Otto Addo auf WM-Mission mit den "Black Stars"
24. März 2022Als Borussia Dortmunds U19-Mannschaft kürzlich mit einem 2:0-Sieg beim SC Freiburg ins Finale des A-Junioren-DFB-Pokals einzog, war Otto Addo gewissermaßen als Supervisor des BVB-Trosses gut beschäftigt. Der 46-Jährige fungierte als Organisationschef des Teams und diente während der Partie als Informations-Scharnier zwischen Dortmunds Trainer Mike Tullberg, der mit einer Corona-Infektion zu Hause geblieben war, und dem vor Ort eingesetzten Assistenten Daniel Rios. Nach ihrem Erfolg treffen die Junioren der Borussia im Endspiel im Mai auf den VfB Stuttgart.
Auch für Otto Addo, den Talent-Coach des BVB, ist das ein schöner Erfolg, der in den kommenden Tagen allerdings etwas in den Hintergrund treten wird. Denn Addo hat zwischenzeitlich eine andere Aufgabe: Er soll Ghanas Nationalmannschaft zur WM in Katar führen. In zwei entscheidenden Qualifikationsspielen geht es für die "Black Stars" am Dienstag (29. März) gegen den Erzrivalen Nigeria - nur der Sieger dieser beiden Spiele ist bei der WM dabei. Das Hinspiel am vergangenen Freitag endete 0:0.
"Als die Anfrage kam, musste ich nicht lange überlegen. Das ist eine große Ehre für mich", sagte Addo den "Ruhr Nachrichten". Nach Abschluss der beiden Duelle mit Nigeria kehrt Addo nach eigenem Bekunden "auf jeden Fall" zum BVB zurück. "Der Fokus mit Ghana liegt nur auf diesen beiden Spielen und darauf, das WM-Ticket zu holen", betonte Addo.
Besondere Beziehung zu Ghana
Es waren aufregende Monate zuletzt für Addo, der sich in Dortmund mit seiner empathischen Art als Bindeglied zwischen Profi- und Jugendabteilung eigentlich unverzichtbar gemacht hat. Doch schon im vergangenen Herbst, als für Ghana die letzten Runden der WM-Qualifikations-Gruppenphase anstanden, wurde er vom damaligen Chefcoach Milovan Rahevac ins Trainerteam der "Black Stars" berufen. "Ich kümmere mich hauptsächlich ums Gegner-Scouting und unsere daraus folgenden taktischen Maßnahmen", erklärte Addo damals seinen Job. Borussia Dortmund stellte seinen Jugend-Spezialisten schon da gern frei: " Es ist eine Ehre für Otto Addo, für das Land seiner Wurzeln arbeiten zu können", erklärte BVB-Sportchef Michael Zorc, der dem "Nebenjob" Addos zugestimmt hatte.
Addo hat eine ganz besondere Beziehung zu Ghana. Als Kind lebte der Sohn eines ghanaischen Arztes und einer deutschen Mutter zwei Jahre in Afrika, ehe die Mutter ihn und seine Zwillingsschwester zurück nach Hamburg holte, um die beiden allein groß zu ziehen. Addo wuchs im Stadtteil Hummelsbüttel auf, spielte lange im gehobenen Amateurfußball, ehe er erst im Alter von 24 Jahren bei Hannover 96 Fußballprofi wurde. Als Spätstarter nahm seine Karriere dann Fahrt auf. Addo spielte unter anderem sechs Jahre für Borussia Dortmund, wurde mit den Westfalen Deutscher Meister und ghanaischer Nationalspieler.
Er war als Spieler beim Afrika-Cup 2000 in Ghana und Nigeria dabei, bei der WM 2006 in Deutschland war Addo ebenfalls wichtiges Mitglied der "Black Stars", als das junge Team erst im Achtelfinale an Brasilien scheiterte (0:3). Der Kontakt zum ghanaischen Fußballverband riss seither nie ab. Addo lernte nach seiner aktiven Karriere den Trainerjob von der Pike auf: Machte seine ersten Schritte als Co-Trainer im Jugendbereich des Hamburger SV, rückte dort in den Seniorenbereich auf, um anschließend als "Co" weitere Erfahrungen in Dänemark unter Nordsjaellands Chefcoach Kaspar Hjulmand zu sammeln. Ehe er von Dieter Hecking ins Trainerteam bei Borussia Mönchengladbach geholt wurde. Schon damals arbeitete er zeitweise für Ghana, war unter anderem Gegner-Scout für das Team während der WM 2014 in Brasilien.
