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Ostkongo: Zwischen Hunger im Lager und Gefahr in den Dörfern

Martina Schwikowski
25. September 2024

Viele Menschen in den Konfliktgebieten im Osten der DR Kongo wissen nicht wohin: In ihren Dörfern wird weiter gekämpft. In den überfüllten Flüchtlingslagern mangelt es an Nahrung - und dort grassiert die Mpox-Epidemie.

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Ost-Kongo Flucht und Vertreibung nach Kämpfen mit Rebellen
Prekäre Zustände in den Lagern: Tausende Binnenvertriebene kehren aus Not und Lebensmittelmangel in ihre Dörfer zurückBild: Zanem Nety Zaidi/Xinhua/IMAGO

In den Konfliktgebieten im Osten der Demokratischen Republik Kongo müssen Binnenvertriebene ständig schwere Entscheidungen treffen. Die DW hat mit mehreren Menschen gesprochen, die nicht mehr länger in den überfüllten Flüchtlingslagern am Rand der Millionenstadt Goma leben wollen. "Wir haben sehr gelitten und hatten zu wenig Nahrung", sagte ein Mann, der ein Jahr in einem der Camps lebte, der DW. Zum Schutz vor möglichen Repressalien wurden alle Betroffenen anonym interviewt. Der Mann erzählte von regelmäßigen Plünderungen, die sie bewogen hätten, zurück in ihr Dorf zu gehen. 

"Es gibt sehr viele Rückkehrer, weil die Schwierigkeiten in den Lagern zugenommen haben", sagt ein anderer Mann im DW-Gespräch. "Sie haben entschieden, nach Hause zurückzukehren, selbst wenn das den Tod bedeutet, und sich auf ihren Feldern selbst zu ernähren. Sie stürzen sich selbst ins Feuer." Denn auf dem Land gibt es keinerlei humanitäre Hilfe, während die Sicherheitslage prekärer kaum sein könnte.

Der Kongo kommt nicht nur Ruhe

An der Grenze zu Ruanda im Ostkongo kämpft die kongolesische Armee unter anderem gegen Rebellen der sogenannten M23 - und das ist nur eine von weit über 100 bewaffneten Gruppen im Osten des Landes. Die DR Kongo, die Vereinten Nationen und westliche Länder beschuldigen Ruanda seit Jahren, die M23-Rebellen (Bewegung 23. März) zu unterstützen, um die lukrativen Bodenschätze der Region zu kontrollieren. Kigali bestreitet diese Vorwürfe.

Ein Demonstrant hält ein gelbes Plakat hoch mit der Aufschrift: Ruanda tötet. Im Hintergrund eine Straße mit Autos in Goma
Demonstranten in Goma werfen Ruanda militärische Unterstützung für den Kampf der Rebellen im Kongo vorBild: GUERCHOM NDEBO/AFP

Der schon Jahre andauernde Konflikt hat zu einer der schlimmsten humanitären Krisen der Welt geführt: Laut UN-Flüchtlingshilfe gelten zur Zeit mehr als 7,1 Millionen Menschen als Binnenvertriebene. 25 Millionen Menschen im Land fehlt es an Lebensmitteln; Unterernährung ist ein akutes Problem.

Die drei Krisen-Provinzen Ituri sowie Nord- und Südkivu wiesen die höchste Zahl von Binnenvertriebenen in Afrika auf, sagt Alex Vines, Afrika-Programmleiter der Londoner Denkfabrik Chatham House zur DW: "Es handelt sich um eine schwere Krise, die internationale Unterstützung erfordert." Die Weltgemeinschaft stehe jedoch dem unvorstellbaren Leid im Ostkongo weitgehend gleichgültig gegenüber, so Vines.

Hoffnung auf Frieden

In den vergangenen Wochen keimten allerdings Hoffnungen auf ein Ende der Gewaltspirale auf: Am 4. August 2024 sind Waffenstillstandsvereinbarungen zwischen der DR Kongo und Ruanda in Kraft getreten. Mitte September haben sich Vertreter beider Seiten unter Vermittlung Angolas in Luanda getroffen. Das Ziel ist ein Friedensabkommen, das den Konflikt im Osten der DR Kongo beenden soll. Doch die Waffenruhe hält derzeit nicht, sagt Vines.

