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"Es fehlt eine Strategie im Irak"

Marcus Lütticke8. August 2014

Die US-Luftwaffe hat Angriffe gegen die Dschihadistengruppe "Islamischer Staat" geflogen. Aber können sie die Islamisten wirklich dauerhaft aufhalten? Der Politikwissenschaftler Marco Overhaus ist skeptisch.

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Porträt Marco Overhaus (Foto: SWP)
Bild: Stiftung Wissenschaft und Politik

DW: US-Präsident Barack Obama hat begrenzte Luftschläge im Norden des Irak angekündigt, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern und amerikanische Staatsbürger zu schützen. Nun fliegt die US-Luftwaffe bereits erste Angriffe gegen die Dschihadistengruppe "Islamischer Staat" (IS). Ist das aus Ihrer Sicht die richtige Strategie?

Marco Overhaus: Obama hat für die Autorisierung der Luftschläge ja zwei Begründungen vorgebracht: zum einen der Schutz der US-Bürger und US-Einrichtungen, zum anderen die Verhinderung einer humanitären Katastrophe. Beides sind ja sehr unterschiedliche Begründungen und das zeigt, dass es der amerikanischen Regierung bisher an einer klaren Strategie fehlt, wie sie mit der Herausforderung im Irak umgehen soll.

Wenn es keine Strategie im Irak gibt, sind die Luftschläge denn zumindest eine Kursänderung in Obamas Irakpolitik?

Eine wirkliche Wende oder einen Kurswechsel der Irakpolitik der USA können diese Luftschläge nicht bedeuten. Sie sind ein weiterer Schritt in einem schleichenden Prozess, durch den die USA sicherheitspolitisch immer stärker wieder in den Irak hineingezogen werden.

Darf der US-Präsident solche Luftschläge überhaupt im Alleingang - ohne Zustimmung des Kongresses - anordnen?

Das ist eine rechtliche Grauzone im Verfassungsgefüge der USA. Seit dem Vietnamkrieg hat der Kongress die Auffassung vertreten, dass der amerikanische Präsident die Zustimmung des Kongresses braucht, um amerikanische Streitkräfte zu entsenden, oder zumindest diese Zustimmung im Nachhinein einholen muss. Amerikanische Präsidenten haben seither durchgängig argumentiert, dass sie das nicht machen müssen. Insofern ist das ein offener Rechtsstreit in den USA, der bisher noch nicht entschieden ist und wohl auch auf absehbare Zeit nicht entschieden wird. Dieser Streit spiegelt sich jetzt auch aktuell in der Irakdebatte wider.

Die Amerikaner haben keine Truppen mehr im Irak stationiert. Kann der Kampf gegen die Terrorgruppe "Islamischer Staat" denn alleine aus der Luft gewonnen werden?

Die USA haben nur noch einen sehr leichten militärischen Fußabdruck im Irak – das sind einige hundert Militärbeobachter. Vor diesem Hintergrund muss man sagen, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass der Vormarsch von IS mit Luftschlägen alleine aufgehalten wird. Ebenso wenig wird dadurch eine humanitäre Krise im Nordirak zu verhindern sein.

Blicken wir einmal zurück. Gab es in der jüngeren Geschichte vergleichbare Einsätze, wo nur durch gezielte Luftschläge ein militärischer Erfolg erreicht werden konnte?

Luftschläge allein bringen äußerst selten oder überhaupt nicht dauerhafte Erfolge, wenn es darum geht, die jeweiligen Länder zu stabilisieren. Das gilt umso mehr, wenn in dem jeweiligen Land die Machtverhältnisse ungeklärt und durch ethnische Rivalitäten gekennzeichnet sind. Wenn man sich die Geschichte anschaut von Bosnien-Herzegowina über Kosovo bis Libyen und jetzt Irak, dann wird deutlich, dass mit begrenzten Luftschlägen alleine keine nachhaltigen Erfolge zu erzielen sind.

Marco Overhaus ist Politikwissenschaftler in der Forschungsgruppe Amerika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. 2010 arbeitete er als Transatlantic Fellow der RAND Corporation in Washington D.C.