Wegbereiter Tony Baffoe
Mit seinen Engagements in Afrika hat im Übrigen immer auch ein anderer Deutsch-Ghanaer zu tun: Anthony Baffoe. "Mit ihm verbindet mich schon seit über 20 Jahren eine enge Freundschaft", sagt Addo. Baffoe, der in den vergangenen Jahren Karriere auf Funktionärsebene machte und sowohl beim afrikanischen Fußballverband CAF als auch beim Weltverband FIFA hochrangig etabliert ist, kümmerte sich immer auch um sein Heimatland. "Tony ist immer auf dem neuesten Stand, was Ghana betrifft und hilft auf allen Ebenen", weiß Addo.
Und natürlich hat es auch mit Baffoe zu tun, dass es nun Otto Addo ist, der Ghana zur WM-Endrunde 2022 führen soll. Nach dem unrühmlichen Afrika-Cup Anfang des Jahres in Kamerun, als Ghana bereits nach der Vorrunde die Segel strich, musste Chefcoach Rajevac gehen. Und mit Hilfe von Baffoes Kontakten stellte Ghanas Fußballverband ein sogenanntes "Interims-Team" auf der Trainerbank zusammen, das über jede Menge internationale Erfahrung verfügt.
Neben Addo, der als Cheftrainer in beiden Spielen voran gehen wird, konnte mit George Boateng ein langjähriger Profi aus der englischen Premier League als Co-Trainer gewonnen werden. Mit dem 56-jährigen Mas-Ud Didi Dramani unterstützt zudem der ehemalige Chefcoach von Ghanas Traditionsverein Asante Kotoko das junge Trainerteam. Als Technischer Direktor wurde den drei mit Chris Hughton zudem ein erfahrener Mann an die Seite gestellt, der unter anderem schon Newcastle United und Brighton and Hove Albion trainierte.
Viel Arbeit, wenig Zeit
Das Trainerteam hat nun die schwere Aufgabe, sozusagen "aus dem Nichts" eine schlagkräftige Truppe zusammenzustellen, die dem Favoriten Nigeria die Stirn bieten kann. Während des Afrika-Cups wirkte Ghana unentschlossen und vor allem im Spiel nach vorn extrem harmlos - bei der abschließenden 2:3-Niederlage gegen Fußballzwerg Komoren bot das Team eine regelrecht leblose Vorstellung.
Addo hatte vor den beiden entscheidenden Partien defacto nur vier Tage Zeit, mit seiner Mannschaft zu arbeiten. Entsprechend wenig Änderungen gab es. Es sind im Wesentlichen die Spieler, die auch beim Afrika-Cup dabei waren, die nun funktionieren sollen. Allerdings dürfte die Bedeutung der einzelnen Akteure verändert werden. Während Altstars wie die Ayew-Brüder sozusagen entmachtet wurden, erhalten jüngere Leute wie der beim deutschen Zweitligisten FC St. Pauli agierende Daniel-Kofi Kyereh und Top-Talent Felix Afean-Gyan mehr Verantwortung. Vor allem in den erst 19-jährigen Gyan von AS Rom setzen die Verantwortlichen große Hoffnungen. Der Youngster schlug in den vergangenen Monaten in der italienischen Serie A ganz groß ein und wurde von Trainer José Mourinho als "Rohdiamant" des Vereins bezeichnet.
Dass Ghana mit seinen jungen Offensivspielern allerdings den Gegner wird überrollen können - davon ist eher nicht auszugehen. Nigeria schied zwar beim Afrika-Cup ebenfalls schon früh in der ersten K.o.-Runde aus, zeigte sich zumindest in der Gruppenphase aber deutlich stärker als Ghana. Und auch Nigeria setzte für die beiden Spiele auf einen Interimscoach. Wie schon beim Afrika-Cup hat Austin Eguavoen das Sagen an der Linie. Der Ex-Nationalspieler ist eigentlich als Technischer Direktor beim Verband eingestellt, hilft nun aber weiterhin als Übergangstrainer aus. Und am Ende wird es nur einen Sieger geben: Austin Eguavoen oder Otto Addo. Sollte es letzterer sein, könnten sich Ghanas Anfragen bei Borussia Dortmund nach Freistellung ihres Nachwuchsexperten häufen.
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