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Oxfam: Soziale Ungleichheit nimmt zu

21. Januar 2019

Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich nach Angaben der Hilfsorganisation Oxfam weiter. Auch in Deutschland herrsche ein starkes Gefälle, schreiben die Macher der Studie.

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München Bettlerin Symbolbild Zwangs-Bettler
Bild: picture-alliance/Winfried Rothermel

In der vor dem am Dienstag beginnenden Weltwirtschaftsforum in Davos vorgelegten Oxfam-Studie "Public Good or Private Wealth" (Öffentliches Gut oder privater Reichtum) heißt es, in den zehn Jahren seit der Finanzkrise habe sich die Zahl der Milliardäre weltweit nahezu verdoppelt. 

26 Milliardäre besäßen genauso viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, kritisierte Oxfam-Direktorin Winnie Byanyima. Das Vermögen von Amazon-Chef Jeff Bezos, dem reichsten Mann der Welt, sei 2018 auf 112 Milliarden Dollar angewachsen. Das Gesundheitsbudget Äthiopiens entspricht demnach einem Prozent seines Vermögens.

So stieg nach Oxfam-Recherchen das Vermögen der Milliardäre im vergangenen Jahr um zwölf Prozent oder durchschnittlich 2,5 Milliarden Dollar pro Tag. Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung habe dagegen Einbußen von elf Prozent erlitten - durchschnittlich 500 Millionen Dollar pro Tag.

Jeff Bezos
Soll rund 112 Milliarden Dollar besitzen: Amazon-Chef Jeff BezosBild: picture-alliance/AP Photo/C. Owen

Frauen besonders betroffen

Soziale Ungleichheit trifft dem Bericht zufolge vor allem Frauen und Mädchen. Im weltweiten Durchschnitt besitzen demnach Männer 50 Prozent mehr Vermögen als Frauen. Frauen bezögen um 23 Prozent niedrigere Gehälter und trügen die Last der Mängel im Gesundheits- und Bildungsbereich. Pro Jahr leisteten sie unbezahlte Pflege- und Sorgearbeit im Wert von zehn Billionen Dollar, heißt es in dem Bericht. Das entspreche etwa dem 38-fachen Jahresumsatz des VW-Konzerns.

Die deutschen Milliardäre konnten ihr Vermögen laut der Studie im vergangenen Jahr um 20 Prozent steigern. Das reichste Prozent der Deutschen verfüge über ebenso viel Vermögen wie die 87 ärmeren Prozent der deutschen Bevölkerung. Im europäischen und internationalen Vergleich zähle Deutschland zu den Industrienationen mit der größten Vermögensungleichheit. 2017 waren demnach 15,8 Prozent der Bevölkerung von Einkommensarmut betroffen - ein Negativrekord - und jedes fünfte Kind galt als arm.

Oxfam will Investitionen

Öffentliche Angebote in den Bereichen Bildung, Gesundheit und soziale Sicherung könnten wesentlich dazu beitragen, Armut und Ungleichheit zu verringern, schreibt Oxfam. Doch diese Angebote seien weltweit dramatisch unterfinanziert. Oxfam fordert deshalb Investitionen in öffentliche Bildungs- und Gesundheitsversorgung sowie eine stärkere und wirksamere Besteuerung von Konzernen und Vermögenden.

Kongo: Migranten wurden aus Angola vertrieben
Flüchtlinge aus dem KongoBild: Reuters/Staff

Um Geschlechtergerechtigkeit zu schaffen, müssten in der Entwicklungszusammenarbeit Frauenrechte global gestärkt und Frauenorganisationen besser gefördert werden, so Oxfam. In Deutschland und der EU gehörten Frauen benachteiligende Regelungen im Steuer- und Arbeitsrecht abgeschafft.

Konzerne und Superreiche müssten zudem ihren fairen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten, verlangt Oxfam. Mit schwarzen Listen und wirksamen Strafmaßnahmen könnten Staaten gegen Steueroasen vorgehen und so Steuervermeidung unterbinden. Zudem müssten sie Konzerne angemessen besteuern - etwa mit europa- und weltweiten Mindeststeuersätzen.

"Kein Nullsummenspiel"

Der Studie von Oxfam widerspricht der Münchner Ökonom und Verteilungsforscher Andreas Peichl. Er äußert Zweifel am neuen Oxfam-Bericht und insbesondere an der behaupteten Verarmung der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung. Er könne die Oxfam-Zahlen zur Verarmung nicht nachvollziehen. Dass die Vermögen der unteren Hälfte so zurückgegangen sein sollen, "entspricht nicht der makroökonomischen Realität", sagte Peichl, der das Ifo-Zentrum für Makroökonomik leitet, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Vielmehr wachse die Weltwirtschaft und die Armut sinke insgesamt auf der Welt deutlich.

Peichl räumt aber auch ein, dass es in weiten Teilen Afrikas nicht genug Fortschritte gebe und Rückschritte in den Krisenländern des Nahen Osten. "Aber den Tenor des Oxfam-Berichts, es werde alle immer schlimmer auf der Welt, den teile ich ausdrücklich nicht." Indirekt warf er der Hilfsorganisation auch vor, die Lage in ihrem Sinne zu zeichnen: "Es gibt eine ganze Industrie, die verdient mit Berichten, dass es alles immer schlimmer wird." Und er fügte hinzu: "Es stimmt auf jeden Fall nicht, dass die Armen ärmer werden, weil die Reichen reicher werden. Das ist kein Nullsummenspiel."

cgn/wa (afp, epd, kna)