicht schriftlich dagegen geäußert hat. Diese Lösung würde sich Professor Christoph Broelsch von der Klinik für Allgemeine und Transplantations-Chirurgie des Universitätsklinikums Essen auch in Deutschland wünschen. "Es gibt keine praktische Lösung. Auch eine Gesetzesänderung würde nur einen Teil des Problems lösen. Trotzdem plädiere ich dafür, dass man eine Widerspruchslösung in Deutschland einführen sollte."
Wettlauf mit dem Tod
An der niedrigen Zahl der Organspender in Deutschland sind nicht nur die mangelnde Aufklärung und die Gesetze schuld. Auch die Kliniken tragen viel dazu bei. Nach Angaben der Transplantationsgesellschaft werden auf den Intensivstationen jährlich rund 4000 Menschen für hirntot erklärt, aber nicht einmal die Hälfte wird für die Organspende weiter gemeldet. Dafür gibt es viele Gründe: Arbeitsüberlastung, mangelnde Fachkenntnisse der Ärzte und Schwestern oder Personalknappheit.
Diese nicht besonders vorteilhaften Umstände führen zu einem gnadenlosen Wettlauf mit dem Tod, erklärt Professor Broelsch: "Wir haben allein hier in Essen etwa 200 Patienten, die auf eine Leber warten. Und wir stellen zurzeit fest, dass etwa 40 Prozent der Patienten, die auf eine Leber warten, vor der Organtransplantation versterben. Das ist die Realität in Deutschland."