M23 Rebellen in DRC in Militäruniform auf der Ladefläche eines Militärfahrzeuges im Busch
Kämpfe der M23-Rebellen gegen die Regierung im Osten Kongos flammten im März 2022 auf und halten anBild: Moses Sawasawa/AP Photo/File/picture alliance

So kam es in dieser Woche erneut zu einem Milizangriff, bei dem laut Medienberichten mehr als ein Dutzend Dorfbewohner im Nordosten des Kongo getötet worden sind: Rebellen der früheren Landwirtschafts-Genossenschaft "Kooperative für die Entwicklung des Kongo" (CODECO) töteten mindestens 20 Menschen mit Schusswaffen und Macheten in Fataki, einem Dorf in der Provinz Ituri, sagte der Ortsvorsteher Jean-Marie Makpela der Nachrichtenagentur Associated Press.

Nach dem brutalen Überfall appellierte auch der Koordinator der Zivilgesellschaft in der Region, Dieudonné Lossa, an die Behörden in Ituri, dieser "wiederholten Tragödie" ein Ende zu setzen.

Die Spannungen im Ostkongo flammten erneut im März 2022 auf, als die Rebellen nach einem Jahrzehnt relativer Ruhe Stellungen der kongolesischen Armee in der Nähe der Grenze zwischen Uganda und Ruanda angriffen und die Einheimischen in die Flucht trieben.

Flüchtlingsfrauen in bunter Kleidung mit ihren Kinder in einem Notlager
Der gewaltsame Konflikt zwischen Milizen und der kongolesischen Armee hat Millionen Menschen vertriebenBild: Edith Kimani/DW

Eine 43-Jährige berichtete der DW von ihrer viermonatigen Odyssee. Gemeinsam mit ihren vier Kindern ist sie schlussendlich wieder in ihrem Heimatdorf gelandet, das von der M23-Miliz kontrolliert wird: "Es war ein Leben voller extremer Schmerzen. Wir schliefen in Kirchen. Seit unserer Rückkehr sind wir jede Nacht Überfällen ausgesetzt. Wir leben in ständiger Angst und sind total verunsichert."

Viele Flüchtlinge berichten von ähnlichen Erfahrungen. In den Vertriebenenlagern sei wegen der Armut kein würdiges Leben möglich, sagt ein Betroffener. "Daher beschlossen wir, nach Hause zurückzukehren. Aber auch hier kämpfen die Rebellen, sogar auf unseren Feldern."

Mpox-Epidemie hält an

Die Lage in Nord-Kivu ist nach wie vor kritisch. Während die Konflikte anhalten und sich die Lager leeren, sind Tausende Familien zwischen Krieg und Elend gefangen. Zudem ist der Kampf gegen die Infektionskrankheit Mpox in vollem Gange - die Demokratische Republik Kongo ist das Epizentrum der aktuellen Epidemie. Auch in Flüchtlingslagern sind bereits Infektionsfälle aufgetreten.

In einem Gesundheitszentrum hält eine Mutter ihr Baby: Sie bringt medizinische Salbe auf die Haut ihres Kindes auf
Von der Mpox-Epidemie sind in der Region um Goma Tausende betroffenBild: Arlette Bashizi/REUTERS

21.000 der seit Jahresbeginn mehr als 25.000 bestätigten und vermuteten Fälle des aktuellen Mpox-Ausbruchs entfallen auf den Kongo - so die aktuellen Zahlen der Weltgesundheitsorganisation, die vor wenigen Tagen erstmals einen Impfstoff vornehmlich für Erwachsene zugelassen hat. Weitere Impfstoffe werden noch geprüft. Experten nehmen an, dass etwa zehn Millionen Impfungen nötig sein könnten, um die Ausbrüche in Afrika einzudämmen. Seit mehreren Wochen wird auch in der DR Kongo gegen das Virus geimpft. In dieser Woche kündigte US-Präsident Joe Biden an, eine Million Impfdosen an afrikanische Länder zu spenden.

Tejshri Shah, Generaldirektor von Ärzte ohne Grenzen, betonte Anfang September, dass es unmöglich sein wird, das Virus in den Flüchtlingslagern einzudämmen. Es sei denn, es werde versucht, die Bedürfnisse der Menschen zu berücksichtigen und die entsetzlichen Lebensbedingungen zu verbessern, mit denen sie schon viel zu lange zu kämpfen haben.

Mitarbeit: Ruth Alonga (Goma)